Kunst im Netz:Kuriosa und Corona

SZ Extra Comic Spezial ET 18.6.

Plötzlich Ziggy Stardust: Reinhard Kleists Beitrag für die Web-Serie "Zeich(n)en aus dem Homeoffice".

(Foto: Reinhard Kleist)

Im Internet setzen sich zahlreiche Comiczeichner mit den Absurditäten des Pandemie-Alltags auseinander.

Von Jürgen Moises

Drei Wochen lang alleine im Zimmer mit David Bowie? Das kann einem schon zu Kopf steigen, wie man am Beispiel des Berliner Comic-Künstlers Reinhard Kleist sieht. Der glaubte irgendwann, er wäre Ziggy Stardust: Bowies Bühnen-Alter-Ego aus seiner Glamrock-Phase in den 70ern. Zumindest stellt der mit Büchern über Johnny Cash oder Nick Cave bekannt gewordene Zeichner es so dar, in seinem Comic, den er für die Web-Serie "Zeich(n)en aus dem Homeoffice" geschaffen hat. Darin sieht man ihn als Alien-Rockstar Ziggy am Zeichenpult stehen und Songs wie "Life On Mars?" schmettern. Bis er sich nach ein paar Minuten Wahn, Glamour und Ekstase wieder in Reinhard Kleist verwandelt. Mit hängenden Schultern und bedröppeltem Gesicht, weil er zurück in der Realität ist.

Initiiert wurde "Zeich(n)en aus dem Homeoffice" Ende März von den Veranstaltern des in diesem Jahr leider ausgefallenen Erlanger Comicsalons. Und zwar indem sie befreundete Zeichner um "grafische Lebenszeichen zur derzeitigen Situation" baten. Um damit zu zeigen, wie die Pandemie etwa durch Absagen von Lesungen oder Workshops auch ihr Leben betrifft. Neben Reinhard Kleist haben etwa Uli Oesterle, Ralf König, Nicolas Mahler, Anna Haifisch, Katharina Greve und dann noch viele andere mitgemacht. Der Berliner Flix zeigt etwa, wie er versucht, Arbeit und Familie zu händeln, David Füleki dekliniert die Abstandsregeln mit Figuren wie Hitchhiker und Babelfisch durch. Und Isabel Kreitz beschreibt, wie ihr die plötzliche, "selbstlose Hilfsbereitschaft" oder "spontane Zutraulichkeit" der Menschen irgendwie Angst macht.

Für den Leser bietet das alles Unterhaltung und einiges Identifikationspotenzial, aber auch Distanz zum Alltag und eine reflexive Ebene, die durch das Medium Zeichnung entsteht. Wie sich damit speziell die Absurditäten des Corona-Alltags trefflich zeigen lassen, demonstriert Ralf König auch auf seiner Facebook-Seite, wo er in nahezu täglicher Abfolge seine bekannten, schwulen Serienhelden Konrad und Paul mit den Folgen der Maskenpflicht oder von Social Distancing konfrontiert. Auch der Raumschiffpilot Barry Hoden hat auf Königs Facebook-Seite Auftritte. Und dann gibt es da noch Marie Coronette, eine missmutige Aristokratin, die Sätze sagt wie: "Wenn das Volk kein Klopapier hat, soll's Servietten nehmen."

Leo Leowald, Greta von Richthofen und Katja Klengel haben sich auf ihren Instagram-Seiten ebenfalls mit Corona beschäftigt. Und Katja Klengel hat außerdem mit Adrian vom Baur mit "Stay At Home" auf Youtube einen Corona-Song veröffentlicht. Auch bei Flix und Marvin Clifford hat die Corona-Krise zum Experiment mit einem neuen Format geführt, das heißt einer Podcast-Serie, in der sie mit befreundeten Künstlern über Lieblingscomics oder das Zeichnen als Beruf plauschen. Das alles zeigt: Der Kreativität der Künstler hat Corona nicht geschadet, dafür trifft es viele finanziell relativ hart. Was man als Leser da tun kann? Am besten ihre Comics kaufen, und das Schöne: Man hat auch selber viel davon.

"Zeich(n)en aus de Homeoffice" ist unter www.comic-salon.de zu finden, der Podcast von Flix und Marvin Clifford unter artaberherzlich.podigee.io

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