Kulturförderung:Weit mehr als nur ein bisschen Geld

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Für viele Tassilo-Kulturpreisträger bedeutet die Ehrung eine erste öffentliche Anerkennung. Sie stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern spornt abseits des Mainstreams zum Weitermachen und Durchhalten an

Von Sabine Reithmaier

Bigband Dachau. (Foto: Robert Haas)

Tassilo-Kulturpreisträger zeichnen sich durch viele tolle Eigenschaften aus: Sie sind kreativ, haben gute Ideen, engagieren sich leidenschaftlich für Kunst, agieren in ihrem Metier auf hohem Niveau. Ein Merkmal aber beschreibt sie besonders überzeugend: Sie sind unverwechselbar. Wie der Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung, der in diesen Zeiten wichtiger ist als jemals zuvor, lenkt er doch das Licht auf Kunst- und Kulturschaffende, die im Pandemie-Richtlinien-Dschungel fast verschwunden sind. An diesem Wochenende beginnt die elfte Ausschreibung der Auszeichnung. Bis 30. April haben unsere Leserinnen und Leser Zeit, ihre Anwärter für den Preis vorzuschlagen (Mail: tassilo@sz.de).

Der Tassilo-Kulturpreis hat mehrere Aufgaben. Er ist zum einen ein "Entdeckerpreis", stellt junge, noch wenig bekannte Künstler vor, aber auch Menschen, die sich oft jahrzehntelang dafür engagieren, dass in ihren Gemeinden oder Vierteln das Kulturleben blüht. Denn trotz großer Talente, kreativer Konzepte und guter Ideen ist es häufig der Fall, dass viele Kulturschaffende, wenn überhaupt, nur in ihrer nächsten Umgebung wahrgenommen. Gerade jungen Künstlern nutzt die Auszeichnung sehr, verbessert sich doch dadurch oft die Wahrnehmung und Wertschätzung, die sie erfahren.

Der Syrische Friedenschor. (Foto: Robert Haas)

Zum anderen ist er laut Tassilo-Jurymitglied Norbert Göttler ein Heimatpreis im besten Sinn des Wortes. "Ein Heimatpreis unter der Maßgabe, dass moderne Gesellschaften unterschiedliche Kulturen, ja auch unterschiedliche Heimaten generieren, die sich aber nicht in Ghettos zurückziehen, sondern miteinander in kreative Kommunikation treten sollen", schrieb der Bezirksheimatpfleger in einem Text zum 20-jährigen Bestehen des Preises. Kürzer formulierte es der Entertainer und Musiker Martin Schmitt, Tassilo-Preisträger im Jahr 2002 und vor zwei Jahren auch Mitglied der Jury: "Tassilo, das ist wertvolle kulturelle Arbeit außerhalb des Mainstreams und der Mount Everest des südbayerischen Kulturpreisgebirges."

Axel Tangerding vom Metatheater in Moosach, ebenfalls ehemaliger Preisträger und inzwischen Juror, weist dem Preis aber in diesem Jahr noch eine weitere Funktion zu: "Es geht darum, die Künstler und deren Initiativen durch die Tassilo-Preis-Veröffentlichungen zu stärken und sichtbar zu machen. Und zwar sichtbar zu machen für ein Publikum, das wir halten wollen und müssen, aber auch um gegenüber den Förderern sichtbar zu bleiben, da ich katastrophale Einschnitte sprich Kürzungen erwarte." Hohe Erwartungen also an unseren Preis.

Erstmals vergeben wurde der Tassilo im Jahr 2000. Inzwischen hat er sich zu einer festen Institution entwickelt. Lang war er auf die Landkreise um München beschränkt, doch 2018 wurde der Preis auch auf das Stadtgebiet ausgedehnt. An den Vergabekriterien änderte das nichts: Der Preis ist nicht für etablierte Künstler gedacht, die schon andere Auszeichnungen erhalten haben, laufend Wettbewerbe gewinnen oder regelmäßig Stipendien erhalten. Chancen auf den Tassilo haben etablierte Künstler nur, wenn sie unabhängig vom Erfolg Dorf, Stadt oder Landkreis verbunden geblieben sind und sich dort trotz vielfältiger, auswärtiger Verpflichtungen engagieren. Mehr am Herzen als die "Etablierten" liegen uns diejenigen Kulturschaffenden, die der Entdeckung und Förderung noch bedürfen. Außerdem wollen wir diejenigen würdigen, die für die kulturelle Vielfalt in Stadt und Region stehen, Menschen, die engagiert "Kultur von unten" machen, sich in Kulturvereinen engagieren, gemeinsam Gebäude sanieren, Ausstellungen oder Konzerte organisieren, kurz das kulturelle Leben in den Gemeinden durch ihr Wirken bereichern.

Seit dem Start im Jahr 2000 sind mittlerweile mehr als 120 Tassilo-Preise vergeben worden, an die 1700 Kandidaten vorgestellt worden. Allein die Zahlen signalisieren, wie vielfältig und reich die Kulturlandschaft in und rund um München ist. Die Entscheidung, wer die Preise erhält, trifft eine mit Fachleuten besetzte Jury.

Vergeben werden drei Hauptpreise (je 2000 Euro), sieben weitere Preise (je 500 Euro) und ein Ehrenpreis für ein Lebenswerk (500 Euro). Gerade um letzteren liefern sich die Jurymitglieder die heftigsten Debatten, denn Kandidaten, die ihn verdient hätten, gibt es mehr als genügend. Erst 2016 eingeführt worden ist der Tassilo-Sozialpreis. Damit unterstützt der SZ-Adventskalender für gute Werke besondere Kultursozialarbeit und -pädagogik mit einem Preisgeld von 1000 Euro. Gewürdigt werden Initiativen, die mit Musik, Kunst, Literatur, aber auch besonderer Sprachvermittlung Integrationsund Inklusionsarbeit leisten; das können Projekte für Behinderte oder lernschwache Kinder sein, aber auch Kulturarbeit an sozialen Brennpunkten sein.

Für die meisten der Ausgezeichneten ist das Preisgeld eher eine angenehme Nebenerscheinung; wichtiger ist der Impuls, den der Tassilo auslöst. Oft macht die Auszeichnung einem Ort erst bewusst, was ihr Kulturverein leistet. Gelegentlich hilft der Preis auch, Türen zu öffnen. "Für uns war nicht das Geld wichtig, sondern das Prestige", berichtete 2016 beispielsweise Aline Pronnet vom Verein Subkultur in Fürstenfeldbruck, der nach der Tassilo-Verleihung in seinem angestammten Domizil, dem alten Schlachthof, bleiben durfte. "Mit dem Preis konnten wir zeigen, welchen kulturellen Wert wir für die Stadt haben, vor allem im Jugendbereich."

Ähnlich formuliert es Sybille Krafft. "Für unsere Arbeitsgruppe Jüdische Spurensuche war der Preis überlebenswichtig, weil er die erste und einzige Anerkennung für uns darstellte", erinnert sie sich. Die Gruppe hatte in Wolfratshausen die Geschichte einer jüdischen Mädchenschule erforscht und eine erfolgreiche Wanderausstellung entwickelt. Dokumentarfilmer Walter Steffen, 2010 ausgezeichnet, fühlte sich als unabhängiger Filmemacher zum Weitermachen ermutigt aus einem ganz einfachen Grund: "In der Jury sitzen selbst Kulturschaffende - da ist es schon eine Anerkennung, von diesen ausgewählt zu werden."

© SZ vom 03.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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