Süddeutsche Zeitung

Kultur:Rückendeckung für das "Kafe Marat"

Lokalpolitiker der Ludwigs- und der Isarvorstadt sehen keinen Anlass, dem Kulturverein im Schlachthofviertel das Fördergeld zu streichen. Vorwürfe, die Initiative rufe zu Gewalt auf, seien nicht bewiesen

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Der Verein "Zeit, Schlacht & Raum" genießt im Stadtviertel weiterhin großen Rückhalt. Auf einen Antrag der SPD hin haben die Stadtviertelpolitiker der Ludwigs- und der Isarvorstadt den Stadtrat aufgefordert, den Verein für Kultur im Schlachthof wie bisher weiter zu fördern. Die Verwaltung solle die gegen den Verein erhobenen Vorwürfe, er rufe zu Gewalt auf, objektiv prüfen und bis zu einem etwaigen Beweis nichts an der Förderung ändern. Den Lokalpolitikern sind, wie sie bekunden, keine Aufrufe zu extremistischer Gewalt aus dem "Kafe Marat" oder dem Vermieterverein bekannt. Das Zentrum sei als Bewohnertreff ausgewiesen, das im ehemaligen Tröpferlbad beheimatete Marat sei nur eine der dortigen Initiativen.

Einzig CSU-Fraktionssprecher Florian Florack wollte sich dem Antrag im Bürgergremium nicht anschließen. Hintergrund der anhaltenden Debatten ist eine jüngst erhobene Forderung der CSU-Stadträte Manuel Pretzl und Hans Podiuk, den Verein nicht mehr zu unterstützen. Die Forderung hatten die Politiker mit dem Foto eines Plakats untermauert. Es zeigt ein Polizeiauto, das gerade demoliert wird. Darüber steht: "Hass auf Schweine - Kämpf mit uns". Das Foto soll eine Außenwand am Kulturzentrum Kafe Marat an der Thalkirchner Straße zeigen. Schnell kamen allerdings Zweifel auf, ob der Aufruf in dieser Form mit den derzeitigen Besuchern des Kafe Marat in Verbindung zu bringen sei: Das Bild soll aus einem Film mit rechtsextremen Inhalten stammen, der bereits einige Jahre alt ist. Fest steht: Von diesem Plakat ist gegenwärtig am Schlachthof nichts oder wenig zu sehen. Die CSU spricht dennoch von "kaschierten Resten am Tröpferlbad".

Die CSU-Fraktion im Stadtrat hat zwischenzeitlich nachgelegt: Sie fordert die Stadtverwaltung auf, die Graffiti im Umfeld des Kafe Marat darzustellen und die Kosten der Beseitigung zu schätzen. Diese Graffiti seien oft verfassungsfeindlichen Inhalts, dargestellt seien linksradikale Symbole wie "Hammer und Sichel", deshalb solle das Jugendamt "pädagogische Maßnahmen" ergreifen. Die Schmierereien vermittelten den Eindruck, es drohe Verslumung. Vor diesem Hintergrund empfahl Florian Florack im Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, den SPD-Antrag auf demonstrative Unterstützung des Trägervereins abzulehnen. Die Verwaltung solle sich nicht gemein machen mit Jugendlichen, die verfassungsfeindliche Inhalte verbreiteten, sagte er und verwies auf die Gegendemonstrationen beim G-20-Gipfel in Hamburg, wo Linksextreme und Autonome lärmend durch die Stadt gezogen waren.

Sämtlichen seiner Kollegen missfiel indes das Vorgehen der Stadtrats-CSU, damit wollte sich niemand solidarisieren. Recht und Ordnung seien ja wohl selbstverständlich, sagte Barbara Turczynski-Hartje (SPD). Aber was die CSU im Stadtrat vorbringe, sei "vollkommen unappetitlich". Erst stelle sie Vorwürfe in den Raum, deren Substanz nicht bewiesen sei, jetzt führe man Graffiti an. Es könne sein, dass im Kafe Marat auch "Spinner" unterwegs seien. Das Umfeld an sich könne man aber nicht einfach so heranziehen, sagte Turczynski-Hartje - sonst müsse man jede Burschenschaft schließen, in deren Umfeld Identitäre auftauchten. Der Verein "Zeit, Schlacht & Raum" stelle nur Räume zur Verfügung - etwa der Münchner Frauengruppe, Trommelgruppen, dem Querkafe oder jungen Bands.

An diesem Abend blieb Florack allein mit seiner Forderung. Auch CSU-Fraktionskollegin Sri Fackler bestätigte dem Verein, "wertvolle Arbeit" zu leisten. Er solle sich aber von extremen Spinnern deutlich absetzen, riet sie und schlug vor, dem Verein die Ermittlung der näheren Hintergründe zum Plakat nahezulegen. Die Vorsitzende des Kultur- und Jugendausschusses, Beate Bidjanbeg (SPD), nannte dies unnötig. Der Verein habe bereits eine Stellungnahme abgegeben und bekenne sich voll zu den demokratischen Grundregeln. "Den Nachweis müssen die zwei beantragenden Stadträte erbringen."

Für die Fraktion Grüne/Rosa Liste stellte Martin Scheuring fest, dass die CSU mit ihrem Antrag die übliche demokratische Diskussion hinter sich lasse. Sie stelle Vorwürfe ohne Beweis in den Raum, verlange pädagogische Maßnahmen, spreche von Ansätzen von Verslumung und denunziere so das Viertel - damit, sagte Martin Scheuring, biedere sie sich letztlich der AfD an.

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SZ vom 16.10.2017
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