Süddeutsche Zeitung

Kunst in München:Guckloch in kubanische Kunst

Als Masterarbeit für ihr Studium in Newcastle hat Lazara Ramos Sandoval, 27, eine Ausstellung im "Lanz 7" organisiert. Die Werke führen in die Heimat ihres Vaters und wollen die karibische Insel jenseits aller Klischees zeigen

Von Merle Körber

Ein Podest mit Kunstdrucken, an den Wänden bunte, farbenfrohe Gemälde von Nelson Ramos Sandoval, am anderen Ende eine Wand mit Fotografien von Alberto Rambaudi und Gabriel Guerra Bianchini, und in einem separaten Raum Videoinstallationen und Filme von Gesprächen mit den Künstlern. Die Ausstellung "Living Cuba", ein Guckloch hinein in kubanische Kunst, Kultur und das Lebensgefühl des Landes, hat Lazara Ramos Sandoval in den Kunstraum "Lanz 7" gebracht. Die Schau, die von diesem Freitag, 7. August, bis zum kommenden Sonntag in der Galerie an der Lanzstraße 7 zu sehen ist, ist für sie die erste Ausstellung, die sie ganz alleine organisiert.

"Früher habe ich meinen Eltern schon bei der Planung von solchen Veranstaltungen geholfen", erzählt die 27-Jährige, die im Münchner Norden lebt. Ihr Vater, einer der Künstler, stellt seine Gemälde schon seit Jahren aus. Vom Flyerverteilen bis zum Anpacken beim Aufbau hatte sie viele Aufgaben übernommen. Sich dieses Mal von der Finanzierung über die Promotion bis hin zur Risikoanalyse um alles selbst zu kümmern, war eine Herausforderung. Eine eigene Schau auf die Beine zu stellen, ist Teil ihrer Masterarbeit in "Creative and Cultural Industries Management" an der Northumbria Universität in Newcastle.

"Am spannendsten ist die Konzeption und die Arbeit mit den Künstlern", findet Lazara Ramos Sandoval. "Ich saß inmitten von Fotografien auf dem Boden, um abzuwägen, welche Bilder in der Ausstellung am besten harmonieren." Wenn man eine so große Auswahl habe, müsse man aufpassen, dass die Werke nicht untergingen. Jedes sollte für sich stehen. Sie selbst ist in beiden Kulturen, in Deutschland und in der Karibik aufgewachsen, und möchte mit der Schau nun ein authentisches Kuba zeigen: "Deswegen habe ich kubanische Künstler gewählt und keine Fotografen, die dort mal Urlaub gemacht haben." Die Künstler dort zu finden, war jedoch nicht einfach. "Aus meiner Schulzeit in Kuba habe ich noch Kontakte", sagt Lazara Ramos Sandoval. Sie musste die Künstler aber erst auf Facebook ausfindig machen und anschreiben, um zu fragen, ob sie Teil ihrer Ausstellung werden mochten. Die große Entfernung macht eine Zusammenarbeit nicht leichter. "Außerdem sind es Künstler - da muss man eben manchmal dreimal nachfragen, bis sich etwas tut", sagt sie schmunzelnd.

Für Lazara Ramos Sandoval zeigt die Ausstellung ein Stück Heimat. Kuba fehlt ihr sehr. "Es ist schwer zu erklären, was dieses Land hat", schwärmt sie. "Es ist auf eine Art in der Zeit stehen geblieben, entschleunigt. Dinge müssen nicht so schnell geschehen wie in Deutschland." Viele der Werke zeigen Alltagssituationen der Insel, ohne dabei Klischees zu bedienen. Im Hintergrund läuft in der Galerie eine Geräuschkulisse, die in Kuba aufgenommen wurde. Die Corona-Pandemie ließ sie lange im Ungewissen über die Zukunft ihres Projekts. "Ich wusste nicht, ob alles wie geplant stattfinden kann", erzählt sie. "Das größte Problem war, einen passenden Raum zu finden." Viele Veranstaltungsorte holen nun erst einmal das Programm nach, das während des Corona-Lockdowns ausfallen musste. Für neue Veranstaltungen bleibt oft kein Platz. "Das Lanz 7 war dann ein echter Glücksgriff", sagt sie. Weil ihre Ausstellung nur über ein Wochenende läuft, kann sie dort trotz des Termin-Rückstaus stattfinden.

Besonders stolz ist Ramos Sandoval auf das Konzept hinter der Ausstellung. Die Idee dazu kam ihr durch ihren Vater: "Ich sehe bei ihm, wie viel hinter seinen Werken steckt." Viele Menschen trauten sich aber nicht, Künstler anzusprechen und nach der Bedeutung der Bilder zu fragen. "Ich wollte die Besucher einbinden und aktiv teilnehmen lassen", erzählt sie. Ursprünglich hatte sie geplant, Tafeln aufzustellen, auf denen die Besucher ihre Meinung äußern können und so zu einem Teil der Ausstellung werden. Die corona-sichere Alternative ist nun, mit dem Handy QR-Codes zu scannen. Fragen zum Kunstwerk regen zum Reflektieren an, im Anschluss lesen die Besucher jeweils Statements des Künstlers zum Werk. Dass manche der ausgestellten Bilder einer Erklärung bedürfen, liegt auch an den unterschiedlichen Kulturen: "Ein Deutscher denkt nicht wie ein Kubaner." Durch den interaktiven Charakter werde jeder mitgenommen - ganz egal, ob Kunstkenner oder nicht.

"Ich mag steife Ausstellungen nicht, in die sich die Menschen kaum herein trauen", erzählt sie. Ihre Schau soll jeden mit offenen Armen begrüßen, egal ob man den Besuch geplant hat oder einfach zufällig am Lanz vorbeispaziert und einen kurzen Blick hineinwirft. "Diese Offenheit ist auch etwas sehr Kubanisches", ergänzt sie. Auch die vielen Stunden Arbeit, die in das Projekt geflossen sind, können Lazara Ramos Sandoval nicht vor der Planung weiterer Veranstaltungen abschrecken. Sie hat sogar bereits Ideen: "Es gibt in München wenige Konzerte von lateinamerikanischen und kubanischen Musikern. Im Sommer mal ein solches Festival zu organisieren, wäre toll."

"Living Cuba" wird an diesem Freitag, 7. August, um 13 Uhr an der Lanzstraße 7 eröffnet. Am Samstag, 8., und Sonntag, 9. August, ist von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Wer beim Einlass Zeit sparen will, kann sich vorab online ein Ticket sichern. Das Kontaktformular gibt es auf der Website www.livingcuba.wixsite.com/event.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2020
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