Kurzkritik:Keine Erkenntnisse

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Vince Ebert tritt im Hof des Deutschen Museums auf

Von Oliver Hochkeppel, München

Für ihn persönlich sei der Lockdown eine angenehme Zeit gewesen, sagte Vince Ebert: "Social distancing war ursprünglich der Grund, warum ich Physik studiert habe." Tusch, Einstiegsgag gelungen. Tatsächlich hat Vince Ebert vor 20 Jahren ja erst nach dem Physikstudium zum Kabarett gefunden. Die Naturwissenschaft grundiert seither seine Programme, auch das jüngste namens "Make Science Great Again", das jetzt passenderweise im Innenhof des Deutschen Museums München-Premiere hatte. In das packte Ebert gleich in drei Themen-Stränge: Zum einen natürlich die Corona-Krise samt Lockdown; dann sein USA-Sabbatical, ein neunmonatiges New-York-Abenteuer; und schließlich ein rund um die mantraartig wiederholte Frage "Was ist wirklich wichtig im Leben?" geschnürtes Paket mit Zivilisations- und Gesellschaftskritik.

Vielleicht hätte sich Ebert mehr auf einen der drei Komplexe konzentrieren sollen, denn so richtig warm wurde man mit keinem. Zu Corona blieb im wesentlichen hängen, dass die Wissenschaft sich eben nur falsifizierend Schritt für Schritt nach oben taste, damit bestimmte Dinge erklären, aber nicht sagen könne, wie man mit diesen Erkenntnissen umgehen soll. Das eigentlich spannende, parallel zum Programm auch in Eberts neuem Buch "Broadway statt Jakobsweg" behandelte Amerika-Thema kam schnell wieder auf die üblichen USA-Deutschland-Vergleiche rund um Autofahren, Ingenieurskunst und Comedy zurück. Dass das Leben in New York schneller und aufregender ist als in Amorbach - aha. Und seltsam verharmlosend wirkt, die political correctness als nahezu größtes (und auf uns ausstrahlendes) Problem des Landes auszumachen.

Seltsam bleibt es auch beim Rest. Nette Gags und solide Lacher liefert Ebert zuverlässig. Aber Erkenntnisse? Dass das Leben komplex und wir alle widersprüchlich sind? Dass die "größte Errungenschaft des Abendlandes" bedroht ist, andere Meinungen auszuhalten? Dass man deshalb einfach wieder mehr direkt und nicht über die sozialen Medien reden müsse? Das kommt einem am Schluss dann doch unterkomplex vor - und fast schon ein bisschen unwissenschaftlich.

© SZ vom 29.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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