Die Fassade vom "HP8" prägt die Schäftlarnstraße.
Die Verschachtelung von Neu- und Altbau ist auch innen zu erkennen.
"Auf einer Insel der Glückseligen" fühlen sich die Musiker der Münchner Philharmoniker ob des feinen Klangs in der Isarphilharmonie. Das Gefühl wollen sie nun aufs Publikum übertragen.
Notenpulte auf der Bühne der neuen Isarphilharmonie.
In der Isarphilharmonie liegt die Konzentration ganz auf der hellen Bühne.
Vorfreude ist ein zu schwaches Wort für das, was künftige "Gasteig HP8"-Nutzer jetzt bereits empfinden. Man befindet sich im Zustand der Glückseligkeit. So sind jene, die den Umzug von Europas größtem Kultur- und Bildungszentrum in sein fünfjähriges Ausweichquartier in München-Sendling auf den Weg gebracht haben, voller Stolz und Dankbarkeit, wie sich alles fügte. Wie nach 35 verworfenen Ersatzorten für den sanierungsbedürftigen Koloss von Haidhausen dieses bis dahin links neben dem Mittleren Ring liegengelassene gelobte Land urbaner Lässigkeit auftauchte. Wie man sich rasch einig wurde mit den zuständigen Stadtwerken. Und mit den ansässigen Kultur- und Gewerbetreibenden. Von denen kamen schließlich das Konzept der einträchtigen Nutzung und somit die Pläne einer Verschachtelung von Altbauten und Neu-Modulen, was zum dem Gasteig entsprechenden Motto für die Behelfszeit führte: Wir rücken zusammen.
Schon jetzt schreibt die nationale Presse von einem "Interims-Wunder": dass diese Teufels-Münchner es doch glatt bald geschafft haben werden, binnen nur dreier Jahre einen Kulturriesen auf- und umzuziehen und dabei im Budget zu bleiben. 70 Millionen inklusive eines Konzertsaals für bis zu 1950 Gäste! Diese 40 Millionen Euro kostende Isarphilharmonie ist beileibe kein Provisorium, sie möge der Stadt erhalten bleiben - weshalb man sich auch den Spitzen-Klangmeister Yasuhisa Toyota leistete. Der lächelte jüngst bei einem Ortstermin durchgehend; Valery Gergiev, Chefdirigent des Hausorchesters, der Münchner Philharmoniker, schätzte sich und seine Musiker als "sehr glücklich", was die Solo-Klarinettistin Alexandra Gruber bestätigte. Das Orchester hörte sich bei ersten Proben derart fein und sei derart gut zu hören gewesen von allen höchstens 33 Meter entfernten bequemen Sitzen, dass man sich auf dem 272 Quadratmeter großen Bühnenhalbrund "auf einer Insel der Glückseligen" befunden habe.
Dieses Gefühl soll sich übertragen, wenn es nun losgeht. Die Philharmoniker machen den Auftakt, andere Gasteig-Institute wie die Volkshochschule ziehen bis März nach, wenn ihre Räume samt Kino- und Vortragssälen bereit sind, auch der neue Multifunktionspavillon X wird noch folgen. Die Eröffnungswoche gibt schon einen prima Eindruck, was da heran- und zusammenwächst in Sendling. Beim ersten öffentlichen Konzert der Philharmoniker am Samstag, 9. Oktober, flaniert man also über den Vorplatz und die Piazza mit dem Terrassenrestaurant und Blick zum Isarkanal (Großer Stadtbach) zur Halle E; die denkmalgeschützte Trafohalle ist Entree und Forum, in dem alle zusammenlaufen, die Anbieter und die Besucher, sich austauschen am Bar-Tresen, sich in der Open Library der Stadtbibliothek in Büchern, Noten oder Musik vertiefen oder einfach über die Industriearchitektur mit Oberlicht und Ladekran staunen. Durch die "Fuge" gelangt man ins Herzstück, die Isarphilharmonie. In dem in eine Stahlaußenhülle eingehängten Holzklangkörper der Isarphilharmonie staunt man vielleicht schon wieder: über die schwarzen Fichtenlamellen an den Wänden und die helle Zedernholzbühne, alles soll sich auf die Intimität des Musikmoments konzentrieren.
"Brüche schaffen, nahbar sein, sich neu erfinden", das wollen die Philharmoniker hier. In den ersten zehn Tagen spielen sie oder das Mariinsky Orchester unter der Leitung von Gergiev ein Programm von Wiener Klassik bis zu zwei modernen Uraufführungen von Thierry Escaich und Rodion Shchedrin; der Pianist Daniil Trifonov (siehe Seite 2) interpretiert dabei tagelang den kompletten Beethoven-Zyklus. Der neue, aufregende Ort reizt die Philharmoniker aber auch zu Neuem, etwa zu zwei "Cinderella"-Familienkonzerten (wieder mit Gergiev selbst); oder der Späti-Reihe "Mphil Late", zu deren Premiere am 9. Oktober, 22 Uhr, Klangkunst-Punk FM Einheit von den Einstürzenden Neubauten sich mit Freunden von der Isar zu Improvisationen über Piraten, Ozeane und Meeressehnsucht inspirieren lassen will.
Überhaupt darf es ruhig etwas später werden: Nach einigen Konzerten wollen die Philharmoniker unter dem Motto "Nach#Klang" zu den Gästen in Halle E stoßen und sich musikalisch relaxt von ihrer privaten Seite zeigen (Start am 15.10.). Man will sich kennenlernen, gegenseitig inspirieren, sei es beim "Ein#Klang" (10.10.), wo die Philharmoniker mit dem Publikum spielend vom Foyer in den Konzertsaal ziehen, um sich mit orchestralen Loops auf die neue Wirkungsstätte einzuschwingen; sei es bei den "HP8 Wandelkonzerten" (ab 16.10.), wo man musizierend gemeinsam alle Ecken des Geländes erkundet; oder sei es beim "Symphonic Mob" im Juli 2022, bei dem jeder, der will und es sich zutraut, selbst mit dem weltberühmten Orchester spielen darf und so Teil des neuen Miteinanders wird.
Gasteig HP8 , Festakt Fr., 8. Okt., 19 Uhr; Eröffnungskonzert Sa., 9. Okt., 19 Uhr; komplettes Programm unter gasteig.de oder mphil.de, Hans-Preisinger-Str. 8, Telefon 21837300