Kultur:Wenn im Bob Beaman das Nachtleben imitiert wird

Kultur: Wenn gedreht wird, muss die Stimmung natürlich ausgelassen wirken.

Wenn gedreht wird, muss die Stimmung natürlich ausgelassen wirken.

(Foto: Stephan Rumpf)

In dem Münchner Club tun 90 Komparsen so, als würden sie ausgelassen feiern - für eine Szene im Spielfilm "Safari". Ein Besuch am Set.

Von Magnus Rust

Das Geschäft läuft für den Club in der Maxvorstadt an diesem Tag miserabel. Es sind zwar mehr als 100 Leute auf der Tanzfläche, das Strobolicht blitzt wie gewohnt durch den Raum, die Kellner und Barkeeper schenken fleißig Drinks aus. Aber niemand bezahlt. Dann rempelt ein Kunde auch noch einen Kellner mit Tablett an, Gläser, Dosen und ein paar Strohhalme kullern auf den Boden. Fünf Minuten später das gleiche Missgeschick. Dann noch einmal.

Der angerempelte Kellner heißt Nabilou Tchedou und ist eigentlich Industriemechaniker. Der Rempler ist Max Mauff und ist Schauspieler. Der Club ist das "Bob Beaman", und die Szene, die sich fünf-, sechsmal wiederholt, ist Teil der Komödie "Safari", einem Spielfilm, der aktuell in München von der Produktionsfirma "Rat Pack" gedreht wird. "Safari" ist eine Dating-Komödie unter der Regie von Rudi Gaul, bei der verschiedene Menschen kurze Flirts und die ganz große Liebe suchen.

Nabilou Tchedou ist kein Schauspieler, aber dennoch fast schon ein Profi. Sein erster Auftritt ist bereits fünf Jahre her, mittlerweile hat er für Film, Fernsehen und Werbung mehr als 25 Komparseneinsätze hinter sich. Am aktuellen Set ist er einer von knapp 90 Komparsen. Für die Clubszene hat die Produktionsfirma junge Leute gebucht, die meisten von ihnen sind Studenten und Abiturienten, viele treten zum ersten Mal als Statist auf. Sie sind sozusagen die lebendige Kulisse eines Films. Ob Passanten, Stadiongänger oder Schulkinder, in einer Filmproduktion werden auch die Menschen in Massenszenen individuell gecastet.

70 Tage im Jahr darf man solch eine kurzfristige Beschäftigung ausüben, pro Stunde gibt es den Mindestlohn von rund neun Euro. Mittlerweile nehme er aber nur noch Anfragen an, bei denen es mehr zu verdienen gibt, sagt Nabilou. Das sind Komparsenrollen mit kleinem Textanteil oder Rollen als Kleindarsteller, bei denen man Text spricht und kleine Handlungen vollzieht. Statt 85 Euro für einen 9,5 Stundendreh, gebe es dann 150 oder 200 Euro.

Aber Geld ist nur eine Motivation, um sich als Komparse zu bewerben - und meist nicht die größte. Gerade Neueinsteiger fasziniert die Filmwelt. Einmal hinter die Kulissen gucken, in einem Film mitspielen. Einmal mit Elyas M'Barek am Set feiern oder neben Regisseur Marcus H. Rosenmüller stehen. Und dann der Kinobesuch, um sich selbst auf der riesigen Leinwand zu sehen, wenn auch nur für eine Sekunde und in der Tiefenunschärfe einer Menschenmenge.

Für viele Menschen fühlt sich das großartig an. So tanzen an diesem Tag auch zwei Münchnerinnen im Club, die erst vor einigen Monaten durch ein Casting für "Fack ju Göthe 3" auf die Komparserie aufmerksam geworden sind, oder zwei Augsburger, die schon bei der Verfilmung der Torwart-Biografie "Trautmann" mitgemacht haben.

Viel Leerlauf und Warten

Komparse sein ist richtige Arbeit, die Tage am Set sind oft lang. "Nach einem Jahr ist gefühlt jeder Zweite weg", sagt Michael Bergemann, Betreuer von "Producer's Friend", einer der größten Komparsen-Agenturen Bayerns. Sie verfügt über eine riesige Personendatenbank und stellt mit dem Team der Filmproduktion vor Drehbeginn die Komparsen zusammen. Am Set übernehmen dann die Regieassistenten deren Anleitung.

Bergemann behält den Überblick, bringt mal einen Motivationsspruch oder schaut, dass nach der Mittagspause um 14.45 Uhr alle wieder zur Location kommen. Wie sich ein Komparse oder Kleindarsteller fühlt, weiß er aus eigener Erfahrung. Er kam vor sechs Jahren zum Film, da war er Mitte Vierzig und sein Haar schon grau meliert, hauptberuflich war er als Vertriebsleiter unterwegs.

Am meisten störe ihn das Klischee, dass man als Komparse fürs Pausemachen bezahlt werde. Viel Zeit bestehe aus Leerlauf und Warten, aber eben nicht aus Pause. Für den Komparsenberuf ist vor allem Flexibilität gefragt. Bei der Garderobe wie auch bei der Arbeitszeit. Deshalb würden viele Studenten, Rentner oder Hausfrauen mit Kindern in diesem Job arbeiten. Auch Taxifahrer gebe es, erzählt Bergemann, die Abwechslung und Geld suchen.

Kultur: Warten auf Anweisungen: Das Komparsenleben kann mitunter ganz schön zäh sein, selbst wenn man auf der Tanzfläche eines Clubs steht.

Warten auf Anweisungen: Das Komparsenleben kann mitunter ganz schön zäh sein, selbst wenn man auf der Tanzfläche eines Clubs steht.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ein paar Tage vor dem Dreh bekommen die möglichen Kandidaten von "Producer's Friend" eine Komparsenanfrage. Bei Interesse meldet man sich zurück, dann folgt eine Bestätigung der Agentur, dass man für den Dreh geeignet ist, mit Terminplan und Kleidungsbeschreibung. Diesmal gefordert: drei Variationen eines "sommerlichen Partyoutfits". Zusätzlich gewünscht waren Klamotten mit Tiermustern, schließlich heißt der Film "Safari", da darf sich das Jagdmotiv auch in der Kleiderauswahl widerspiegeln.

Nach Klamotten- und Make-up-Check gibt die Regieassistentin den Komparsen dann Anweisungen: Du tanzt hier, du stehst an der Bar, ihr seid ein Freundeskreis, der gerade andere Freunde begrüßt. Jarmil Braun wurde ein Platz als Barkeeper zugewiesen; er darf später einer Hauptdarstellerin ein Glas Wodka servieren. Wobei der Wodka Wasser ist, und das Bier auch kein Bier. Am Set herrscht sowohl Fotografie- als auch Alkoholverbot. "Alles auf Anfang!" ist der zweithäufigste Aufruf im Raum, nach "Komparsen, leise sein!".

Schon morgens um halb acht sind die Komparsen an diesem Tag am Club eingetroffen. Dann sollen sie auf Knopfdruck ausgelassen tanzen, das ist gar nicht so einfach. Und bereits in der Mittagspause ist klar, dass sich der Drehtag auf mehr als zehn Stunden ausdehnen wird. Die werden vergütet, ab 22 Uhr gibt es einmalig 15 Euro Zuschlag. Wer unbedingt gehen muss, kann sich abmelden, aber nur mit triftigem Grund und nur, wenn das Fehlen in der Szene filmisch erklärt werden kann.

Um 19 Uhr dämmert es, die Komparsen stehen vor dem Club und haben sich Jacken über ihre leichten Klamotten geworfen. Bald ist auch im echten Leben die Uhrzeit erreicht, um in einen Club zu gehen.

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