Kurzkritik:Bildstark

Kabarettist Hosea Ratschiller hat sich neu erfunden

Von Thomas Becker

Schmal ist er geworden, weg sind die rosig-runden Wangen, dafür sprießt ein hippes D'Artagnan-Bärtchen. Klar, Äußerlichkeiten, aber auch in seinem Bühnen-Tun hat sich Hosea Ratschiller mit dem Programm "Ein neuer Mensch" neu erfunden, frei nach Rimbauds "Ich ist ein anderer". Der in Wien lebende Kärntner wollte weg von seinem alten Bühnen-Ego, mit dem er seit zehn Jahren alle relevanten Kabarettpreise eingeheimst hatte. Auserzählt sei die Figur, sagt er. Hilfe fand er bei Petra Dobetsberger, der Regisseurin von Josef Hader. Und genau an dessen sprachliche Dichte und theatrale Form des Einpersonenstücks fühlt man sich erinnert, wenn der Enddreißiger in der Lach- und Schießgesellschaft so klug und smart in Anekdotenform seinen Alltag durchspielt, stets balancierend zwischen tiefschürfender Weltanalyse und Fun Facts aus dem Pub-Quiz. Das ist ganz großes Tennis - um mal nicht im Bild zu bleiben.

Die Bilder: Allein, wie er uns die ins Hirn schraubt! Ein schnöder Gang zum Bäcker gerät da zum viertelstündigen Mini-Theaterstück, bei dem alle Figuren pixelgenau aufscheinen. Auch das älteste Lebewesen, der bis zu 400 Jahre alte Grönland-Hai, ist einem plötzlich so vertraut wie die Lebensgefährtin. Oder das Start-up-Unternehmen Christoph Kolumbus: Als so grenzenlos zuversichtlich hatte man dessen Deal mit dem spanischen Hof nie gesehen. Auch der Klammer Franz und die Jungs von der Mondlandung wussten ja nicht, wie ihr Himmelfahrtskommando enden würde.

Wie Ratschiller das hinbekommt? Er nennt es Wienerisch "einitheatern": sich hineinsteigern in scheinbare Nebensächlichkeiten, und das hat der multipel Begabte wirklich drauf. Früher wollte er lieber Pumuckl statt Meister Eder sein, immer zu den Außenseitern gehören - hat nicht geklappt: Heute ist er die Galionsfigur einer literarisch-philosophisch geprägten Kleinkunst und Paradebeispiel dafür, was für eine wunderbare Kunstform dieses Kabarett doch sein kann. Heißen Dank dafür! (Zusatztermin: 4. April)

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: