Kurzkritik:Boys und Beulen

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Gegendertes Faschingskonzert der Musikhochschule

Von Michael Stallknecht, München

Bereits drei Stunden nach Vorverkaufsbeginn gab es in diesem Jahr nur noch Restkarten für die fünf Aufführungen im Großen Saal der Musikhochschule. An Beliebtheit kann es das alljährlich von der Studierendenvertretung veranstaltete Faschingskonzert locker mit den begehrtesten Premieren im Nationaltheater aufnehmen. Schließlich könnte man dort keine Aufführung von Mozarts "Requiem" erleben, bei der der Bass alle vier Solopartien singt. Wie Eric Price, im realen Leben Tenor, das macht? Ganz einfach: Er haut dem Tenor auf die Notenmappe und der Altistin auf die Nase, dann läuft die Sopranistin von alleine weg. Zum Ausgleich versetzen ihm Cellistinnen einige Nummern später schmerzhafte Pikser mit dem Stachel ihres Instruments.

Schließlich kann sich die Cellistin von Welt notfalls eines Teils ihres Rocks entledigen, wenn dieser für das Spiel zu eng wird. Für den Herrn wird es dagegen in Zeiten von MeToo schnell verfänglich, wenn er selbiges mit seiner Hose tut. "Boy Meets Girl - nicht" haben die Studierendenvertretung und der wie schon in den Vorjahren inszenierende Georg Blüml das Programm genannt, das sich immer auch als satirischer Jahresrückblick versteht.

Dabei wird eigentlich nichts schneller schal als Musikerwitze. Allerdings nicht, wenn sie derart finegetunt und finegetimt werden, wie Blüml das hier tut. Dann lässt sich sogar ein ganzes Orchester per Fernbedienung vorspulen oder von Moll auf Dur umschalten. Auf Knopfdruck funktioniert auch der Dirigent Manuel Hartinger, der für viele der komplexen Arrangements zuständig ist, in denen er kleinste bekannte Musikbruchstücke elegant neu verblendet.

Nur die mehrfach angekündigte Brexit-Nummer kriegen sogar er und Georg Blüml nicht in den Griff, weil sie ständig verschoben werden muss. Aber zum Glück können die Schotten aushelfen, die, wie man hier lernt, bei Bedarf auch auf einem Luftballon und einer Blockflöte Dudelsack spielen können. Schade nur, dass die Hochschule irgendwann generalsaniert werden muss - als "das nächste Milliardengrab, das der Freistaat freischaufelt", wie Moderator Raphael Beck ankündigt. Das Faschingskonzert, keine Frage, wird auch das überleben.

© SZ vom 24.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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