Polizei München:Ach, du dicker Nager

Die tierischen Internetstars des Jahres

Dieses Bild geht um die Welt: Anfang Dezember steckt ein Eichhörnchen im Gullydeckel fest - und wird so zum Star der sozialen Medien.

(Foto: Tierrettung München/DPA)

Ein steckengebliebenes Eichhörnchen, ein vergessener Leichenwagen und arg verwirrte Kiffer. Münchens Polizei musste sich 2016 mit einigen skurrilen Fällen befassen.

Von Martin Bernstein

Zu Silvester darf ein Polizeireporter auch einmal aus der Ettstraße plaudern. Und gestehen: Nicht bei allen Meldungen, mit denen er im Lauf eines Jahres konfrontiert wird, erschloss sich der Ernst der Situation auf den ersten Blick. Manchmal hätte man sogar - wäre man nicht gerade im Präsidium oder auf der Wiesnwache oder bei der Bundespolizei am Hauptbahnhof oder bei der Berufsfeuerwehr gewesen - gerne geschmunzelt. Was im Rückblick betrachtet natürlich völlig unangemessen wäre angesichts von Fällen wie diesen:

In der Tonne

Vielleicht hat es ja mit dem 125-jährigen Bestehen der Münchner Abfallwirtschaftsbetriebe zu tun. Jedenfalls gab es im Jahr 2016 gleich mehrere Vorfälle, bei denen Mülltonnen eine gewisse Rolle spielten. Das jüngste Ereignis dieser Art wurde erst zu Beginn dieser Woche in der ganzen Stadt diskutiert. Es ging um Emilia. Und um die Frage: Wie ist sie das bloß hineingekommen?

Emilia ist ein Zwergkaninchen, Marke Löwenköpfchen. Eine Truderingerin entdeckte das strubbelige Tierchen in einer Biotonne. Und nun rätselt ganz München: Wurde Emilia als ungeliebtes Weihnachtsgeschenk von irgendeinem gemeinen Menschen einfach entsorgt, was eine Sauerei wäre? Oder ist Emilia die klügste ihrer Art, das erste Kaninchen, das Mülltonnen öffnen kann, um an leckere Knabbereien zu kommen?

Knabbereien suchte der junge Mann bestimmt nicht, den die Feuerwehr Mitte März auf der Reichenbachbrücke aus einer misslichen Situation befreien musste. Eine größere Gruppe junger Nachtschwärmer war gerade auf dem Nachhauseweg. Dabei gelangte aus bisher unbekannter Ursache der Schmuck einer jungen Dame in eine große Papiertonne.

Ihr 25-jähriger Freund versuchte das Geschmeide seiner Freundin aus der Tonne zu retten. Da aber der Abfallbehälter wesentlich größer war als es der erste Eindruck vermittelte, beugte er sich heldenhaft sehr tief in diese. Dabei fiel er gänzlich hinein, der Deckel schlug hinter ihm zu und verriegelte sich automatisch. Erst der Feuerwehr gelang es, den Dosenkavalier zu befreien.

Seinen Fluchtweg hatte ein 42-jähriger Ladendieb im Juli offenbar schon geahnt. Jedenfalls klaute er vorsichtshalber sechs Packungen Parfüm - um sich anschließend in einer nicht gerade wohlriechenden Mülltonne im Hinterhof eines Wirtshauses an der Münchner Freiheit zu verstecken. Als die von einem Passanten alarmierte Polizei eintraf, hatte der Duftdieb entweder zu viele seiner sechs Parfümsorten gleichzeitig ausprobiert. Oder ihm war es in der Tonne zu eng geworden. Jedenfalls klagte er über Herzprobleme und musste erst einmal ins Krankenhaus.

Vergessliche Autofahrer

Angeblich liebt der Deutsche ja fast nichts so sehr wie sein Auto. Vermutlich ein Gerücht. Denn wie wäre es sonst zu erklären, wie sorglos viele Menschen mit ihrem fahrbaren Untersatz umgehen. Abstellen, weggehen, vergessen - lautet offenbar ihre Devise. Ein 30-jähriger Angestellter stellte Anfang Februar seinen Nissan Almera in der Nähe seines Hotels ab.

Am nächsten Tag konnte er sich, dummerweise nicht mehr erinnern, wo das gewesen war. Hm . . . in einer Nebenstraße vielleicht? Die Polizei schaute nach, aber da war nichts, zumindest nicht das richtige Auto. Zwei Wochen später fanden Parküberwachungskräfte der Polizeiinspektion 14 den Nissan in der Pettenkoferstraße. Eineinhalb Kilometer vom Hotel entfernt.

Noch eklatanter war der Blackout eines 50 Jahre alten Mannes aus Markt Schwaben. Er stellte seinen Wagen Ende August des Jahres 2015 in einem Parkhaus "irgendwo in der Nähe des Hauptbahnhofs" ab - und fand ihn nicht wieder. Ein halbes Jahr später fiel den Betreibern eines Parkhauses an der Hopfenstraße ein völlig zugestaubter Dauerparker auf. Die Polizei konnte so Fahrer und Fahrzeug wieder glücklich vereinen. Und die Contipark Parkgaragengesellschaft zeigte sich kulant: Dem Dauerparker wurden lediglich 100 Euro statt der eigentlich fälligen 800 Euro in Rechnung gestellt.

Auf Platz eins der größten Münchner Parkplatz-Schussel 2016 landet freilich der 24 Jahre alte Fahrer eines Leichenwagens, der während der Überführung einer Verstorbenen von Italien nach Niederschlesien in Polen in München einen Zwischenstopp einlegte. Der Mann, der möglicherweise die Pause genutzt hatte, um Substanzen zu sich zu nehmen, die dem Erinnerungsvermögen wenig zuträglich sind, fand nach dem Mittagessen am Sonntagnachmittag seinen Leichenwagen nicht mehr. Zunächst suchte er offenbar alleine, erfolglos.

Schließlich schaltete dann eine Mitarbeiterin des polnischen Bestattungsunternehmens die Münchner Polizei ein: Irgendwo "in Bahnhofsnähe" (wieder einmal diese offenbar beliebte Ortsangabe) müsse ein schwarzer Mercedes Vito mit polnischem Kennzeichen und weißen Gardinen stehen. Der Fahrer hatte zwischenzeitlich den Verdacht geäußert, das Auto könnte irgendwo am Platzl stehen, war sich dessen dann aber auch nicht mehr sicher und überhaupt nicht besonders kooperativ.

Kiffender Pokémon-Go-Spieler bemerkt Polizei nicht

Mit einer Öffentlichkeitsfahndung über Presse und soziale Netzwerke suchte die Münchner Polizei nach dem Auto und der darin aufgebahrten Toten. "So leicht kann man das Auto eigentlich nicht übersehen", sagte ein Polizeisprecher. Was zu beweisen war. Schon bald meldete sich ein aufmerksamer Passant. Er hatte den vermissten Leichenwagen entdeckt. Freilich keineswegs in Bahnhofsnähe - das Auto stand an der Ecke Kapuziner- und Isartalstraße. Ein Ersatzfahrer brachte den Wagen und die Verstorbene nach Polen. Den ursprünglichen Fahrer hatte die Münchner Polizei vorsichtshalber nicht mehr ans Steuer gelassen.

Richtig und falsch

Definitiv die falschen Opfer eines vermeintlichen "Scherzes" hatte sich im Februar ein 30 Jahre alter Mann aus dem Landkreis München ausgesucht. Zusammen mit einem Spezl war er auf dem Petuelring unterwegs, als er glaubte seine neue Handy-App ausprobieren zu müssen. Diese konnte nämlich ganz toll das Blaulicht eines Einsatzfahrzeugs simulieren.

Das wollte der Mann gleich einmal ausprobieren. Mit Blaulicht und Aufblinken des Fernlichts forderte er das vor ihm fahrende Auto zum Anhalten auf. Die anschließende Kontrolle verlief dann freilich in einem entscheidenden Punkt anders, als der Möchtegern-Ordnungshüter sich das vorgestellt hatte. Die Insassen des gestoppten Autos waren nämlich Polizisten. Ebenfalls in Zivil. Aber echt.

Tiere im Großstadtdschungel

Es war ein paar Tage zu spät für einen Aprilscherz, als eine aufmerksame Passantin im Englischen Garten einen herrenlosen Apfelschimmel entdeckte und die Einsatzzentrale alarmierte. Sofort setzte die Polizei die Beamten und Dienstpferde der Reiterstaffel in Trab, die bereits im Park unterwegs waren. Tatsächlich erkannte einer der berittenen Polizisten dann recht schnell, dass er gerade nach sich selbst fahndete.

Denn das vermeintlich herrenlose weiße Pferd war zwischen der Hirschau und dem Biergarten des Mini-Hofbräuhauses gesichtet worden - genau auf der Strecke, auf der die Beamten gerade unterwegs gewesen waren. Ohne einen reiterlosen Schimmel zu entdecken. Dafür ritt einer der Polizisten selbst einen Apfelschimmel namens Titan.

Bei der Gegenüberstellung klärte sich der mysteriöse Fall auf: Die Frau hatte den Beamten wegen dessen grüner Dienstkleidung vor dem Frühlingsgrün der Bäume nicht gesehen. Gut, dass die Dienstkleidung der Polizei vom neuen Jahr an blau sein wird. Dann gibt's die Probleme nur noch am Eisbach und am Kleinhesseloher See.

Ein echt tierisches Problem hatte dagegen ein Eichhörnchen, das sich Anfang Dezember in einem Giesinger Kanaldeckel verfangen hatte. Mit dem Einsatz von Olivenöl, viel Geduld und unter großer Kraftanstrengung gelang es der Tierrettung, den unterkühlten Nager zu befreien. Und wer den Schaden hat: Das dicke Eichhörnchen wurde danach unter dem Namen "Olivio" zum Social-Media-Star.

Volle Dröhnung

Die interessantesten Ausrutscher leisteten sich im Jahr 2016 zweifelsfrei mehrere Kiffer. Da war etwa ein 27-jähriger Schwabinger Cannabis-Konsument, der von seinem Balkon aus beobachtete, wie Polizisten in den Hinterhof kamen. Das konnte nur ihm gelten. Der Mann auf dem Balkon hob die Hände und ergab sich seinem Schicksal. Kurz darauf klingelte es, mehrere Polizeibeamte nebst Diensthund standen vor der Tür.

Dabei waren die Polizisten gar nicht seinetwegen gekommen. Im Innenhof waren drei Schüsse aus einer Schreckschusswaffe gehört worden. Und als die Beamten einen Mann mit erhobenen Händen auf dem Balkon sahen, argwöhnten sie: Das könnte der Schütze sein. Die Liste ähnlicher rauschbedingter Fehlleistungen ist lang: Ein Touristenehepaar konsumierte mitten im Alten Hof einen Joint, während nebenan die Personalversammlung des Polizeipräsidiums stattfand.

Ein junger, frierender Mann klopfte an die Tür eines Kleinbusses und fragte, ob er zum Rauchen einsteigen dürfe - es war ein Zivilfahrzeug der Drogenfahnder. Und ein 30-Jähriger war in der Fußgängerzone so vertieft in sein Pokémon-Go-Spiel, dass er die zwei Beamten zunächst gar nicht bemerkte, die sich neben ihn setzten. Für das Spiel interessierten sich die Polizisten dann weniger als für den glimmenden Joint, den der Jäger der virtuellen Monster in der anderen Hand hielt. "Oh Shit", sagte der Mann, "darf ich das noch schnell fertig machen?" Er durfte.

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