Ausstellungen:Zwei Welten und eigene Ansichten

Ausstellungen: Rätselhafte Gestalten prägen die Arbeiten von Youjin Yi, zu sehen in der Galerie Britta Rettberg.

Rätselhafte Gestalten prägen die Arbeiten von Youjin Yi, zu sehen in der Galerie Britta Rettberg.

(Foto: Courtesy: Youjin Yi)

In Münchner Galerien kommt es derzeit zu einem schönen Zusammentreffen von Künstlerinnen aus Südkorea.

Von Evelyn Vogel

Es muss nicht immer China sein. Natürlich richten sich im Moment wegen der Olympischen Spiele alle Augen auf Peking, wenn man von Asien spricht. Aber in Münchner Galerien kommt es derzeit zu einem schönen Zusammentreffen von Künstlerinnen aus Südkorea, die so unterschiedlich wie interessant sind. Im Gärtnerplatzviertel widmet Jahn und Jahn eine seiner Galerien ganz und gar den Keramikarbeiten von Young-Jae Lee (die andere Jahn-Galerie zeigt Bilder der Münchnerin Hedwig Eberle). Und bei Britta Rettberg in der Maxvorstadt ist unter dem Titel "Figments" die Malerei von Youjin Yi zu sehen.

Die 1980 im südkoreanischen Gangneung geborene, in München lebende Malerin Youjin Yi studierte Anfang der Nullerjahre in Seoul, dann in München und Berlin, und machte 2011 bei Günther Förg an der hiesigen Kunstakademie ihr Diplom. Ihre Arbeiten bevölkern seltsam anmutende Tier-Mensch-Wesen, die aus einer Fabelwelt zu stammen scheinen. Die Motive fordern heraus, wollen entschlüsselt werden und verbleiben doch oft im Reich der Phantasie. Mitunter scheinen sie Vexierbilder zu sein, denn je nachdem, auf welches Bildelement sich das Auge fokussiert, nimmt man das Dargestellte anders wahr.

Ausstellungen: Die scheinbar haarige Gesichtsumrahmung sind zwei Vögel, die miteinander schnäbeln. Aus der Ausstellung "Figments" von Youjin Yi in der Galerie Britta Rettberg.

Die scheinbar haarige Gesichtsumrahmung sind zwei Vögel, die miteinander schnäbeln. Aus der Ausstellung "Figments" von Youjin Yi in der Galerie Britta Rettberg.

(Foto: Courtesy: Youjin Yi)

Was auf den ersten Blick wie ein Gesicht wirkt, das von einer dunklen Mädchenfrisur eingerahmt wird, entpuppt sich als ein verschlungenes Menschengeflecht, das von zwei schnäbelnden schwarzen Vögeln eingerahmt wird. In einer scheinbar kopfüber stehenden Wolfsmaske erkennt man plötzlich einen aufrecht stehenden, blau-grün gewandeten Reiter vor einer Waldlandschaft, der auf einem recht bissig wirkenden Hund zu sitzen scheint - oder ist es umgekehrt?

Noch spannender aber ist die Technik, die Youjin Yi in ihren Arbeiten verwendet. Die malerischen Zeichnungen (oder sind es zeichnerische Gemälde?) verbinden Linien und Flächen; Acryl, Öl, Ölpastell und Graphit treffen auf freien Untergrund. Was als Grenze erscheint, öffnet den Blick ins Weite, was Ferne suggeriert, rückt den Erlebnisraum nah heran. Youjin Yi malt und zeichnet teils direkt auf Leinwand, viel öfter aber auf Papier, das sie auf dem Boden liegend bearbeitet. Dieses in mehreren Schichten gearbeitete, traditionelle koreanische Papier klebt sie dann auf Holz oder Leinwand. Durch die Haptik und die Distanz zu der Fläche ihr zu Füßen erlebt sie den Prozess des Malens als "freier und offener", wie sie sagt. Entsprechend variieren auch die Formate, sind mitunter auch sehr groß, wenn sie die ganze Breite des Papierbogens nutzt. In Technik wie Materialität führt sie Erfahrungshorizonte aus dem Westen wie aus dem Osten, aus Deutschland wie aus Südkorea zusammen. Das führt zu einer sehr eigenen Rätselhaftigkeit, die die Betrachter in den Bann zieht.

Youjin Yi: Figments, Galerie Britta Rettberg, Gabelsbergerstr. 51, bis 5. März

Ausstellungen: Skulpturale Anmutung: Die Spindelvasen von Young-Jae Lee in der Galerie von Jahn und Jahn.

Skulpturale Anmutung: Die Spindelvasen von Young-Jae Lee in der Galerie von Jahn und Jahn.

(Foto: Courtesy: Young-Jae Lee und Jahn und Jahn, München)

Diese beiden Erfahrungshorizonte treffen auch in den Arbeiten von Young-Jae Lee aufeinander. Die 1951 in Seoul geborene, international renommierte Keramikerin leitet seit 1986 die Keramischen Werkstatt Margaretenhöhe in Essen. Ihre Entwürfe, die koreanische Traditionen mit funktionalen Formen des Bauhauses verbinden, haben längst musealen Status erreicht. Früh schon hat der Galerist Fred Jahn das skulpturale Potenzial der Arbeiten von Young-Jae Lee erkannt und sie seit den Achtzigerjahren immer wieder ausgestellt.

Derzeit sind unter dem etwas provokanten Titel "Spindelvasen und Spinatschalen" bei Jahn und Jahn Objekte zu sehen, die durch ihre perfekt schlichte Formgebung (der Fluss der Verbreiterung und der Verjüngung bei der Herstellung der Spindelvasen duldet nicht den kleinsten Fehler) beeindrucken. Anders die Schalen, die durchaus an Gebrauchskeramik erinnern, sich dann aber doch durch die Glasur und den auffälligen Fußring abheben. Überhaupt tragen die Glasuren eine ganz eigene Handschrift der Keramikkünstlerin. In vielen der Formen reflektiert Young-Jae Lee traditionelle koreanische Traditionen, die bis ins buddhistisch geprägte, mittelalterliche Goryeo-Reich zurückreichen. Aber da ist eben immer auch der Schritt über die Tradition und den Kulturkreis hinaus erkennbar, gerade so, dass sich das Beste aus zwei Welten wiederfindet.

Young-Jae Lee: Spindelvasen und Spinatschalen, Galerie Jahn und Jahn, Baaderstr. 56 B, bis 12. März

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