Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Damals und heute

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Hans Gerzlich im Innenhof der Seidlvilla

Von Oliver Hochkeppel, München

Ob Hans Gerzlich mit seinem neuen Programm "Das bisschen Haushalt" ein jugendliches Publikum gewinnen kann, ist fraglich. Die Versuchsanordnung eines Geschlechter-Rollentauschs - Frau wird Managerin bei Amazon, er führt statt ihrer den Haushalt - wirkt doch etwas aus der Zeit gefallen. Selbst wenn Gerzlich die aktuelle Bedeutung des Themas Gleichberechtigung unter anderem mit dem "Pay-Gap", also der um 20 Prozent schlechteren Bezahlung von Frauen belegt.

Speziell alle, die sich an die Achtzigerjahre erinnern können (und wir lassen jetzt den Einwand von Falco unter den Tisch fallen, diese hätten sie dann nicht erlebt), haben freilich großen Spaß an dem, was der Mann mit der Prilblumen-Küchenschürze über dem Anzug da treibt. Aus dem Vergleich der Gegenwart mit jener Zeit schöpft Gerzlich reichlich Komik, nicht immer ganz ohne ein Früher-war-alles-besser, dafür aber durchaus mit Tiefgang. Das beginnt mit Reminiszenzen an die Vor-Handy-Ära, biegt zu einer Analyse der Politiker-Typen damals und heute ab - aus der Frage, ob es nicht wieder solche bräuchte, die bereits vorher etwas geleistet hätten, entwickelt er ein mit schönen Parodien belebtes Kabinett der Komiker - und zieht nette Parallelen wie diese: Früher hätten Chefs Sekretärinnen gehabt, heute hätten CEOs Schnösel. Da ist der studierte Wirtschaftswissenschaftler und Marketing-Fachmann Gerzlich schnell wieder bei seinem Spezialthema, der Wirtschafts- und Büro-Welt von einst. Selbst den Beweis, dass man nur das hört, was andere einen hören lassen wollen, führt er nach Art des Bayern3-"Verhörhammers" anhand von Achtzigerjahre-Musik.

Die finale Abrechnung mit Amazon fiel der Corona-Kürze zum Opfer, ein Besuch des Vollprogramms voraussichtlich im März lohnt also. Zumal Gerzlich auch praktische Tipps liefert, etwa wie man eingebrannte Kochtöpfe wieder fit und Fingertapper dauerhaft von Edelstahl entfernt kriegt. Sage also keiner, Kabarett könne nichts bewirken.

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Quelle:
SZ vom 21.09.2020
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