Früher war die Sache einfach: Vor der Pandemie, da luden die Katholische Akademie und der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, einmal im Jahr zum "Künstlerempfang". Jetzt, da die ganze Welt irgendwie kopf steht, ist es auch in der ehrwürdigen Adresse in der Biedersteiner Straße nicht mehr wie es war. Zum ersten Mal hat man sich zusammengetan mit der Evangelischen Kirche. Neben Reinhard Marx und dem Akademiedirektor Achim Budde lädt auch Christian Kopp, Regionalbischof im evangelisch-lutherischen Kirchenkreis München, zum "1. Ökumenischen Kunstempfang". Das ist ein Quantensprung. Gleich in doppeltem Sinne: Die Beteiligten verbrüdern sich nicht nur unter Christen. Sie stellen schon mit der Namensgebung für den Abend klar, dass die aktuellen Gender-Debatten nicht spurlos vorübergegangen sind. Aus Künstlerempfang wird Kunstempfang.
Dieses Zusammenrücken ist ganz im Sinne der aktuellen Krisen zu verstehen. Geplant war diese erste konfessionsübergreifende Veranstaltung in Sinne der Kunst bereits für Herbst 2021. Doch da brachten die Corona-Auflagen für Veranstaltungen geradewegs den zweiten Kultur-Lockdown mit sich, und der Empfang wurde abgesagt. Zu Corona ist mittlerweile auch noch die Energiekrise infolge des Ukraine-Krieges gekommen. Die Gesamtlage für Künstler aller Bereiche ist damit nicht einfacher geworden.
Das betont auch Kunst- und Wissenschaftsminister Markus Blume, der zu den Rednern des Abends zählt. "Wie können wir die Härten jetzt abfedern? Kunst und Kultur proaktiv Sicherheit geben? Wie können wir bewirken, dass es keinen Energie-Lockdown gibt für die Kultur?" Das sind die Fragen, die Blume in den Raum stellt wie drei weiße Elefanten, auch wenn die geladenen Gäste aus der Künstlerschaft von ihrem Minister doch viel lieber die Antworten dazu gehört hätten.
Dass beide Kirchen in Zeiten der harten Corona-Maßnahmen für viele Künstler zur Zuflucht geworden sind, wird allseits gewürdigt. Akademiedirektor Budde zeigt ein Video kirchlicher Kunst-Projekte der vergangenen Monate, allesamt mit anständigen Honoraren und der ersehnten Sichtbarkeit für die Künstler verbunden. Auch die Bildhauerin Stefanie Unruh und der Schauspieler sowie bildende Künstler Stefan Hunstein sprechen davon auf dem Podium. Sie schildern noch einmal die Verheerungen, die jene Zeit in manchen Geldbeuteln und Künstlerseelen hinterlassen haben. Nora Gomringer, die Schriftstellerin und Direktorin der Villa Concordia in Bamberg, sollte eigentlich mit ihnen dort stehen. Doch weil Corona eben immer noch die Welt plagt und gerade auch noch Bayerns wortgewandteste Tochter, ist sie nur per Zoom zugeschaltet und auf der großen Leinwand zu sehen.
Ihr Vortrag über das offizielle Thema des Abends "Lebensmittel Kunst" ist herrlich, bringt die nötige Leichtigkeit ohne jede Seichtigkeit ins Spiel. Sie variiert den Ausspruch, dem das Motto zugrunde liegt, mit leicht kratziger Stimme und dem bewährten Humor: Denn es war der österreichische Bischof Hermann Glettler, der einmal gesagt hatte, "Für mich ist Kunst ein Lebensmittel." Für Gomringer sind Lebensmittel gelegentlich Kunst, beziehungsweise macht sie welche daraus. Wie aus einem Dutzend Süßigkeiten, über die sie bei einem Stipendiaten-Aufenthalt in Japan Haikus geschrieben hat.
Einen Teil der Gomringer'schen Kunst wiederum verwandelte Klang-Geräusch-Wort-Performerin Ruth Geiersberger gemeinsam mit Ardhi Engl und Geoff Goodmann in ein unwiderstehliches Laut-Poem. Zwischen den Worten zirpt, gurgelt und schmatzt sie, dass es eine Freude ist. Ein Vorgeschmack auf die Häppchen, die natürlich nicht fehlen dürfen unter dieser Überschrift.