Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Klang voll Frische

Das Schumann-Quartett begeistert in Nymphenburg

Von Harald Eggebrecht

Es war, als betrete man endlich wieder die freie Natur und könne mit allen Sinnen wahrnehmen: Ein echtes Erleben von Musik als unmittelbarer Raumerfahrung von Klangwirklichkeiten, von musikalischem Miteinander, der körperlichen Präsenz von Musikern und Zuhörern, vereint in der Erwartung, was wohl Wolfgang Amadé Mozart im "Jagdquartett" KV 458 für theatralische Überraschungen bereit hält. Oder welche Strenge des Gedankens in Johann Sebastian Bachs "Kunst der Fuge" waltet oder welche rhythmischen Süffigkeiten und musiklandschaftlichen Erkundungen Johannes Brahms im 3. Streichquartett op. 67 bereit hält. All das dargeboten in der feurigen Frische, der instrumentalen Lust und der Freude am Erzeugen von musikalischer Spannung, ihren Steigerungen, Zuspitzungen und auch Erschöpfungen, wie sie das wunderbare Schumann-Quartett (Erik und Ken Schumann, Violinen; Liisa Randalu, Viola; Mark Schumann, Violoncello) so unnachahmlich verlebendigt und in der Pandemiezeit nicht verlernt hat. Die Musiker wirkten so geladen mit Energie und Leidenschaft, dass man meinte, die Töne und Klänge geradezu anfassen zu können.

Immerhin neunzig Besucher waren im Nymphenburger Hubertussaal dabei und folgten, maskenbewehrt den "Schumanns", als sie das Jagdquartett mit dessen witzigen Attacken, der bezwingenden Melodik in ausgereiftester "Kompositionswissenschaft" deutlich bis in kleinste Verzierungen hinein und ohne Tempohudelei verwirklichten. Das Meisterwerk gehört zum Sechser-Paket, das Mozart Joseph Haydn gewidmet hat. Klanglich ganz anders die Darstellung von vier Contrapunkti aus Bachs Kunst der Fuge. Die vier Streicher folgten den Fugenentwicklungen so unaufdringlich und fern falscher Dramatik, dass die Musik wie selbstverständlich Gestalt annahm. Nach kurzer Lüftungspause dann Brahms muskulöses B-Dur-Quartett mit dem Viola-Agitato-Satz, den Liisa Randalu herrlich auskostete. Dankbarster Beifall und eine geistreiche Haydn-Zugabe.

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Quelle:
SZ vom 10.06.2021
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