Kunst:Berühren erwünscht

Bei der Schau von 24 Kreativen im Truderinger Kulturzentrum geben Maler, Fotografen und Bildhauer den Gästen bereitwillig Auskunft über ihre Techniken und den tieferen Sinn ihrer Arbeiten. Sie bekommen dafür unmittelbares, motivierendes Feedback

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Der Osterspaziergang oder -ausflug im Münchner Osten hat für alle Freunde zeitgenössischer Kunst wieder ein lohnendes Ziel: Zum zwölften Mal schon verwandelt sich das Truderinger Kulturzentrum, seit Gründonnerstag und noch bis Ostermontag, in einen Tempel der Kunst. Saal, Foyer, Gruppenräume, Empore, ja sogar die Flure hängen und stehen voll von Malerei, Fotografie, Skulpturen und Objekten von 24 Künstlern. Am gut besuchten Eröffnungsabend geht es keineswegs ehrfürchtig still zu wie in einem Museum oder oberflächlich laut wie bei einer champagnertrunkenen Schicki-Micki-Vernissage: "Das Publikum ist von hoher Qualität", sagt etwa der Metall-Bildhauer Ralf Vizethum aus Bayreuth anerkennend. Damit meint der bärtige Mann nicht etwa die potenzielle Kaufkraft der Kunstfreunde, sondern deren echtes Interesse. Da spaziere keiner nur herum und unterhalte sich über Belangloses: "Alle sind konzentriert."

Diese Fokussierung fördert sicherlich die Tatsache, dass zwar eine fünfköpfige Jury um den Initiator der Kunst-Tage, Peter Gierse, die Künstler aus mehr als 200 Bewerbungen auserkoren hat, dass aber am Ende das Publikum entscheidet, wer die beiden Publikumspreise in Höhe von 700 und 500 Euro bekommt, die BMW-Automag gestiftet hat. Damit Münchner Künstler keinen Heimvorteil haben, muss jeder gleich vier Stimmen vergeben. "Häufeln ist nicht erlaubt", erklärt Gierse. Wenn wie im vergangenen Jahr wieder mehr als 2000 Besucher gezählt werden, kommen also gut 8000 Stimmen zusammen und damit ein repräsentatives Meinungsbild.

Wem der Besucher seine Stimmen schenkt, will gut überlegt sein. Die meisten machen am Ende einen zweiten Durchgang - und würden dann lieber gleich fünf oder sechs Künstler ankreuzen. Dabei spielt dann nicht nur der erste Eindruck eine Rolle - entscheidend sind vielleicht sogar eher die Auskünfte, die die Künstler den Gästen geben. Welche Technik wurde angewandt? Welche Motivation steckt hinter dem Werk? Die Truderinger Kunst-Tage sind kommunikativ. So erklärt etwa die Fotografin Katja Gehrung, dass sie für ihre Serie "Kein Mann in Sicht" stets sich inszenierte und mit Selbstauslöser fotografierte. "Es sind aber keine Selfies. Ich stelle halt eine Frau dar."

Ljuba Stille aus Köln, die kleine Holzfiguren und bezaubernde Papiercollagen macht, ist krank geworden, doch Tochter und Lebensgefährte geben sich alle Mühe, ihre Arbeitsweise zu beschreiben. Zhenya Li sagt, sie habe ihr Bild vom Kuss mit Kohle auf zahlreiche zusammengeklebte Zuckerwürfel gemalt, weil Liebe eben erst einmal süß sei. Petra Jakob hat aufgeschrieben, wie ihre "Photomorphosen" entstehen, auf Pergament, Holz oder Leinwand. "Berühren erwünscht" steht eigens auf den kleinen Podesten, auf die der Bildhauer Wolfgang Kropfitsch aus Österreich seine Marmorskulpturen wie "Einsteins Dummheit" stellt. Auch er hat einen Zettel mit Erklärungen bereit. Die Fotografin Anna Kirch berichtet, dass ihre Fotos vom Inn entstehen, wenn sie ihre Mutter besucht. Da bekommt der Titel "Inn Between" gleich eine tiefere Bedeutung. Manuela Clarin im kleinen Saal arbeitet skulptural, ihr Werk handelt von Jo und Argos, und wer ein paar Minuten Zeit hat, bekommt von ihr eine packende Auffrischung in griechischer Mythologie.

Gerne stehen die 24 Kreativen dem Publikum Rede und Antwort. Gisela Birkenthal etwa freut sich über die Chance, beobachten zu dürfen, vor welchem Bild ihres Zyklus' "Lichter des Ozeans" die Leute besonders lange gefesselt verweilen. Andere haben eigene Gästebücher ausgelegt. Die Künstler bekommen auch viel direktes Lob für ihren Blick, ihren Strich, ihre Themen, ihre Geduld. Anja Jonas im Foyer erhielt etwa die Rückmeldung, dass ihre Menschen im Bild "London" zwar keine Augen haben, aber dennoch einen starken Ausdruck. Ganz beseelt gehe sie nun ins Bett, sagt sie. Anne Marguerite Steinbeis, Restauratorin und in der Kunst eine Quereinsteigerin, freut sich "total" über die Chance auf unmittelbare Reaktionen, wenn sie den Menschen erklärt, dass nicht ein Computer, sondern sie selbst mit Buntstiften ihre stillen Werke zeichne. Die erste, die eine Figur verkauft, dürfte wohl Christa Lux sein. Ihre aus gesammeltem Material und mit Klebstoff komponierten Wesen berührten Odelia Schröter aus Gröbenzell: "Da kommt Ihr Esprit und Ihre Lebensfreude durch." Teuer waren sie auch nicht: "Es ärgert mich, wenn sich jemand meine Figuren nicht leisten kann", sagt die Künstlerin. Auch andere können schon rote Punkte an ihre Bilder kleben, das Zeichen, dass sie reserviert sind. Wer nicht die Mittel für ein Bild hat, hat bei manchem der Aussteller immerhin die Chance, eine schöne Postkarte oder einen Prospekt als Erinnerung mitnehmen zu dürfen.

Gut betreut von Peter Gierse und seinen vielen Helfern und Stimmzettelverteilern fühlen sich die Künstler. Ohne Ehrenamtliche ginge das nicht, betonte auch Georg Kronawitter von Truderinger Kulturkreis, der gemeinsam mit dem Trägerverein des Kulturzentrums als Veranstalter auftritt.

Die Truderinger Kunst-Tage an der Wasserburger Landstraße 32 sind täglich bis Ostermontag jeweils von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Am Ostermontag, 22. April, wird gleich im Anschluss um 18 Uhr der Publikumspreis verliehen.

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