Süddeutsche Zeitung

Kunst und Utopie:Hochfliegende Pläne

Der Kunstverein Ebersberg bespielt beim Arkadien-Festival die ganze Stadt

Von Anja Blum, Ebersberg

"Es geht um nichts weniger als um die Frage, wie wir zukünftig leben wollen." Der Anspruch ist hoch, das Ziel ein hehres, beim "Arkadien"-Festival in Ebersberg. In Zeiten des Wandels hätten die Künste einen bedeutenden Auftrag, schreibt Initiator Peter Kees im Vorwort zum Programm. Arkadien als Traum von einer besseren Welt soll als Plattform für die Bewältigung realer, aktueller Probleme dienen.

Trotz Corona, oder gerade deswegen, startet der Ebersberger Kunstverein also an diesem Freitag, 7. Mai, in die zweite Ausgabe seines Arkadien-Festivals. Die Pandemie und ihre Verwerfungen werden auch formal Auswirkungen auf das Geschehen haben: Statt auf eine klassische Ausstellung samt Rahmenprogramm, wie es bei der erfolgreichen Premiere 2019 der Fall war, setzen die Macher diesmal auf Eingriffe im öffentlichen Raum. Die ganze Stadt wird bespielt, vom altehrwürdigen Klosterbauhof über den schönen Marktplatz bis hin zu Klostersee und Waldrand. Feste Termine gibt es kaum, doch wer in Ebersberg unterwegs ist in diesen Wochen, wird an Arkadien nur schwer vorbeikommen.

25 Positionen - temporäre Kunstinterventionen sowie interaktive oder partizipative Projekte - werden im urbanen wie ländlichen Kontext bis 18. Juli gezeigt. Unter den von einer Jury ausgewählten Künstlern und Künstlerinnen sind Roman Signer, Rudolf Herz, Gabi Blum, Andy Webster and Derek Tyman aus London oder Mads Lynnerup aus Kopenhagen. Wer einen Blick auf das Programm wirft, findet Provokantes wie Poetisches, Klares wie Kryptisches, Humorvolles neben Kritischem - und ganz oft verschwimmen diese Zuschreibungen auch.

Los geht's am Nachmittag des 7. Mai mit einem Bannerflug: Katrin Schmidbauer aus Berlin lässt den Schriftzug "et in arcadia ego" ("Auch ich bin/war in Arkadien") durch den Himmel über Ebersberg gleiten. Dieser in der Kunstgeschichte viel zitierte lateinische Ausdruck kombiniert die Sehnsucht nach Vollkommenheit mit einem Memento mori. Um die Ziele, Ideale, Ängste und Wünsche geht es auch bei der Mitmach-Online-Aktion "Paradise Here": Elisabeth Ajtay aus New York City will ein "Panorama von Befindlichkeiten" erstellen und aufzeigen, was noch getan werden muss auf dem Weg zum Paradies im Hier und Jetzt (www.paradisehere.net). Einer der wichtigsten Akteure ist der "Verein zur Verzögerung der Zeit" - kein Witz. Seine Mitglieder "verpflichten sich zum Innehalten, zur Aufforderung zum Nachdenken dort, wo blinder Aktivismus und partikulares Interesse Scheinlösungen produzieren". In Ebersberg will man eine Straße in "Müßiggang" umbenennen, einen "entschleunigten Parkplatz" und einen "Altzeitcontainer" installieren sowie "Zeitverweise" verteilen. Ein Höhepunkt wird der 14. Juni sein, da reist das "Klo-Häuschen" aus München mitsamt seinen Arbeiten von etwa 60 Künstlerinnen und Künstlern nach Arkadien.

Um Austausch und Impulse geht es am Abschlusswochenende im Meta Theater: Zuerst gibt es einen "philosophischen Blick auf die Gegenwart", denn eine Diskussionsrunde "Vom Fluch und Segen der digitalen Welten" und zu guter Letzt ein Podiumsgespräch der Jury, die auch den Kunstpreis der Stadt Ebersberg vergibt. Die Auswahl dürfte ihr aber nicht leicht fallen, so viel ist jetzt schon klar.

Arkadien-Festival, Ebersberg von 7. Mai bis 18. Juli, Info unter www.kunstvereinebersberg.de

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Quelle:
SZ vom 07.05.2021
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