Kurzkritik:Show mit Schuh

Die "Chicks on Speed" auf der Sommerbühne

Von Dirk Wagner

Laut einiger Experten fallen in der Popkultur umso mehr weibliche Musikerinnen auf, je mehr herkömmliche Instrumente einer sogenannten handgemachten Rockmusik den Errungenschaften einer elektronischen Unterhaltungstechnologie weichen. Womöglich passt dazu auch, wenn Chicks On Speed in ihrem Hit-Cocktail auf der Sommerbühne im Stadion "We don't play guitars" anstimmen. "Wir können im Supermarkt Shoppen gehen, aber wir spielen keine Gitarren", heißt es darin. Tatsächlich haben Chicks on Speed allerdings einen High-Heel-Schuh zur Gitarre umgerüstet, auf dem die meisten Männer noch nicht einmal laufen könnten. Immer wieder greift Alex Murray-Leslie von den Chicks nun nach solchem Gitarrenschuh und lässt ihn in alter Rockerinnen-Manier rückkoppeln wie etwa Nita Strauss, die bei The Iron Maidens und mit Alice Cooper spielt, ihre E-Gitarre.

Nur, dass Murray-Leslie damit keine Rockmusik bedient, sondern eine elektronische Clubmusik. Eine, die man unsinnigerweise auch zuerst mit jener Computerwelt assoziiert, in der sich Lewis Carrolls Alice aus dem Wunderland nun frei nach Jefferson Airplanes "White Rabbit" begibt: "One click makes you larger and one click makes you small", singt Murray-Leslie in "Arctic Rabbit".

Die bewusstseinserweiternden Drogen, von denen Jefferson Airplane noch sangen, sind längst von einer "ultra-vernetzten und neoliberalen Welt" absorbiert worden. Immerhin ermöglicht die ultra-vernetzte Welt aber auch, dass die Visuals zum Chicks-on-Speed-Auftritt von Künstlerinnen live aus London und Trondheim beigesteuert werden. Eine Band, die solche Möglichkeiten zum Gesamtkunstwerk verschmilzt, denkt natürlich auch Corona größer: Statt die Welt wieder so aufzubauen, wie sie vor Covid-19 war, wäre jetzt die Gelegenheit, sie neu zu denken, sagen sie.

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