Kunstakademie:"In München sitzt man alles aus. Auch den Feminismus"

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Frauen haben es im Kunstbetrieb oft schwerer, deshalb soll unter dem Titel "Feminist Invasion" über Gleichberechtigung gesprochen werden

Interview von Sabine Buchwald

Während sich männliche Kollegen ihren Arbeiten widmen konnten, mussten sich Frauen ihren Platz erkämpfen. Erst seit 1919 sind sie an deutschen Kunsthochschulen zugelassen. An der Münchner Kunstakademie wurde die erste Professorin Anfang 1990 berufen. Eine "Feminist Invasion"? Unter diesem Titel wird am Mittwoch, 19 Uhr, in der Akademie eine Reihe fortgesetzt, die feministisches Engagement beleuchtet. Den Anfang machen die Münchner Künstlerin Stefanie Zoche, 54, und Sophie Süßmilch, 35. Zoche habe die Auseinandersetzung für Frauenrechte geprägt, wie sie sagt. Süßmilch war 2009 bei der Besetzung der Akademie dabei.

SZ: Derzeit sind an der Münchner Akademie 13,5 Professorenstellen von Frauen und 18,5 von Männern besetzt. Wie geht es Ihnen als Künstlerin?

Sophie Süßmilch: Sammler sind bereit für Kunst von Männern mehr zu zahlen, das ist auf jeden Fall spürbar.

Stefanie Zoche: Ich kann das mit Zahlen des Deutschen Kulturrats unterfüttern: 2016 betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen einer Malerin in Deutschland 10 380 Euro, eines Malers 15 045 Euro. Also fast 50 Prozent mehr. Ich habe Mitte der Achtzigerjahre in London studiert, da waren die Professuren schon paritätisch besetzt.

Ist die Akademie also ein Ort mit alten Machtstrukturen?

Süßmilch: Natürlich, in München sitzt man alles aus. Auch den Feminismus. Hier verändert sich alles sehr viel langsamer.

Zoche: Es fehlt auch unter den Studierenden das Bewusstsein dafür. Die geschichtliche Dimension der Frauenrechte wird nur selten thematisiert, das müsste schon in den Schulen unterrichtet werden. Auch an der Akademie kommen Gender Studies oder Cultural Studies zu kurz.

Süßmilch: Man sollte sich auch viel mehr Gedanken über Diversität machen und die ganze Riege der alten Herren müsste weg.

Das ist ziemlich radikal.

Süßmilch: Niemand sagt: Wir finden Frauen schlecht. Aber man wächst in einer rassistischen und sexistischen Gesellschaft auf. Man schreibt Männern und Frauen bestimmte Eigenschaften zu. Das hat Auswirkungen auf das Selbst- und Fremdbild. Männer haben es immer noch leichter als Frauen, ich habe es als weiße Frau leichter als eine Person of Colour und so setzt sich das fort.

Zoche: Wir sind hier in Süddeutschland mindestens eine Generation hinter her. Ich finde es frappierend, dass ich vor 25 Jahren zu diesem Thema schon vor dem Mikrofon stand. Es würden doch alle doch alle von Gleichberechtigung profitieren.

Sie waren 1994 beim Josephine-Beuys-Forum dabei.

Zoche: Damals war eine Aufbruchstimmung in München. Die Soziologin Marta Reichenberger hatte eine Studie über die Arbeitsbedingungen von Frauen gemacht, die uns aufgerüttelt hat. Zum Thema "Eine Professorin ist nicht genug" veranstalteten wir damals eine Podiumsdiskussion im Kunstverein. Immerhin haben wir dieses Ziel erreicht.

In Deutschland heißt es immer noch: nur Qualität zählt.

Süßmilch: Das ist eine blöde Ausrede.

Zoche: Es ist ein strukturelle Problem, das hat nichts mit Qualität zu tun.

Wie könnte man vorankommen?

Süßmilch: Mehr Druck ausüben und den Studierenden Mitspracherecht an den Münchner Universitäten einräumen, wie in anderen Bundesländern. Selbstorganisation funktioniert leider nicht immer. Wir hatten 2009 nach dem Vorbild der Wiener Studierenden an der Akademie einen Raum besetzt und ihn als "Salon" für Besprechungen und Aktionen genutzt. Es gibt ihn nicht mehr.

© SZ vom 04.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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