Erst sah es aus wie ein Datenskandal: Säcke voll mit Röntgenbildern samt darauf eingetragenen Patientendaten aus einem Klinikum im Landkreis Weilheim-Schongau lagen in einem Straßengraben in Neuperlach. Fußgänger hatten die Bilder ziemlich genau vor einem Jahr entdeckt und die Polizei alarmiert.
Nun stellte sich heraus, dass ein skurriles Gaunerstück dahinter steckt: Komplizen hatten sich die Bilder illegal beschafft, um in einem speziellen Verfahren aus ihnen Silber zu gewinnen. In jedem Kilogramm analoger Röntgenbildern sind mehrere Gramm des Edelmetalls enthalten.
Klinik Weilheim:Röntgenbilder am Straßenrand
90 Säcke mit Röntgenbildern ließ die Klinik Weilheim von einer Entsorgungsfirma abholen - vier davon landeten am Straßenrand von Neuperlach. Dort fand ein Münchner Tausende Aufnahmen mit Namen und Geburtsdaten von Patienten.
Bei Kliniken und unter Datenschützern herrschte helle Aufregung, als die Müllsäcke mit Tausenden Röntgenbildern entdeckt wurden. Alle Bilder waren älter als zehn Jahre, trugen aber die Namen, Geburts- und Adressdaten von Patienten. Sie stammten aus einem Krankenhaus im Oberland. Damals hatte man geglaubt, dass ein Transportfahrer, der die Röntgenbilder zu einem professionellen Entsorger bringen sollte, die Bilder in Müllsäcke verpackt einfach in unmittelbarer Nähe seines Wohnortes in Neuperlach bei einem Parkplatz entsorgt habe.
Aus den Röntgenbildern sollte Silber gewonnen werden
Ein Prozess vor dem Amtsgericht München brachte die Wahrheit an den Tag. Der Transportfahrer war am 6. Februar 2015 in seinem Fahrzeug zusammen mit einem Freund und einer bis heute unbekannten weiteren Person an dem Krankenhaus vorgefahren. Der Freund, der ihn um Hilfe bei dem Transport gebeten hatte, schwindelte dem Haustechniker vor, sie seien Mitarbeiter einer Entsorgungsfirma und hätten den Auftrag, alle alten Röntgenbilder abzuholen.
Das Klinikum hatte tatsächlich Ende Januar 2015 einen Vertrag über die Entsorgung nicht länger aufbewahrungspflichtiger Bilder mit einer Spezialfirma abgeschlossen. Nichts Böses ahnend, händigte ein Haustechniker dem Trio deshalb insgesamt 80 Säcke aus. Etwa 50 enthielten analoge Röntgenbilder, die einen Silberanteil haben. Laut Gericht kann das Silber durch Waschung oder Veraschung gewonnen werden. Das Gericht stellte fest, dass wenigstens sechs Gramm pro Kilo zu erwarten gewesen seien.
Die Säcke mit den Aufnahmen waren von dem Münchner und seinem Freund sortiert und bis auf zwei Säcke, für die kein Platz mehr war, im Keller des elterlichen Hauses gelagert worden - der Transporter wurde nämlich dringend für eine andere Fuhre benötigt und musste deshalb eilig entladen werden. Die zwei überzähligen Säcke versteckte der Münchner kurzerhand in einer Grünanlage, um sie später abzuholen.
Zwischenlager Grünanlage
Pech für ihn, dass diese schon bald von einem Passanten entdeckt wurden, der die Polizei verständigte. Als der Münchner im Radio hörte, dass sackweise Röntgenbilder aufgefunden worden waren, hatte er sich der Polizei gestellt. Für die Fahrdienste habe er rund 120 Euro von dem Freund bekommen, sagte er.
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Das Amtsgericht hat ihn nach der Beweisaufnahme freigesprochen. Es konnte ihm nicht nachgewiesen werden, dass er in den Plan seines Freundes eingeweiht war. Offenbar wusste er auch nicht, dass sein Freund tatsächlich keinen Anspruch auf die Säcke mit den Röntgenbildern hatte. In der Hauptverhandlung konnte allerdings nicht geklärt werden, wie dieser Bekannte davon erfahren hatte, dass die Röntgenbilder von der Klinik bereitgestellt worden waren, damit sie eine Entsorgungsfirma abholt. Gegen den Freund ermittelt die Polizei noch immer.