Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Lebenslang ein Quell der Inspiration

Der Künstler und Akademieprofessor Horst Sauerbruch ist im Alter von 80 Jahren gestorben.

Von Evelyn Vogel, München

Natürlich hat ein Lehrer im Laufe seines Berufslebens viele Schüler. Nicht anders ist es bei Künstlern, die sich entschieden haben, ihr Können nicht nur zum Aufbau einer eigenen Karriere zu verwenden, sondern ihr Wissen und ihre Inspiration an andere weiterzugeben. Und so erleben diese Lehrer Hunderte junger Menschen, die ihren Unterricht durchlaufen. Mal nehmen diese mehr, mal weniger von den Inhalten mit, werden zu großen und bekannten oder vielleicht auch nur zu weniger bekannten Künstlern. Manche dieser Lehrer vergessen sie, kaum haben sie die Akademie verlassen - wir alle kennen das. Doch im schönsten Fall hinterlässt die Lehrerpersönlichkeit etwas, das nicht nur auf der professionellen, sondern auch auf der menschlichen Ebene unersetzlich ist: einen prägenden Eindruck. Und mitunter - und das kennen nur manche von uns - schwärmen die Schüler von ihren Lehrern noch Jahre oder Jahrzehnte später.

Zu dieser Art von Lehrer gehörte der Künstler und Akademieprofessor Horst Sauerbruch. Als er im Mai diesen Jahres, mittlerweile seit 15 Jahren im Ruhestand, seinen 80. Geburtstag feierte, erhielt er aus dem Kreis seiner ehemaligen Schülerschaft ein Geschenk, das diese Verbundenheit nicht schöner hätte deutlich machen können. Ihm, der über Jahrzehnte mit Hilfe von Postkarten Kontakt zu seinen ehemaligen Studierenden gehalten und so ein weit verzweigtes Netzwerk gepflegt hatte, schenkte "die Klasse Sauerbruch" ein vielstimmiges Gesamtkunstwerk: eine Postkartenedition, die all die unterschiedlichen künstlerischen Handschriften belegten, die seine Lehre mit ermöglicht hatte. 106 Kunstwerke im Kleinformat, die zudem die Reichweite seiner Studentenschaft von München bis New York abbildet. Viele arrivierte Künstlerinnen und Künstler sind dabei, aber auch viele Kunstlehrer und -lehrerinnen an bayerischen Gymnasien. Denn die Qualität der Lehre war dem Professor auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt wichtig.

Horst Sauerbruch, 1941 in Rom geboren, im Allgäu aufgewachsen, ist ein Sohn des Malers und Zeichners Hans Sauerbruch und ein Enkel des Mediziners Ferdinand Sauerbruch. Er studierte von 1963 bis 1967 an der Akademie der bildenden Künste in München, unter anderem bei dem wegen seiner Rolle in der NS-Zeit nicht unumstritten Hermann Kaspar. Er war Stipendiat der Deutschen Studienstiftung, Assistent an der Akademie und schließlich von 1972 bis 2005 Professor für Malerei und Kunsterziehung. Der in New York lebende Fotograf Reiner Leist war ebenso sein Schüler wie der Fotograf und derzeitige Präsident der Akademie Dieter Rehm, der Künstler und Professor Albert Hien, der Bildhauer Stephan Huber, der Maler Victor Kraus oder der Objektkünstler Thomas Huber.

Sauerbruchs eigene künstlerische Arbeiten sind farbintensive, abstrakte Malereien in Öl und Acryl, mit Lack und Stiften auf Leinwand, Pappe und hinter Glas, häufig auch auf Holz. Raumhohe Panels, in wilden assoziativen Gesten sind so entstanden. Eines davon hängt im Foyer des Klinikums Dritter Orden. Titel des großen, farbenfrohen Gemäldes: "Leben". Noch vor seinem Geburtstag im Frühjahr sollte er dorthin, um sich untersuchen zu lassen. Das verschob er, weil er mit "seiner Klasse" feiern und sich für das Geburtstagsgeschenk bedanken wollte, wie Gerhard Schebler, sein letzter Assistent an der Akademie und mittlerweile im Kultusministerium zuständig für Kunst, erzählt. Unmittelbar nach dem Fest sei er dann doch zur Untersuchung gegangen. Eine schwer feststellbare, sehr aggressive Krebsart wurde entdeckt. Umgeben von schönen Erinnerungen und einigen seiner Bilder, die er im Krankenhauszimmer aufgehängt hatte, ist Horst Sauerbruch vor wenigen Tagen gestorben. "In der Zuversicht", so seine Schüler, "dass wir das weitertragen, was er in uns geweckt und uns beigebracht hat."

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