SZ-Kultursalon:"Viele Programme für viele"

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BR-Intendantin Katja Wildermuth vor den Lichtern der Großstadt in der Panorama-Lounge des SZ-Hochhauses. (Foto: Stephan Rumpf)

Die neue Intendantin des Bayerischen Rundfunks Katja Wildermuth spricht über den Wandel der Medienlandschaft und Münchens Konzertsäle. Zudem kündigt sie eine Kulturoffensive aus ihrem Hause an.

Von Josef Grübl, München

Eine Fernsehsendung läuft im Fernsehen und ein Radiobeitrag im Radio. Das sind triviale Feststellungen, auf die man sich jahrzehntelang verlassen konnte, die mittlerweile aber nicht mehr so ganz zutreffen. Heute gibt es Streamingdienste und Mediatheken, Podcasts und Produktionen für soziale Medien. Auch in Sachen Intendanzen ist nicht mehr alles so, wie es einmal war: Seit Anbeginn leiteten stets Männer den Bayerischen Rundfunk (BR), Namen wie Reinhold Vöth, Albert Scharf oder Ulrich Wilhelm etwa, seit acht Monaten aber steht eine Frau an der Spitze der öffentlich-rechtlichen Medienanstalt. Katja Wildermuth heißt sie, am Mittwochabend war sie zu Gast beim Kultursalon der Süddeutschen Zeitung.

Dieser fand vor Publikum in der Panoramalounge des SZ-Verlagsgebäudes im Osten der Stadt statt, nicht weit davon ist die promovierte Althistorikerin und Journalistin auch aufgewachsen und zur Schule gegangen. Im Kleinkindalter zog die gebürtige Berlinerin mit ihren Eltern nach Anzing, am Gymnasium in Markt Schwaben machte sie Abitur, an der Münchner LMU studierte sie. "Wir sind auf dieselbe Schule gegangen, nur dass sie die coole, unerreichbare Frau zwei Jahre über mir war", erzählte die Moderatorin und Leiterin der SZ-Kulturredaktion, Susanne Hermanski. "Womit auch die Altersfrage geklärt wäre", antwortete die 1965 geborene BR-Frau nonchalant.

Das Trio des Abends: Als Moderatoren des SZ-Abends befragten Kurt Kister und Susanne Hermanski die neue Intendantin des BR, Katja Wildermuth. (Foto: Stephan Rumpf)

Rechts von ihr hatte Kurt Kister, Mitmoderator und langjähriger SZ-Chefredakteur, Platz genommen. Gemeinsam sorgten sie für einen munteren Schlagabtausch, in dem es auch um Cicero und seriöse Berufe ging, um fränkische Spitzenpolitiker in bayerischen Seifenopern, um Kulturangebote oder neue und noch zu bauende Konzerthäuser. Neuigkeiten aus ihrem eigenen Haus hatte sie ebenfalls mitgebracht, dazu aber später mehr. Als Intendantin ist Wildermuth unter anderem für die sogenannten Klangkörper des BR verantwortlich, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) etwa oder die Chöre. Natürlich sei sie am vergangenen Wochenende bei der Eröffnung der Isarphilharmonie im Ausweichquartier "HP8" des Gasteigs zu Gast gewesen, erzählt sie: "Das war ein ganz besonderer Abend, es hat mich wahnsinnig gefreut, dass es in Präsenz vor so großem Publikum stattfinden konnte."

Bei so viel Begeisterung von allen Seiten sei aber auch die Frage aufgekommen, warum die neue Spielstätte in Sendling nur als Zwischenlösung angedacht sei, so Hermanski: "Hat sich damit der neue Konzertsaal im Werksviertel erledigt?" "Im Moment geht alles seinen normalen Gang", antwortete die Intendantin. Sie betonte: "Wir sind nicht der Bauherr." Das BRSO habe keine feste Spielstätte, spielte in der Vergangenheit in der Philharmonie am Gasteig und im Herkulessaal, daher sei eine Spielstätten-Suche ein legitimer Ansatz. Für das Werksviertel spreche zunächst einmal das Viertel selbst, das lebendig und vielfältig sei - und "außerdem wahnsinnig gut angebunden." Das BRSO sei schließlich nicht nur ein Orchester für München, so Wildermuth. Im geplanten Konzerthausbau werde es zudem einen großen Education-Bereich geben, einen Platz für Lehrangebote und Musikvermittlung. "Das Konzerthaus soll außerdem die erste Digital Concert Hall des 21. Jahrhunderts werden", erklärte die Intendantin, "die nötige technische Ausstattung wird von vornherein mitgedacht und konzeptioniert."

"Wir sind auch Veranstalter, wir bieten Kultur an"

Katja Wildermuth hat lange als Fernsehjournalistin gearbeitet, viele Jahre lang beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) in Dresden, Halle und Leipzig, oder als Kulturchefin beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg, da habe sie bereits viel mit Orchestern beziehungsweise Klangkörpern zu tun gehabt. "Wir sind auch Veranstalter, wir bieten Kultur an", betonte sie im Gespräch mit Kister und Hermanski. Wichtig sei die Art der Ansprache und dass man in die Regionen hinausgehe, die Klangkörper des BR sind viel unterwegs, man wolle sich dem Publikum öffnen. Aber kann man sich in Zeiten von Sparmaßnahmen und knappen Budgets so wie der BR überhaupt noch zwei Orchester leisten? "Es gibt keine Diskussionen darüber", sagte Wildermuth und wies auf die starke Klassik-Verbindung in Bayern hin - und auf die Klassik-Koordination des BR innerhalb der ARD. Kultur sei weder Quotengift noch ein Nischenangebot, betonte die Intendantin. "Wir merken aber, dass wir früher wenige Programme für viele gemacht haben. Heute sind es viele Programme für viele."

"Auch Clicks sind nicht alles."

Gleich geblieben sei nur die starke Audio- und Videokompetenz des BR, egal ob im Radio, Fernsehen oder bei erfolgreichen Formaten wie dem Klavierpodcast mit Igor Levit oder dem Instagram-Projekt über Sophie Scholl. Die Wertschätzung für solche Produktionen sei groß und korreliere nicht unbedingt mit Zuschauerzahlen. Sie selbst schaue nicht mehr nur auf Einschaltquoten, betonte Wildermuth. "Auch Clicks sind nicht alles." Der Medienbereich ist im Wandel, darauf müsse man mit viel Kreativität reagieren, nonlineare Programme werden immer wichtiger. "Ist das lineare Programm so etwas wie die gedruckte Zeitung", fragte Kister. Die lineare Nutzung nehme zwar ab, sagte Katja Wildermuth, man dürfe aber nicht vergessen, dass auch die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen kuratiert seien. Kister hakte nach: "Ist der BR eine Behörde?" Nein, antwortete dessen Chefin, "wir sind ein Medienunternehmen."

Die BR Kulturbühne wird weiterentwickelt für die Zeit nach Corona

Um das zu unterstreichen, kündigte sie am Ende des Gesprächs eine echte Kulturoffensive an: Unter dem Motto "BR Kultur 24/7" soll es im November auf mehreren Kanälen eine Woche lang um das reichhaltige Kulturleben in Bayern gehen. So wird die während der Pandemie gestartete "BR Kulturbühne" weiterentwickelt für die Zeit nach Corona, mit täglichen Live-Events wie der Eröffnung des Literaturfests München oder Live-Übertragungen aus Theatern in Nürnberg, Augsburg oder Ingolstadt. Höhepunkt der Woche soll ein 24-stündiger Thementag im BR Fernsehen sein: Am Mittwoch, 24. November, räumt man das komplette Fernsehprogramm frei für Kultur in ihrer ganzen Bandbreite, mit Sondersendungen, Dokus und Schalten zu den 30 BR-Regionalstudios. Die Medienwelt verändert sich und damit auch der BR - nicht nur in der Führungsebene. "Wir liefern hochwertigen Journalismus, bauen Brücken und wollen alle möglichen Gesellschaftsschichten erreichen, auch wenn es immer schwieriger wird, eine gemeinsame Sprache zu finden", so die Intendantin.

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