Kunstwochenende:Was guckst du?

Installation "Oskar. Eine Camouflage" von Olaf Nicolai

Aus der Vogelperspektive besonders interessant: "Oskar. Eine Camouflage" von Olaf Nicolai am Max-Mannheimer-Platz beim NS-Dokumentationszentrum München.

(Foto: Edward Beierle/Axel Gundermann; VG Bild-Kunst, Bonn 2021/Courtesy Olaf Nicolai und Galerie Eigen+Art, Leipzig/Berlin)

Bei Various Others verbünden sich Museen mit Galerien und anderen Institutionen und laden zu zahlreichen Ausstellungen und Events ein. Dabei feiert die Münchner Kunstszene nicht nur den Herbstauftakt - sondern auch sich selbst.

Von Evelyn Vogel, München

Was war das für ein Aufatmen in der Münchner Kunstszene am Wochenende. Trotz Pandemiebedingungen hatte es Various Others unter dem Motto "be my guest" geschafft, ein voll gepacktes Programm auf die Beine zu stellen und eine Reihe von Künstlern und Galerien aus dem In- und Ausland nach München zu locken. Aus der lokalen Szene war zum Auftakt fast alles versammelt, was sich für Kunst interessiert, noch bevor es mit den Ausstellungen so richtig los ging. Die einen eilten durch einen heftigen Gewitterschauer zu einer Preisverleihung ins Lenbachhaus mit anschließendem Fest im Garten. Die anderen saßen derweil gebannt bei einer der Performances im Haus der Kunst, einem Schubert-Abend in der Villa Stuck oder beim Kunstverein im Hofgarten. Und alle feierten natürlich die Kunst und sich selbst beim großen Various-Others-Dinner am Samstagabend mit musikalischer Lesung von Alexander Kluge & Sir Henry.

Wovon man sich deutlich mehr versprochen hatte, war die Anziehungskraft auf - wenn schon nicht internationale, dann zumindest nationale - Museumsleute, Kuratoren und Sammler. Denn das ist ja die selbstgestellte Hauptaufgabe des Vereins, der hinter Various Others steht: die Münchner Kunstszene international attraktiver zu machen. Dabei verfügte man in diesem Jahr über deutlich höhere finanzielle Mittel, die unter anderem aus dem Topf "Neustart Kultur" geflossen waren. Diese bemühte man sich durchaus nachhaltig in Infrastruktur und digitale Angebote wie Podcasts, Videos und Stories zu stecken, wie Johannes Sperling, Galerist und Vorstandsmitglied des Vereins zur Förderung der Außenwahrnehmung Münchens als Kunststandort, kurz VFAM, betonte. Dass neben ihm und Tim Geissler (beide Galeristen) sowie Sarah Haugeneder (Espace-Space) nun auch Patrizia Dander vom Museum Brandhorst und Andrea Lissoni vom Haus der Kunst im Team sind, darf als gutes Zeichen gewertet werden. Die Museen Münchens, von denen manche Anfang an Teil von Various Others waren, scheuen weniger denn je den öffentlichen Schulterschluss mit den Galeristen und damit dem Kunstmarkt, der jahrelang oft als Paralleluniversum behandelt wurde.

Kunstwochenende: Eine von zahlreichen Lady Liberties im München Monopoly von P.A.D. bei Christine Mayer: "Our Lady in Vienna" von Adam Marnie.

Eine von zahlreichen Lady Liberties im München Monopoly von P.A.D. bei Christine Mayer: "Our Lady in Vienna" von Adam Marnie.

(Foto: Evelyn Vogel)

Und so konnte Various Others auch bei den Ausstellungspartnern einen musealen Neuzugang willkommen heißen: das NS-Dokumentationszentrum. Dieses machte in diesem Jahr den Anfang mit der Eröffnung der ortsspezifischen Bodenskulptur "Oskar. Eine Camouflage" von Olaf Nicolai, die sich großflächig über dem Max-Mannheimer-Platz ausbreitet. Nicolai bezieht sich damit auf einen von den Nazis bei dem von ihnen verpönten Bauhauskünstler Oskar Schlemmer in Auftrag gegebenen Tarnanstrich am Stuttgarter Gaskessel. Dass er das Tarnmotiv nun an den Ort versetzt, an dem bis 1945 die Parteizentrale der NSDAP stand, soll Passanten und Besucher des Museums anregen, über das Verhältnis von künstlerischer Formensprache zu Politik und Ideologie nachzudenken. Übrigens: Vom 21. September, 12 Uhr, bis 22. September, 12 Uhr, wird das 24-Stunden-Film-Projekt "Marx" von Olaf Nicolai in 16 Institutionen zeitgleich in verschiedenen Zeitzonen rund um den Globus gezeigt. In München wird der Film im Haus der Kunst zu sehen sein.

Dort gab es an diesem Wochenende nicht nur besondere Kuratorenführungen für das Various-Others-Publikum. Auch die Finissage von Cyrill Lachauer im ehemaligen Luftschutzbunker mit anschließendem Sundowner auf der Terrasse sowie die Performance-Reihe "Atmospherics" im Rahmen des Bayerisch-Litauischen Kulturjahres an drei hintereinander folgenden Abenden lockten zahlreiche Gäste an: die stärkste war eindeutig die erste von Lina Lapelytė, deren Opern-Performance "Sun & See" bei der 58. Biennale in Venedig den Goldenen Löwen gewonnen hatte, und die hier eine dreiteilige musikalisch-tänzerische, teils auch sprachbetonte Performance zeigte.

Kunstwochenende: Kristina Schmidt: "Spinning Vinyls" in der Ausstellung "Stay Cool" bei Christine Mayer.

Kristina Schmidt: "Spinning Vinyls" in der Ausstellung "Stay Cool" bei Christine Mayer.

(Foto: Galerie Christine Mayer)

Von den zahlreichen Galerieausstellungen - auf etliche werden wir an anderer Stelle noch eingehen - überzeugte unter anderem das spielerische, aber durchaus mit ernstem Hintergrund versehene "München Monopoly", das das P.A.D. vor der Galerie von Christine Mayer im Lehel inszenierte. Die von New Yorker Künstlern in recht unterschiedlicher Weise gestalteten Freiheitsstatuen, die in Pop-Up-Ausstellungen angeboten werden, sollen auch an die ökonomischen Missstände erinnern, denen Künstler in Städten mit sündteuren Mieten unterliegen. Leider war das nur ein mehrtägiger performativer Akt. Doch die Ausstellung "Stay Cool" von Kristina Schmidt, in denen die 1982 geborene, in München und New York lebende Künstlerin, die halbe zeitgenössische Kunstgeschichte und die der Moderne dekonstruiert, ist noch bis 16. Oktober bei Christine Mayer zu sehen.

Alles zum Programm bis 10. Oktober und den zahlreichen weiteren Galerieausstellungen unter www.variousothers.com

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