Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Bis alles zerfällt

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"Culcha Candela" füllen die Muffathalle mit wenig Neuem

Von Rebecca Reinhard, München

Viel Neues würde es nicht zu hören geben. Wer sich an diesem Montagabend auf den Weg in die Muffathalle machte, war dessen gewiss. Denn das neueste Album der multiethnischen Party-Hip-Hopper Culcha Candela ist - mal wieder - ein Best-of-Album geworden. "Besteste" heißt es und ist eine Reminiszenz an die Zeit vor rund zehn Jahren, als jene "bestesten" Gassenhauer noch auf jeder Teenieparty zu hören waren. Davon irritieren ließen sich offenbar wenige, denn die Muffathalle ist prall gefüllt mit jungen Feierwütigen an diesem Montagabend. Auf 18 Jahre Bandgeschichte blicken Culcha Candela um Berufspartyheld Mateo "Itychban" Jasik mittlerweile zurück. Das dürften die meisten Zuschauer bestenfalls im Strampler mitbekommen haben, denn viele im Saal sind selbst noch Teenager. Vereinzelt sieht man gar Kinder auf den Schultern ihrer Eltern die Arme schwingen.

Dass der Sound abgesehen vom DJ Set Matthias Hafermanns alias DJ Chino nur vom Band kommt, scheint dabei niemanden zu stören. Wie wild hüpfen viele zu den alten Bagger-Partysongs "Monsta" oder "Eiskalt" auf und ab. Dabei sorgt beispielsweise Letzterer textlich für einen durchaus schalen Beigeschmack, besonders einen Tag nach dem Weltfrauentag im Jahr 2020: "Sieben Eismänner auf der Suche / Nach den heißesten Schnitten der Stadt." Dass sich wie schon in Culcha Candelas Musikvideos vor zehn Jahren zwei Tänzerinnen, wenn auch mit Trainingsjacken, auf der Bühne rekeln, macht es nicht besser.

Mit "Schöne Neue Welt", ihrem wohl gesellschaftskritischsten Song aus dem Jahr 2009, positionieren sich Culcha Candela politisch. Wie auch in vielen Ansagen fordern sie Toleranz und Weltoffenheit. Dann ruft die Band plötzlich dazu auf, auch der Hysterie um den Coronavirus zu trotzen - mit kollektiven High-Fives mit den Nebenmännern und -frauen. Und die eine Zeile aus eben jenem "Schöne Neue Welt" macht plötzlich nachdenklich: "Was morgen wird, ist scheißegal / Wir feiern, bis alles zerfällt."

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Quelle:
SZ vom 11.03.2020
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