Virtuelles Museum:Blick nach oben

corpus_barocke_deckenmalerei_BAdW

Johann Georg Bergmüller, Placidus Verhelst, Treppenhaus, 1752, Augsburg, Ehemalige Fürstbischöfliche Residenz.

(Foto: Bildarchiv Foto Marburg/CbDD/Uwe Gaasch)

Die beeindruckendsten Deckengemälde Deutschlands kann man nun auch digital bewundern und erforschen.

Von Jürgen Moises und Evelyn Vogel

So wie die allermeisten gesellschaftlichen Bereiche hat die Digitalisierung auch die Wissenschaft erfasst. Und das zuweilen in Bereichen, in denen man das nicht unbedingt vermutet. Dazu gehört die kunstwissenschaftliche Forschung über barocke Deckenfresken, von denen es nicht zuletzt in Bayern wunderbare Beispiele in Kirchen, Schlössern oder Residenzen gibt. Eines der schönsten ist sicherlich das Fresko von Giovanni Battista Tiepolo im Treppenhaus der Würzburger Residenz, die seit 40 Jahren zum Unesco-Welterbe gehört. Mit seinen rund 600 Quadratmetern ist es zugleich das weltweit größte Deckenfresko. Tiepolo hat es im Auftrag von Fürstbischof Carl Philipp von Greiffenclau geschaffen und darauf die vier Erdteile Afrika, Asien, Amerika und Europa als allegorische Figuren dargestellt.

Dass das Gemälde die Besucher zudem wie eine bildliche "Regieanweisung" durch das Treppenhaus geleitet, das kann man in einem neuen, informativen Film auf deckenmalerei.badw.de erfahren. Das ist die offizielle Website des "Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland". Einem Projekt der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, welches die Decken- und Wandmalerei der Zeit zwischen etwa 1550 und 1800 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erforscht. Der "Corpus" wurde bereits 1966 als Buch-Projekt in München gestartet und 2015 digital komplett neu aufgesetzt. Die aktuelle Laufzeit beträgt 25 Jahre und die Forschung ist auf zwei Arbeitsstellen verteilt, die an der LMU München und dem Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marburg ihren Ort haben.

Die derzeitigen Leiter und Koordinatoren des Projekts sind die Münchner Kunsthistoriker Stephan Hoppe und Matteo Burioni, die man beide auch im erwähnten Projektfilm sehen kann. Burioni berichtet von aktuellen Foto-Arbeiten in den Residenzen in Würzburg und Ellingen, während Hoppe vor allem die technischen Hintergründe und kunsthistorischen Ziele des "Corpus" erklärt. Dazu gehört unter anderem, die weltweite Forschung zu den Deckenfresken in einer offenen, interaktiven und über www.deckenmalerei.eu erreichbaren Publikationsdatenbank zusammenzuführen.

Diese Datenbank soll dabei gleichzeitig als eine Art "virtuelles Museum" funktionieren. Weshalb man bei der Dokumentation der Deckenfresken unter anderem auch auf innovative Technologien in der 3 D-Visualisierung und -Rekonstruktion setzt. Eine kleine Auswahl der aus Bayern stammenden Objekte haben wir im Folgenden zusammengestellt. Mögen sie eine Anregung dafür sein, nicht nur die Webseiten des "Corpus", sondern soweit möglich auch die originalen Deckenfresken zu erkunden. Jürgen Moises

Tugendhafter Triumphwagen im Damenstift zu Lindau

Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland, hier: Damenstift Lindau

Franz Joseph Spiegler, Tugendprogramm, 1728. Lindau, ehemaliges fürstliches Damenstift.

(Foto: CbDD/Angelika Dreyer)

Die Metapher des platonischen Seelenwagens in der augustinischen Erweiterung diente den Lindauer Stiftsdamen als Leitfaden auf ihrem Weg zur Tugend. 1736 übersetzte Franz Joseph Spiegler dieses höchst anspruchsvolle Programm in ein malerisches Deckenfresko. Die gesamte Deckenfläche ist durch drei, in der Bildgröße differierende Bildeinheiten strukturiert. Die zentrale Mitte (hier im Ausschnitt) nimmt eine figurenreiche Darstellung mit dem auffälligen Motiv eines Triumphwagens ein, dessen Fahrt auf der Mittelachse des Gewölbes längs durch den Raum von West nach Ost gezeigt wird. Im vierrädrige Triumphwagen, der in der Freskomalerei des süddeutschen Raumes relativ selten vorkommt, sitzt ein geflügelter und mit Rüstung und Helm ausgestatteter weiblicher Genius. Auffällig sind die entschlossen wirkende Wagenlenkerin im blauen Gewand sowie die goldgewandeten Figur der Sapientia, die die allerhöchste Tugend und göttliche Weisheit verkörpert. Mehr Informationen unter www.deckenmalerei.eu. Evelyn Vogel

Krönungsakt im Treppenhaus der Neuen Residenz in Passau

corpus_barocke_deckenmalerei_BAdW

Johann Georg Unruhe, Johann Baptist Modler, Treppenhaus, 1764 bis 1768, Passau, Neue Residenz.

(Foto: Bildarchiv Foto Marburg/CbDD/Uwe Gaasch)

Man kann sich gar nicht genug den Hals verrenken, um das beeindruckende Treppenhaus mit dem von Johann Georg Unruhe gestalteten Deckengemälde in der Neuen Residenz in Passau gebührend zu bewundern. Vor der Kulisse eines weiten, blauen Himmels hat sich eine Ansammlung olympischer Götter versammelt. Zeus, der Göttervater und Weltenherrscher, ist mit Adler, Blitzstrahl, Sonnenstrahl und Tierkreiszeichen imposant in Szene gesetzt. Er und die anderen Gottheiten thronen federleicht auf Wolkenbänkchen. Ihm zur einen Seite sind die Mondgöttin Diana mit ihren Gefährtinnen und die Gruppe mit Vulkan, Neptun, Herkules und Hermes gestellt. Zur anderen Seite sind Venus, der blinde Amor und unbekannte junge Frauen, das Zwillingspaar Minerva und Apoll, sowie, etwas abgerückt von beiden, der Kriegsgott Mars zu erkennen. Am unteren Rand - auf ihrer Wolke den Bildrahmen sprengend und von himmlische in weltliche Gefilde weisend - finden sich Kybele mit der Mauerkrone und Aeternitas mit dem Schlangenreif im Krönungsakt. Eine Huldigung der Stadt Passau durch die Götter. Das etwa sieben mal sieben Meter große Deckengemälde bildet im Treppenhaus den gestalterischen Höhepunkt der Umbaumaßnahmen, die von 1764 an unter Fürstbischof Leopold Ernst Graf von Firmian begannen. Eine bestehende Treppenanlage wurde auf diese Weise dem gesteigerten Repräsentationsbedürfnis des neuen Fürstbischofs angepasst. Wesentlichen Anteil an der Ausstattung des Treppenhauses, die bis 1768 beendet waren, hatten neben dem Deckenmaler Unruhe der Stukkateur Johann Baptist Modler und seine drei Söhne. Mehr Informationen unter www.deckenmalerei.eu. Evelyn Vogel

Aufstieg in den Olymp in Schloss Hacklberg in Passau

corpus_barocke_deckenmalerei_BAdW

Giovanni Battista Carlone, Daniel in der Löwengrube, 1680. Passau, Alte Residenz, Gartentafelzimmer.

(Foto: Bildarchiv Foto Marburg/CbDD/Uwe Gaasch)

Schloss Hacklberg, ein ehemaliges Gutshaus, war von 1397 an Sommersitz der Passauer Fürstbischöfe. Was die Bischöfe Sebastian Graf von Pötting und sein Nachfolger Johann Philipp Graf von Lamberg im 17. Jahrhundert daraus machen ließen, hieß bezeichnenderweise "Lust-Hauß". Die reiche Ausstattung des Festsaales mit den üppigen Verzierungen und Figuren aus Stuck ist in jedem Fall lustvoll. Sie war das Werk des italienischen Stuckateurs Giovanni Battista Carlone und dessen Werkstatt. Die Deckenbilder stammen vermutlich von Giovanni Carlone. In der stuckplastischen Kuppel des Festsaales gibt es vier Deckengemälde. Die Kuppelmitte dominiert das kreisrunde, von einem Lorbeerkranz umrahmte Bild "Der Olymp" von 1692. Dargestellt sind antik-mythologische Götter und Wesen, die auf die Weltenschöpfung, auf zyklische Abläufe des Universums und allegorisch auf das Sternzeichen Zwilling des Fürstbischofs Graf von Lamberg hinweisen. Mehr Informationen unter www.deckenmalerei.eu. Evelyn Vogel

Engelssturz in Blumenthal

corpus_barocke_deckenmalerei_BAdW

Melchior Steidl, Engelssturz, 1720, Blumenthal, ehem. Deutschordenskomturei.

(Foto: Bildarchiv Foto Marburg/CbDD/Uwe Gaasch)

Ein Engelssturz steht im Zentrum des furiosen Hauptbilds der Decke in der Kapelle der ehemaligen Deutschordenskomturei in Blumenthal nahe Aichach. Die äußerst lebhafte Komposition in profiliertem Stuckrahmen zeigt, wie die bewegten nackten Leiber der Verdammten gemeinsam mit einer Personifikation der Superbia, des Hochmutes, in den Abgrund gestoßen werden. Der Südflügel des mehrfach veränderten Schlosses mit der Kapelle, in der sich auch die Fresken befinden, stammt aus dem 13. Jahrhundert. Die Freskenausstattung wurde 1720 von Johann Franz von Weichs in Auftrag gegeben und werden Melchior Steidl zugeschrieben. Nach einer wechselvollen Geschichte, unter anderem war dort ein Altenheim untergebracht, ist die Anlage mit der Kapelle heute ein Schlosshotel. Mehr Informationen unter www.deckenmalerei.eu. Evelyn Vogel

Göttliche Gerechtigkeit auf Schloss Schillingsfürst

corpus_barocke_deckenmalerei_BAdW

Unbekannter Maler, Szenen aus dem Leben Josephs, um 1724-25. Schillingsfürst, Schloss, Paradeschlafzimmer.

(Foto: Bildarchiv Foto Marburg/ CbDD/ Achim Bunz)

Wie eine Trutzburg thront die dreigeschossige Dreiflügelanlage Schloss Schillingsfürst auf einem Hügel in Mittelfranken. Sie ist Sitz des Hauses Hohenlohe-Schillingsfürst. Das Schloss wurde 1705 bis 1740 im Wesentlichen von dem französischen Architekten Louis Remy de la Fosse erbaut. Auf seine Vermittlung hin wurde Schloss Schillingsfürst von Giovanni Battista Clerici mit reichlich Stuck ausgestattet. Das Paradeappartement des Fürsten Schillingfürst besteht aus fünf Räumen, von denen zwei mit Deckengemälden ausgestattet sind: Josephs Verehrung als Landesvater ist in einem Paradeschlafzimmer dargestellt. Im Audienzzimmer von Schloss Schillingsfürst befindet sich das Deckengemälde "Triumph der göttlichen Gerechtigkeit", entstanden um 1728, mit Justitia im Zentrum (unser Bild). Typisch hier wie so oft: Die Götter auf ihren Wolkenbänken. Die Ausdrucksstärke der Malerei ist eher bescheiden. Wohl auch deshalb bliebt der Maler unbekannt. Mehr Informationen unter www.deckenmalerei.eu. Evelyn Vogel

Musenkuss für Apoll in der Alten Residenz Passau

corpus_barocke_deckenmalerei_BAdW

Giovanni Battista Carlone, Daniel in der Löwengrube, 1680. Passau, Alte Residenz, Gartentafelzimmer.

(Foto: Bildarchiv Foto Marburg/CbDD/Uwe Gaasch)

Eine wunderbare Illusion hat der Maler Giovanni Carlone im Bibliothekssaal der Alten Residenz in Passau geschaffen. Denn so verhältnismäßig niedrig der Saal ist, so perfekt macht dies das Deckengemälde "Apoll mit den Musen" vergessen, das Carlone im Auftrag des macht- und repräsentationsbewussten Fürstbischofs Johann Philipp von Lamberg 1694 in nur drei Monaten geschaffen hat. In den offenen Wolkenhimmel über einer doppelgeschossigen Scheinarchitektur hat der Künstlern in der Raummitte ein ovales gerahmtes Bild mit dem Musengott Apoll gesetzt und die beengte Raumsituation durch verschiedenartige Öffnungen optisch geschickt erweitert. Neben dem Himmelsausblick eröffnen auch die großformatigen Arkaden mit den Personengruppen in die Tiefe gehende Aussichten. Apoll mit den neun Musen ist perspektivisch am besten von einem Standpunkt direkt unter der Bildmitte zu erfassen. Die anderen Figuren lassen sich am schönsten entdecken, wenn der Betrachter sich von der Mitte aus durch den Raum beweget. Die Hofbibliothek liegt im ersten Obergeschoss des sogenannten Saalbaus der Alten Residenz, der diese mit der Neuen Residenz verbindet. Das Gewölbe in Form einer flachen Tonne wird vollständig vom Deckenbild eingenommen. Nach dem zweiten großen Stadtbrand 1680 erfuhr die bischöfliche Residenz zahlreiche Umbauten und zeitgemäße Neugestaltungen. Die Fresken von Johann Carlone in der Bibliothek zählen zu den Höhepunkten der wandfesten Ausstattung. Mehr Informationen unter www.deckenmalerei.eu. Evelyn Vogel

Reiterspiele in Würzburg

corpus_barocke_deckenmalerei_BAdW

Deckenmalerei von Giovanni Battista Tiepolo, Vier Erdteile, 1752, Würzburg, Residenz, Treppenhaus.

(Foto: Bildarchiv Foto Marburg/Bayerische Schlösserverwaltung/ CbDD/Achim Bunz)

Für das berühmte, von dem Hofarchitekten Balthasar Neumann stützenfrei überwölbte Treppenhaus der Würzburger Residenz, das wir auf der Titelseite abgebildet haben, schuf der Venezianer Giovanni Battista Tiepolo 1752/53 ein Deckenfresko mit den Vier Erdteilen. Geprägt ist die Darstellung von Wissen und Vorstellung des 18. Jahrhunderts. Die "exotischen" Erdteile Amerika, Afrika und hier Asien auf einem Elefanten reitend, kamen in Form fürstlicher Frauengestalten daher. Zentral war die Allegorie der Europa mit dem Würzburger Hof als Hort der Künste. Derzeit ist das Forschungsprojekt zur Würzburger Residenz noch nicht abgeschlossen und ist daher noch nicht im Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland publiziert. Mehr Informationen unter www.schloesser.bayern.de und www.deckenmalerei.badw.de. Evelyn Vogel

Der Tag vergeht, die Nacht kommt in Leitheim

corpus_barocke_deckenmalerei_BAdW

Gottfried Bernhard Göz, Abschied des Tages und der Nacht, 1751. Schloss Leitheim, Schlafzimmer.

(Foto: Bildarchiv Foto Marburg/CbDD/Uwe Gaasch)

Auf allegorische und leicht verständliche Weise hat Gottfried Bernhard Göz in dem Deckengemälde "Abschied des Tages und Beginn der Nacht" von 1751 in einem Schlafzimmer von Schloss Leitheim den Tageswechsel mit verschiedenen Figuren versinnbildlicht. In der Bildmitte thront die allegorische Hauptfigur der Nacht auf einem von Bäumen überwucherten Felsvorsprung, auf ihrem Kopf eine Nachtigall. Ihr zu Füßen ruht eine Nymphe in den Armen von Morpheus, des Gottes des Traumes. Auf der rechten Seite verabschiedet sich der Tag in Person des Apoll auf seinem Sonnenwagen. Derweil hält der anbrechende Abend mit der Mondgöttin Diana auf der linken Seite Einzug. Schloss Leitheim diente als Sommerresidenz des Zisterzienserklosters Kaisheim. Entsprechend fröhlich gestalteten sich die festlichen Fresken des Augsburger Malers Gottfried Bernhard Göz im Sinne des erholsamen Momentes, ohne jedoch den religiösen Grundgedanken zu vernachlässigen. Mehr Informationen unter www.deckenmalerei.eu. Evelyn Vogel

Wandel der Jahreszeiten auf Schloss Sünching

corpus_barocke_deckenmalerei_BAdW

Matthäus Günther, Innendekoration des Festsaals, 1760­-1761, Sünching, Schloss.

(Foto: Bildarchiv Foto Marburg/CbDD/Uwe Gaasch)

Schloss Sünching gilt als eines der herausragenden Beispiele höfischer Kunst im Raum Regensburg. Der Umbau des Schlosses oblag dem kurbayerischen Hofarchitekten François de Cuvilliés dem Älteren. Die Ausstattung stammt von Johann Nepomuk Schöpf und Matthäus Günther. Letzterer malte 1760/61 auch das Deckenfresko des Festsaals von Schloss Sünching. Jupiter im Mittelpunkt ist als Herrscher über die Zeit, die Elemente und alle Gottheiten des antiken Götterhimmels dargestellt. Der Göttervater markiert die lichteste Stelle des Freskos. Von ihm geht in rosa und blauen Pastellfarben ein Strahlenkranz aus, der sich zu allen Seiten hin ausbreitet. Unter ihm zieht sich ein Wolkenband hinab, auf dem sich seine Frau Juno in dem goldenen Pfauenwagen und der Meeresgott Neptun mit seinem Dreizack befinden. Entlang der vier Seiten des Festsaals von Schloss Sünching hat Matthäus Günther detailreich die vier Jahreszeiten dargestellt - voll prallen Lebens. Mehr Informationen unter www.deckenmalerei.eu. Evelyn Vogel

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: