Kunstfälscher-Urteil:"Genialer Plagiator"

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Ein Betrüger drehte Kunden gefälschte Nolde-Aquarelle an - Das Gericht verhängt nun drei Jahre und drei Monate Haft gegen den vollumfänglich geständigen Mann.

Von Alexander Krug

Auf dem Kunstmarkt werden für Bilder von Emil Nolde (1867-1956) enorme Summen bezahlt. Im vergangenen Jahr erzielte das Ölgemälde "Blumengarten" auf einer Versteigerung bei Christies in London den Rekordpreis von 3,2 Millionen Dollar.

Die Preise, die Gerhard P., 50, verlangte, klangen da höchst verlockend. Der Münchner bot Aquarelle des Künstlers aus Nordfriesland für einige zehntausend Euro an. Der Haken: Sämtliche Bildnisse sowie die mitgelieferten Echtheitszertifikate waren gefälscht.

Fälscher im Rollstuhl

Im Rollstuhl wurde Gerhard P. gestern in den Sitzungssaal des Landgerichts München I geschoben. Der self-made Kaufmann (ohne abgeschlossene Lehre) laboriert noch immer an den Folgen zweier Schlaganfälle, die er vor mehr als sechs Jahren erlitt.

Gerhard P. hatte in früheren Jahren einmal einen eigenen Kunsthandel betrieben, bevor er sich als Immobilienmakler versuchte. Nach der Pleite mit einem Bauträgerprojekt mit mehreren Millionen Mark Schulden zog er sich nach Kenia zurück, heiratete und betrieb dort einen Importhandel mit Pharmazeutika.

Nolde-Bilder

Doch auch dieses Geschäft scheint nicht sonderlich ertragreich gewesen zu sein. Denn irgendwann kam Gerhard P. auf die Idee, sich mit gefälschten Nolde-Bildern eine zweite Einkommensquelle zu verschaffen. Anfang 2001 bot er dem renommierten Auktionshaus Dorotheum in Wien zwei Aquarelle an zum Preis von insgesamt 120.000 Euro.

Zum Beweis der Echtheit legte er zwei fingierte Expertisen des anerkannten Nolde-Experten Martin Urban vor. Das Auktionshaus zahlte einen Vorschuss von 32000 Euro, bevor es misstrauisch wurde und die Fälschungen erkannte. Mit seiner Masche gelang es Gerhard P., noch weitere Galerien zu prellen. Am härtesten traf es einen Salzburger Kunsthändler, der für vier Aquarelle 235000 Euro auf den Tisch blätterte.

Insgesamt erschwindelte sich der Angeklagte rund 280000 Euro. In mehreren Fällen misslang der dreiste Betrug, weil die Galeristen argwöhnisch wurden und die angebotenen Bilder zur Prüfung an die Nolde-Stiftung in Seebüll (Schleswig-Holstein) schickten.

Pauschales Geständnis

Gerhard P. legte gestern über seinen Anwalt Joachim Schwarzenau ein pauschales Geständnis ab. Das große Geheimnis, wer die Bilder und Expertisen gefälscht hatte, wollte er jedoch nicht lüften.

Richter und Staatsanwältin hätten dies nur allzu gern gewusst. So aber konnte Richter Hans-Günter Melchior nur konstatieren, dass es sich bei dem unbekannten Fälscher um einen "genialen Plagiator Noldes" handeln müsse.

Das Landgericht verurteilte Gerhard P. wegen mehrfachen Betrugs, Betrugsversuchs und Urkundenfälschung zu drei Jahren und drei Monaten Haft.

Prozessabsprache

Das Urteil entsprang einer Prozessabsprache zwischen den Beteiligten. Mit seinem Geständnis habe der Angeklagte die Prozessdauer erheblich verkürzt, so das Gericht.

Strafmildernd wurde auch sein Gesundheitszustand berücksichtigt. Negativ ins Gewicht fiel indes die "hohe kriminelle Energie", die er bei seinen Delikten gezeigt habe. Gerhard P. sitzt seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft. Er hofft nun, dass die Reststrafe bald zur Bewährung ausgesetzt wird.

© SZ v. 17.1.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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