Kulturpolitik:Liebesgrüße in Moskau

Waleri Gergijew

Valery Gergiev bei einer Pressekonferenz

(Foto: dpa)

So schwierig das politische Verhältnis zu Russland derzeit ist: Die musikalischen Beziehungen sind prächtig. Valery Gergiev fusioniert für ein Festkonzert sogar die Münchner Philharmoniker mit seinem Petersburger Orchester.

Von Rita Argauer

Das politische Klima zwischen Russland und dem Westen ist derzeit frostig. Für die kulturellen Beziehungen zwischen Moskau und München gilt aber genau das Gegenteil: Selten, so scheint es, waren sich Bayern und Russen da näher als derzeit. Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) kündigte vergangene Woche eine Reihe gemeinsamer Ausstellungen und Festivals an. Noch weiter gehen die Münchner Philharmoniker und ihr Chefdirigent Valery Gergiev: Für ein Festkonzert an diesem Montag in Moskau fusionieren sie mit dem Petersburger Mariinsky-Orchester, das sich der besonderen Wertschätzung von Russlands Präsident Wladimir Putin erfreut.

Solch eine Verschmelzung zweier Orchester ist selten, schon gleich gar zu einem Festkonzert dieser Art, das zum gesellschaftlichen Großereignis werden könnte: Das "vereinigte Orchester" wird im Konservatorium einen Festabend zum 125. Geburtstag von Sergej Prokofjew geben. Gespielt werden auch Werke vom Lieblingskomponisten der Münchner Philharmoniker, Anton Bruckner. Ein symbolisches Programm, und ein (kultur-)politisches. "Aus der Begegnung der beiden Orchester können sich weitere positive Entwicklungen ergeben, von denen wir alle profitieren", sagt Münchens Kulturreferent Hans-Georg Küppers (SPD). Musik eigne sich hervorragend, um Menschen zusammenzubringen und Brücken zu bauen. Das hätten die Philharmoniker übrigens auch schon vor dem Mauerfall gezeigt, als sie unter Sergiu Celibidache in Moskau auftraten.

Nun aber pflegt das "Orchester der Stadt", wie sie sich nennen, eine besonders enge Beziehung zu Russland - über seinen Chefdirigenten Gergiev. Er ist seit 20 Jahren Direktor des Mariinsky-Orchesters, hat das gleichnamige Petersburger Theater massiv ausgebaut. In seiner Heimat gilt er nicht nur als überzeugter Anhänger Putins und bestverdienender Künstler Russlands. Er hat auch Kultstatus als Dirigent. Schon 2013 spielten Philharmoniker und Mariinsky-Orchester einmal zusammen - bei einem normalen Konzert in München mit Mahlers fünfter Symphonie.

Küppers sieht eine "sehr positive Entwicklung der Philharmoniker" unter Gergiev - trotz der politischen Kritik, die es im Vorfeld der Verpflichtung des Dirigenten gab. Damals geriet die Stadt angesichts überregionalen Protests in Erklärungsnot: Dass sich Gergiev, immerhin der bestbezahlte Angestellte der Stadt, hinter Putins Politik in der Frage der Krim-Annexion und hinter dessen Missachtung der Rechte von Homosexuellen stellte, wurde von vielen Seiten nicht gut geheißen. In einem offenen Brief gab Gergiev schließlich zu verstehen, dass er die Musik als kulturellen "Brückenbauer" begreife, auch wenn es eben verschiedene Auffassungen gebe.

Die Kritik an Gergiev konnte Richard Quaas nach eigenem Bekunden nie verstehen. Der CSU-Stadtrat sitzt seit 20 Jahren im Philharmonischen Rat des Orchesters und ist bei der Russland-Reise nun offizieller Repräsentant Münchens. Man müsse bei Künstlern trennen zwischen Kunst und Politik. Wer es in Russland zu etwas bringen wolle, "braucht natürlich auch eine gewisse Nähe zu den sogenannten Mächtigen", sagt Quaas in Moskau. "Ich kann ihm das nicht negativ anrechnen. Auch bei uns suchen die Künstler oft die Nähe von Politikern, um an Fördergelder zu kommen."

"Ein Exportschlager wie der FC Bayern"

Der FDP-Stadtrat und frühere Kunstminister Wolfgang Heubisch, ebenfalls Mitglied im Philharmonischen Rat, sieht in der Moskauer Fusion kein politisches Problem: "Die Philharmoniker sind für München ein Exportschlager wie der FC Bayern." Dessen Engagement in Katar sei ja ähnlich umstritten wie einst Gergievs Äußerungen über Putin. Der Dirigent habe aber inzwischen gezeigt, dass er ein internationaler Profi sei, dem es nur um die Kunst gehe. Davon werde die ganze Stadt profitieren, sagt Heubisch.

Nähe zu Russland sucht auch Wissenschafts- und Kunstminister Ludwig Spaenle. Er möchte, wie er in der Kabinettssitzung vergangene Woche berichtete, nicht nur den wissenschaftlichen Austausch zwischen Moskau und München fördern. Auch in der Kunst plane man einen intensivere Zusammenarbeiten: Geplant sei etwa ein bayerisch-russisches Filmfest und ein russisches Kinderfestival in Bayern. Bereits vorbereitet werde eine Ausstellung über das Wirken von Leo von Klenze in St. Petersburg und München. Und auch Philharmoniker und Mariinsky-Orchester planen schon die nächsten Aktionen: Beim Musikfest "360 Grad" im November kommen die Petersburger nach München und ehren dann hier Prokofjews Musik. "Da ergibt sich eine Partnerschaft, aus der auch musikalisch Gewinn gezogen werden kann", glaubt CSU-Stadtrat Quaas.

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