Pinakothek der Moderne:Auf beiden Beinen

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Die Ausstellung "Au Rendez-vous des Amis" in der Pinakothek der Moderne.

Von Evelyn Vogel

Wenn ein Museum versucht, durch neue Kombinationen und ungewöhnliche Gegenüberstellungen bekannten Aspekten der Kunstgeschichte neue Seiten abzugewinnen, kann das zur Tour de Force werden - oder genussvoll neue Sichtweisen eröffnen. Das Publikum, das möglicherweise aus zwei ähnlichen, aber eben doch nicht identischen Welten kommt, liebt es entweder oder verdammt es. Man erinnere sich an die Auftaktausstellung von Achim Hochdörfer, als der in seiner Funktion als neuer Direktor des Museums Brandhorst den Blick auf die zarten Werke Cy Twomblys gnadenlos mit den wulstigen Skulpturen von Franz West verstellte. Ein Teil der Besucher tobte, der andere fand es herrlich anregend, im Kontrast der beiden so unterschiedlichen Künstler die Besonderheiten des jeweils anderen zu entdecken.

So krass wird es für eingefleischte Bewunderer der Klassischen Moderne in der neuen Ausstellung "Au Rendez-vous des Amis" in der Pinakothek der Moderne nicht werden. Zum einen, weil die wohl situierte Klassische Moderne schon eine Menge an Konfrontativem überstanden hat, zum anderen, weil hier zwar manches - auch augenzwinkernd - gewagt, aber kein radikaler Weg eingeschlagen wird. Ausgangslage ist: Nach zwei Jahren fand es Sammlungsleiter Oliver Kase an der Zeit, den Bestand der Klassischen Moderne mal wieder neu aufzumischen, um es salopp zu formulieren. Was angesichts dessen, dass in Corona-Zeiten der Leihverkehr zwischen den Häusern ebenso eingeschränkt ist wie die Reisetätigkeit des Publikums, sodass man sich auf die heimischen Besucher konzentrieren muss, sicher nicht fehl am Platze ist. Da der auch nicht ganz kleine Bestand der Sammlung Goetz aufgrund von Sanierungsmaßnahmen im eigenen Haus im Moment dort nicht gezeigt werden kann und sowieso möglichst viele Häuser des Freistaats von der Schenkung der Sammlerin Ingvild Goetz profitieren sollen, lag die Idee nahe, eine gemeinsame Ausstellung auf die Beine zu stellen. Warum also nicht einmal nachschauen, wie die Klassische Moderne die zeitgenössischen Künstler beeinflusst hat?

Bei so reichen Beständen ist es ein Leichtes, geschickte Kombinationen zu finden. Eher muss man angesichts der Fülle aufpassen - mehr als 200 Werke wurden in 13 Sälen neu arrangiert -, durch ein Zuviel die Sache zu überladen. Für Oliver Kase von den Staatsgemäldesammlungen und Karsten Löckemann, Hauptkurator der Sammlung Goetz, kam es also vor allem auf die Konzentration und die Balance an. Wie ge- oder misslungen ist nun also dieses mehr freundschaftliche denn wetteifernde Rendezvous von Klassischer Moderne und Gegenwartskunst? Kurz gesagt: ziemlich gut mit ein paar kleinen Abstrichen.

Fulminant der Auftakt mit dem Werk "Achtung! Vision: England attacked by the Subreals" von Thomas Zipp aus der Sammlung Goetz, in dem er den Surrealisten auf seine Weise augenzwinkernd zublinzelt. Demgegenüber eine herrlich ironische Petersburger Hängung von Surrealisten aus der Sammlung der Pinakothek. Etwas ernsthafter geht es zu bei den Kirchner- und Heckel-Kombis mit Louise Bourgeois, wo vor allem evident wird, wie dominant der männliche Blick in der Klassischen Moderne ist. Die Gegenüberstellungen von Nolde und Brücke-Malern mit Huma Bhabha sind nicht nur in der Gender-Frage wunderbar erhellend. Simpel, aber visuell übzeugend die Begegnung von Tal R mit Werken des Blauen Reiter, inhaltlich tief gehend die zum Pietà-Thema mit Corinth und Althamer beziehungsweise Beckmann und Sam Taylor-Johnson.

Dem Prinzip "weniger ist mehr" hätte man in Saal 5 zur mythischen Figur vertrauen sollen. So verständlich es ist, die vielen verschiedenen Plastiken miteinander korrespondieren zu lassen, so wenig überzeugt die Auswahl in ihrer Fülle. Einzig der Blick zu der selektierten Flachware an den Wänden gibt dem schweifenden Blick einen Halt. Um so stringenter der Raum mit Picasso und Aaron Curry, total überzeugend der dem Bauhaus gewidmete Saal: Die Werke von drei kraftvollen Künstlerinnen, Rosemarie Trockel, Andrea Zittel, Katja Strunz, gegen das männlich dominierte Bauhaus - da können sich Oskar Schlemmer, László Moholy-Nagy und Josef Albers mal warm anziehen.

Als Klasse für sich darf man die Black-Box-Inszenierung von George Segal ...

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(Foto: bpk | Bayerische Staatsgemäldes)

... und Francis Bacon bezeichnen.

Ziemlich gut auch, wie der Bereich der Neuen Sachlichkeit angegangen wurde: Stan Douglas, Manfred Pernice und das Künstlerduo Fischli/Weiss begegnen Foto-Klassikern wie Albert Renger-Patzsch auf Augen- oder eher Firsthöhe. Und als Klasse für sich darf man die Black-Box-Inszenierung von George Segal und Francis Bacon bezeichnen. Rodney Grahams Selbstporträt im Leuchtkasten, eine "Artist in Artists' Bar", mit den dafür eigens geschaffenen Gemälden im Stil eines künstlerischen Bohemiens der Fünfzigerjahre ist nicht nur herrlich selbstironisch, das Werk schlägt mit seiner Petersburger Hängung auch den Bogen zum Anfang der Ausstellung "Au Rendez-vous des Amis".

Dass die Kuratoren die Begegnungen nicht nur nach Themen gestalteten, sondern auch Zeit- und Materialräume eingerichtet haben, tut dem Rundgang, der an einigen Stellen unterbrochen wird, gut. Insgesamt ist die Ausstellung ein munteres Wechselspiel zwischen verschiedenen Epochen, das überdeutlich macht, wie sehr und wie lange der westliche Malereikanon männlich geprägt war und ist. Die vielen zeitgenössischen weiblichen Positionen aus der Sammlung Goetz zeigen das einmal mehr. Im zentralen Beckmann-Saal, wo Thomas Schütte in Kontrast gesetzt wurde, hätte man sich noch etwas mehr Mut von den Kuratoren gewünscht. Anders als damals Hochdörfer an den Säulenheiligen der Brandhorst-Sammlung, Cy Twombly, hat man sich an Max Beckmann, die Ikone der Sammlung Moderne Kunst der Pinakothek, dann wohl doch nicht so ganz rangetraut.

Au Rendez-vous des Amis. Klassische Moderne im Dialog mit Gegenwartskunst aus der Sammlung Goetz, Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, Di. bis So. 10-18 Uhr, Do. 10-20 Uhr, bis 28. März

© SZ vom 30.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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