Kurzkritik:Kraft zur Krise

Jürg Kienbergers kluge Verzauberung im Tams

Von Egbert Tholl

Noch spielen sie, die kleinen Theater, die nun zu Oasen einer trotzigen Normalität werden, was für das Tams ganz besonders gilt, weil dort der Trotz, der künstlerische, seit jeher zu Hause ist. Genauer gesagt seit 50 Jahren, weshalb die Spielstätte, dieses wundervolle Refugium, das ganze Jahr Geburtstag feiert. Zu diesem ausgedehnten Fest kommen auch gerne Künstler vorbei, die vor vielen, vielen Jahren hier einst auftraten, im Schwabinger Hinterhof, und inzwischen vor lauter Verpflichtungen kaum mehr Zeit haben. Aber Geburtstag ist etwas anderes, da muss man kommen.

Wie Jürg Kienberger, der in vielen Arbeiten von Christoph Marthaler mitgemacht hat, als Musiker, der alles kann. Marthalers neue Produktion sollte diese Tage am Schauspielhaus Zürich herauskommen, was nun nicht mehr möglich ist, aber Kienberger spielt. Ganz allein. Dass "Eingerockt und ausgesungen" nun auch ein grandioser Kommentar zur gerade herrschenden Situation ist, das hat sich Kienberger vermutlich auch nicht so gedacht, ist sein Abend doch schlicht: "Ein fernes Lied aus Zwinglis Kindheit".

Von Huldrych Zwingli, dem Schweizer Reformator, erfährt man hier die erstaunlichsten Dinge. 1484 geboren, war er seinen Eltern bald zu klug, sie schickten ihn weg von den neun Geschwistern zum Patenonkel, dem Götti (so sagt man das in der Schweiz), der Dekan in Weesen war, Bartholomäus mit Namen. Bartholomäus hatte eine Haushälterin, die Kim, die dem kleinen Huldrych mit scharfer Thai-Suppe von der Pest heilte. Das klappt heute nicht mehr, was aber gut tut: Das zwischen Schattenspiel, Orgelchen, Hackbrett, Jodler, vielerlei Gesängen und poetischer Verzauberung mit Hilfe kleinster Bühnenmittel leuchtende Credo gegen die Schändlichkeit von Gier und Besitz. Man muss kein Reformator sein, um im Stillstand eine Chance zu sehen.

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