Kunstförderung:Bilder einer Stadt

Graffiti auf dem Gelände der Kultfabrik in München, 2016

Sehenswert: Auch Wände der Kultfabrik sind Leinwand für Graffiti.

(Foto: Catherina Hess)

Street Art und Graffiti-Kunst sollen auch im kommenden Jahr mit 280 000 Euro gefördert werden. Größtes Problem ist es aber nach wie vor, geeignete Flächen für lokale und internationale Künstler zu finden

Von Stefan Mühleisen

Von Schmiererei und Kritzelei spricht schon lange keiner mehr, von Sachbeschädigung gleich gar nicht: Street-Art ist eine etablierte Form der Gegenwartskunst, Städte wie London oder Barcelona fühlen sich geschmückt und geehrt, wenn etwa der Brite Banksy eine Fassade mit einem seiner ausgefallenen Werke veredelt. Auch München soll in die Riege der Street-Art-Metropolen aufschließen, da sind sich Kulturreferat und Stadtrat einig - und die Stadtpolitik zeigt sich weiterhin entschlossen, Graffiti-Kunst und Street-Art in der Stadt mit einem großen Betrag anzuschieben: Die Rathauskoalition will auch 2017 an der Fördersumme von 280 000 Euro festhalten. "München kann noch bunter werden", sagt der kulturpolitische Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion, Klaus Peter Rupp.

Ursprünglich waren es im Jahr 2015 80 000 Euro, mit denen Kulturreferent Hans-Georg Küppers Projekte lokaler und internationaler Künstler unterstützen durfte. Es gelte, so hieß es in der Beschlussvorlage damals, Entwicklungsmöglichkeiten für die freie Szene, für Avantgarde und Unangepasstes zu schaffen. Das Kalkül: Es wäre doch toll, wenn München - in den Achtzigerjahren einst ein Zentrum der Graffiti-Kultur - im internationalen Street-Art-Ranking mithalten könnte. Das ging soweit, dass mit dem Urban-Art-Künstler David Kammerer ein Beauftragter für das Thema eingestellt wurde - der jedoch bald wieder kündigte. Er habe die Doppelrolle als Koordinator für die Szene und Künstler nicht ausfüllen können, hieß es. Zu hören war aber auch: Der Urban-Art-Künstler, bekannt als "Dave Cemnoz", habe eher der lokalen Graffiti-Szene zugeneigt, weniger der Street-Art, die einen hochwertigen und gesellschaftskritischen Ansatz verfolgt. Erfolgreicher Akteur ist hierbei der Verein "Positive Propaganda", der bereits 2015 eine Drei-Jahres-Förderung, dotiert mit jährlich 100 000 Euro, zuerkannt bekam. Die Initiative unterhält Kontakte zu internationalen Künstlern, von denen einige bereits Sujets auf Münchner Fassaden hinterlassen haben.

Seit dem laufenden Haushaltsjahr ist das Urban-Art-Budget deutlich aufgestockt; im Kulturreferat hat eine Mitarbeiterin die Koordination übernommen. "Das Geld ist insgesamt hervorragend angelegt", sagt Richard Quaas, Sprecher fürs Kulturfach der CSU-Fraktion im Stadtrat. Er zeigt sich begeistert von den bereits realisierten Wandgemälden bekannter Künstler. "Das sind bleibende Kunstwerke im Stadtbild", sagt er und räumt ein, dass die Anzahl noch überschaubar sei, "doch was da noch kommen kann, ist sehr vielversprechend". Quaas hebt hervor, dass die städtische Geldspritze nicht nur die etablierten Street-Art voranbringen soll, sondern auch für die hiesige Sprayer-Szene vorgesehen ist: "Die Graffiti-Szene darf nicht zu kurz kommen."

Sein Kollege von der SPD zeigt sich ähnlich überzeugt von der Straßenkunst. "Das Geld ist gut eingesetzt", sagt Klaus Peter Rupp. Auch im Lichte der Ermahnungen des Oberbürgermeisters zur Haushaltsdisziplin sieht er keinen Grund zum Sparen: "Das bedeutet nicht, Projekte zu streichen, die sehr gut laufen." Wie Quaas, so sieht auch er es als unnötig an, wieder einen Vertreter der Urban-Art-Szene ins Kulturreferat zu holen. Als notwendig erachten beide eine verstärkte Akquise geeigneter Flächen für die teils großformatigen Bilder.

Eben dies ist der bremsende Faktor für die Künstler, ob sie nun aus dem Ausland kommen oder aus München. "Wir brauchen mehr Flächen im öffentlichen Raum für Street-Art und Graffiti, für Projekte renommierter Künstler und auch für die noch nicht etablierten Akteure", sagt Kulturreferent Hans-Georg Küppers. Nach Auskunft seiner Behörde offerierten Bauträger Sanierungsobjekte oft nur gegen viel Geld für temporäre Kunst, wenn überhaupt Interesse bestehe. Also konzentriert sich das Kulturreferat auf städtische Flächen, etwa Straßenunterführungen oder Fassaden in städtischem Eigentum.

So wurden auch in diesem Jahr wieder etliche Dosen leer gesprüht - etwa am Viehhof, am Sozialbürgerhaus Sendling-Westpark, am Quidde-Zentrum in Neuperlach oder am Tassiloplatz. Martin Blumöhr hinterließ ein 250 Meter langes Wimmelbild in Pasing, Loomit ein kunterbuntes Historien-Graffito in einer Unterführung der Ludwigstraße. Als "großen Gewinn" sieht das Kulturreferat diese lokalen Projekte, die oft unter Mitwirkung ansässiger Jugendlicher entstehen. Laut der Behörde ist derzeit eine Graffiti-Webseite in Planung, die Anfang 2017 online gehen soll. Das Konzept erarbeiten die Künstler Leo Rothmoser, Jonas Hirschmann und Roman Häbler. Das Portal soll über Projekte und Fördermöglichkeiten informieren sowie verfügbare Flächen aufzeigen. Das Künstler-Trio will zudem im Februar 2017 ein Graffiti-Buch mit dem Titel "We are here" vorlegen.

Die Werke international renommierter Künstler sind im Stadtbild noch dünn gesät; im August stellte der spanische Street-Art-Künstler Escif sein haushohes Gemälde "Durch die Blume gesagt" an der Paul-Heyse-Straße fertig; der US-Amerikaner Shepard Fairey realisierte 2015 sein Werk "Paint it black" an einem Stadtwerke-Gebäude an der Landshuter Allee.

Organisiert hatte das der Verein Positive Propaganda. "Es ist unser Ziel, inspirierende und langfristige Sehenswürdigkeiten im Stadtbild zu schaffen", sagt Vereinsvorsitzender Sebastian Pohl. Er zeigt sich zuversichtlich, dass es davon bald mehr zu sehen geben wird, mahnt aber vor allem bei privaten Eigentümern auch zur Zurückhaltung, denn: Solch ein Wandbild könne den Wert des Hauses um einen sechsstelligen Betrag steigern: "Das Kunstwerk soll der Öffentlichkeit gehören und nicht einem Immobilienbesitzer. Zumal das Kunstwerk mit öffentlichem Geld gefördert wird."

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