Kunst:Zurück zur Natur

Ausstellung WELLENLICHT Staffelsee

"Binsen am frühen Morgen" in der Ausstellung "Wellenlicht" auf der Halbinsel Burg am Staffelsee.

(Foto: Christian Kolb)

Die Galerie des Fotografen Christian Kolb in Murnau ist derzeit geschlossen. Ein Glück, dass er sich schon seit März neue Räume erschlossen hat. Seine Open-Air-Schau am Staffelsee ist wohl die derzeit einzige geöffnete Ausstellung

Von Sabine Reithmaier

Die Inszenierung ist fabelhaft geglückt. Christian Kolb hat die Spitze der Halbinsel Burg am Staffelsee genutzt, um seine Fotokunst auszustellen. Dort, wo sonst die Campingplatzgäste zum Schwimmen gehen, schaukeln seine wie abstrakte Gemälde wirkenden Aufnahmen direkt über dem Wasser, zum Leben erweckt durch das unentwegt wechselnde Spiel von Licht und Wellen. Schon klar, warum der Murnauer Fotograf seiner Freiluft-Ausstellung den Titel "Wellenlicht" gab.

Seine Schau sei derzeit vermutlich die einzige geöffnete Ausstellung in ganz Deutschland, sagt Kolb. "Da könnte man strahlen, wenn der Grund nicht ein ernster wäre." Er ist ein exakter Beobachter und ein leidenschaftlicher Chronist des Blauen Lands. Von seiner ganz speziellen Liebe zum Staffelsee, zu dessen Schilf und Binsen erzählt die Ausstellung. Beruflich ist der Fotograf eher ein Spezialist für die malerischen Seiten Bayerns, was keinem entgeht, der einmal an seiner Galerie "Kistenblick" im Murnauer Untermarkt vorbeispaziert ist. "Schiache Bilder" ließen sich nicht verkaufen, wehrt er die Frage ab, ob ihm Bayern nicht manchmal zu schön, zu perfekt gerate.

Die Frage ist unfair, denn zum einen kann er ja nichts dafür, dass die Gegend, in der lebt, so viele schöne Ecken hat. Zum anderen gibt es genügend Fotos von ihm, die einen anderen, kritischeren Blick auf das Land dokumentieren. Aber die hat er nicht im Schaufenster oder, an schönen Tagen, vor dem Laden aufgestellt. Kolb ist ein Meister darin, den richtigen Moment abzupassen, die Sekunde, in der alles, aber auch wirklich alles passt und er sein Motiv so erwischt, wie er es sich vorstellt. Das kann dauern, zwei Jahre zum Beispiel für den "Federflaum", die stark vergrößerte Aufnahme einer zwei Zentimeter langen, sich im Wasser spiegelnden Feder. Es dauerte, bis er herausfand, wie er den über den See gleitenden Winzling fotografisch erwischen konnte - "das hat im ersten Jahr überhaupt nicht funktioniert". Im zweiten Jahr stand er bei Windstille stundenlang im Wasser und wartete, bis die winzigen Federn, bewegt von einem Lufthauch, an ihm vorbeihuschten. Und jetzt hängt der Flaum, gegen die untergehende Sonne fotografiert und stark vergrößert, an einem Ast im See.

Ursprünglich hatte er die Staffelseeaufnahmen gleich nach Weihnachten in seiner Galerie aufgehängt. "Irgendwie hat das nicht gepasst", sagt er. Als er im Januar mit seinem Kanu auf dem See unterwegs war, beschloss er, die Bilder an den Ort ihres Entstehens zurückzubringen. Die Betreiber des Campingplatzes hatten nichts dagegen, jedenfalls bis Christi Himmelfahrt (21. Mai), denn von da an ist - jedenfalls in normalen Jahren - das Areal ziemlich voll. Jetzt ist der Campingplatz gesperrt, niemand weiß, wann er heuer eröffnen kann. Gut für die Ausstellung.

Ende Februar begann Kolb, sich mit der Hängung zu befassen. Nicht ganz so einfach, wenn Baumäste Wände ersetzen. Die ersten Bilder knallte ihm der Föhn einige Male um die Ohren, andere machten sich selbständig. Den "Farbenrausch" entdeckte ein Fischer zwei Tage nach seinem Abgang in der Murnauer Bucht, fast unversehrt. Die Leinwand, auf die Kolb seine großen Formate gezogen hat, hält zum Glück vieles aus. Anders als geplant und ursprünglich auch gehängt, touchieren die Bilder das Seewasser nicht mehr. Der Wasserspiegel sei in den letzten Wochen um 30 Zentimeter gesunken, sagt Kolb. An der Wirkung hat das nichts verändert.

Seit acht Wochen ist er täglich am See anzutreffen, die Galerie ist geschlossen. Wirtschaftlich ist das für den Fotografen schlimm, aber Kolb, gerade 60 Jahre alt geworden, bringt das nicht aus der Ruhe. "Eigentlich ist es mein schönster Frühling", sagt er. "Täglich die Stille am See zu hören - einfach Wahnsinn." Das stimmt. Vermutlich kann man ihr noch eine ganze Weile lauschen und sich in den so unglaublich lebendigen Bildern verlieren. Denn für die meisten ist derzeit nur ein Spaziergang auf der Homepage (kistenblick-murnau.de) möglich. Wanderer und Radler haben die Kunst allein für sich allein.

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