Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Keltische Rebellen

Lesezeit: 2 min

Die "Dropkick Murphys" geben im Zenith einen Vorgeschmack auf ihr neues Album

Von David Renke, München

Lange muss man sich gedulden, bis die Dropkick Murphys endlich im Zenith auf die Bühne kommen. Zuvor hatte der ja auch nicht ganz unbekannte Frank Turner mit seiner Band Sleeping Souls versucht, den Bogen zwischen Folkballade und Rocksound zu schlagen. "Jinny Bingham's Ghost" ist die wunderbar erzählte Story über besagte Jinny, die im Londoner Camden Town einen Pub betreibt, für solche songschreiberische Finesse fehlt an einem Abend für punkigen Rock einfach der Raum, um sich wirklich entfalten zu können.

Um kurz nach zehn stehen die Murphys dann aber doch endlich auf der Bühne, nicht ohne vorher das Publikum mit "The Foggy Dew" von den Chieftains und Sinéad O'Connor vom Band in keltische Stimmung zu versetzen. Mit der Mystik ist es jedoch schnell vorbei und auch ist sofort klar, dass sich das Warten gelohnt hat. Denn das, was folgt, sind eineinhalb Stunden feinster Celtic-Punk unter Volldampf. Immerhin sind die Becher, die von Anfang an durch die Gegend fliegen, nach zweistündiger Wartezeit bereits ausgetrunken; Nachschub ist allerdings schnell wieder von der Bar besorgt.

Seit Januar geben zwei neue Singles bereits einen Vorgeschmack auf das neue Album, das für den Spätsommer dieses Jahres angekündigt ist. Das ist zum einen die hymnische Coverversion "The Bonny" von dem schottischen Songwriter Gerry Cinnamon und zum anderen "Smash Shit Up". Auf der Bühnen-Videoleinwand ist dabei passend zu sehen, wie sie in einer Bauruine Wände einschlagen und ein Dixi-Klo umwerfen. Rebellen wollen sie sein - aber mit Selbstironie. Für diejenigen, die nicht textsicher sind, werden die entscheidenden Lyrics auf die Leinwand projiziert. Revolutionär neu ist der Sound nicht, vielmehr alt vertraut, aber das ist ja eigentlich auch ganz gut so. Denn so fügen sich die neuen Songs perfekt in die Setlist ein, die sich einmal durch die mittlerweile 24-jährige Bandhistorie wühlt. Das spulen die Amerikaner kommentarlos ab, die Stimmung stimmt bei dem teils stahlharten Gitarren- und Schlagzeug-Sound sowieso. Sie spielen also auch "The State Of Massachusetts" und "Rose Tattoo", bei "I'm Shipping Up To Boston" lassen sie ihre Fans mit auf der Bühne feiern und dank ihres jüngsten Albums von 2017 haben die Murphys mit "Until The Next Time" die perfekte Rausschmeißer-Hymne. "We Will Meet Again, Don't Know Where, Don't Know When", heißt es da, und eigentlich hofft man, dass es nicht allzu lang dauert bis zum nächsten Wiedersehen.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2020
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