Pin-Auktion:Ein letzter Champagnerabend

Pin-Auktion: Begehrenswert: Zwei Interessentinnen betrachten das Werk "Calligraphic Birds" des südafrikanischen Künstlers William Kentridge. Es erlöste 290 000 Euro.

Begehrenswert: Zwei Interessentinnen betrachten das Werk "Calligraphic Birds" des südafrikanischen Künstlers William Kentridge. Es erlöste 290 000 Euro.

(Foto: Robert Haas)

Kunst von Damien Hirst und Turnerpreisträger Jeremy Deller unter dem Hammer: Bei der Benefizversteigerung in der Pinakothek der Moderne werden Rekordpreise erzielt.

Von Christian Mayer

Robert Ketterer hat eine besondere Gabe, er kann bei Bedarf sein Gesicht einfrieren. Man hat dann fast das Gefühl, dass die Übertragung wegen eines technischen Problems eben mal unterbrochen ist. Zehn, fünfzehn Senden lang verharrt der Chef des Münchner Auktionshauses in der exakt gleichen Position, die Mundwinkel etwas nach oben gezogen, was die 200 Gäste in der Pinakothek der Moderne auch auf der Großleinwand sehen können.

Wenn nach dieser bewussten Verzögerung wieder einer die Hand hebt und ein Gebot abgibt, kommt erneut Leben in Ketterers Mimik, mit einem zufriedenen Lächeln treibt der Auktionator die Preise Stück für Stück nach oben. Zum Beispiel für das Kunstwerk "Bootleg Pharao" des texanischen Künstlers Jeff Elrod, das an diesem Abend den Galeriepreis um das Dreifache übertrifft und am Ende 310 000 Euro einbringt. "Aber der Elrod ist das ja absolut wert", raunt ein eleganter Herr am Tisch, offenbar ein Kenner.

Immer wieder gibt es Szenenapplaus für besonders großzügige Bieter und natürlich auch, als die Pin-Vorsitzende Dorothée Wahl das Rekordergebnis bei der Live-Auktion verkündet: 2,8 Millionen Euro, nach Abschluss der Online-Only-Auktion am Sonntag stehen sogar 3,4 Millionen Euro zu Buche.

Die Münchner Kunstfreunde feiern sich selbst, zwar in etwas kleinerem Rahmen und ohne Tanz, aber gewohnt stilvoll. Wann, wenn nicht an diesem Abend, kann man endlich mal die schönsten Stücke aus dem Kleiderschrank holen und der pandemischen Tristesse auf so glanzvolle Weise entkommen?

Pin-Auktion: Gute Stimmung im Saal, auch musikalisch.

Gute Stimmung im Saal, auch musikalisch.

(Foto: Robert Haas)

"Kunst küsst wach" heißt in diesem Jahr das Motto der großen Pin-Party, eine Benefizveranstaltung, deren Erlös dem Ankauf-Etat der Pinakothek der Moderne zugute kommt: Die Münchner Kunstfreunde im Saal und am Telefon, mittlerweile aber auch ein per Video zugeschalteter Freundeskreis in Kitzbühel und Internet-Bieter aus der ganzen Welt kaufen Werke bekannter Künstler, und mit dem Erlös kann die Pinakothek der Moderne dann wiederum neue Kunst für die Sammlungen im Haus erwerben.

Das mit den Küssen darf man in diesem Corona-Herbst allerdings nicht zu wörtlich nehmen, man wirft sich die Bussis lieber mit gebührendem Abstand zu. Denn es gelten strenge 2G-Kontrollen und Maskenpflicht beim Smalltalk in der Rotunde, beim Galadinner an den Tischen geht es dann lockerer zu.

Wozu sicher auch der Champagner beiträgt, der an diesem Abend reichlich fließt und die Stimmung hebt - wer weiß, wann man in diesen Zeiten das nächste Mal feiern kann. "Wir sind wirklich heilfroh, dass wir diese Veranstaltung noch über die Bühne bringen können", sagt Dorothée Wahl sichtlich erleichtert.

Pin-Auktion: Kunstfreunde: Ingvild Goetz (links), Dorothée Wahl (Pin-Vorstand) und der Sammler Udo Brandhorst.

Kunstfreunde: Ingvild Goetz (links), Dorothée Wahl (Pin-Vorstand) und der Sammler Udo Brandhorst.

(Foto: Robert Haas)

Vielleicht trägt ja gerade diese pandemische Torschlusspanik zum Erfolg des Abends bei: Man lässt sich halt den Damien Hirst noch mal richtig was kosten (55 000 Euro lautet das Ergebnis), selbst wenn der laminierte Druck in einer inflationären Auflage von 760 erschienen ist - aber die Blütenträume des Künstlers machen auch einfach gute Laune.

Andere Unikate schießen wie Raketen in die Höhe: die "Calligraphic Birds" des südafrikanischen Künstlers William Kentridge (290 000 Euro), Ed Ruscha mit seinem ganz aktuellen Werk "Rusty Region" (190 000 Euro) oder der neolithische Smiley des englischen Turnerpreisträgers Jeremy Deller, der das Dreizehnfache des Galeriepreises erzielt.

Angesichts dieser rasanten Entwicklung versteht man, warum Galerien inzwischen sehr daran interessiert sind, auch jüngere, noch nicht ganz so bekannte Künstlerinnen und Künstler bei der Pin-Auktion zu platzieren - so viel Aufmerksamkeit hat man selten.

Pin-Auktion: Teamarbeit: Katharina von Perfall vom Pin-Verein mit Auktionator Robert Ketterer.

Teamarbeit: Katharina von Perfall vom Pin-Verein mit Auktionator Robert Ketterer.

(Foto: Robert Haas)

Robert Ketterer hat mit seinem Gesichtstheater bei einigen Objekten jedenfalls das Maximum herausgeholt, auch an Emotionen: "Kunstfreunde wollen ja immer auch überrascht werden, ich glaube, das ist uns gelungen."

Münchner Sammler im Rausch, das kann man wörtlich verstehen an diesem Samstagabend. "Ich bin stolz, dass die Münchner ihre Museen so großzügig unterstützen", sagt die Vorsitzende des Kuratoriums der Pinakothek der Moderne Ingvild Goetz.

Ein so leidenschaftliches Mäzenatentum gebe es sonst höchstens noch in einer Weltstadt wie New York - solche Komplimente hören die Förderer aus der Bussimetropole natürlich gerne.

Goetz will die Kunst raus aus der elitären Nische holen und das Museum für alle attraktiv machen: "Mit 16 schaut man anders auf Kunstwerke als mit 60." Und genau diese Zielgruppe der Jungen müssten die Museen heute abholen, also die Kunstfreunde und Förderer von morgen.

"Kunst küsst wach": Das Motto der Party trägt dann noch bis Mitternacht, zum späten Dessert gibt es für jeden ein kulinarisches Lippenbekenntnis, einen Kussmund zum Aufessen. Falls die Freunde der Kunst immer noch nicht genug haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: