Süddeutsche Zeitung

Kultur in der Corona-Krise:Dissonante Harmonie

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Es hat hässliche Dissonanzen gegeben in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in den vergangenen Wochen. Bei der Öffentlichen Jahresversammlung scheinen diese nun beigelegt - sieben Austritte unter Protest später.

Von Eva-Elisabeth Fischer und Susanne Hermanski, München

Sieben Mitglieder haben die Bayerische Akademie der Schönen Künste verlassen, nachdem deren Präsident Winfried Nerdinger den Umgang der Politik mit der Kultur in Corona-Zeiten Anfang Mai in einem SZ-Interview scharf kritisiert hat: Die sechs Schriftstellerinnen und Schriftsteller Dagmar Leupold, Friedrich Ani, Jonas Lüscher, Norbert Niemann, Albert Ostermaier und Georg M. Oswald traten aus Protest gegen Nerdingers Positionen und Vorgehen aus, der Maler Georg Baselitz wiederum nahm seinen Hut im Widerwillen gegen die Literaten und 14 weitere Verfasser eines offenen Briefs gegen Nerdinger. Deren Verhalten sei ihm "widerlich", sagte Baselitz. Er verstehe es als Denunziation und wolle "nicht weiterhin unter einem Dach mit diesen Höflingen sitzen".

Innerhalb der Akademie gab es zudem eine Reihe anderer Briefe von Nerdinger-Unterstützern, die dessen Gegnern Illoyalität und mangelnde Solidarität vorwarfen. Einzelne Mitglieder forderten öffentlich aber auch mehr Auseinandersetzung mit den hierarchischen Strukturen der Akademie, mit deren Überalterung und ungleichgewichtiger Geschlechterverteilung. Als "oberste Pflegestelle der Kunst" obliegt ihr seit 1948 im Freistaat der Auftrag, den Kunstminister zu beraten, "einen Beitrag zur geistigen Auseinandersetzung zwischen den Künsten zu leisten und für die Würde der Kunst einzutreten". Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. Die Akademie veranstaltet Podiumsdiskussionen, Vortragsabende und zeigt Ausstellungen. Zu ihren Usancen gehört die "Öffentliche Jahressitzung".

Bei der diesjährigen am Donnerstagabend wurde nun nichts von diesen besagten Konflikten unter den Tisch gekehrt. Aber Präsident Winfried Nerdinger hielt es dabei wie der Komponist Walter Zimmermann in seiner Musik, den man just als neues Akademie-Mitglied benannte: noch in den Dissonanzen harmonisch. Also ging man über zum Business as usual. Eingeblendet wurde eine Videobotschaft von Kunstminister Bernd Sibler. Begrüßt wurde Marianne Koch in der ersten Reihe, agile Witwe des Lyrikers, Schriftstellers, Literaturkritikers Peter Hamm. Geehrt wurde der im Juli 2019 Gestorbene von der Akademie mit einer Reihe seiner filmischen Porträts. Die Akademie wird ihrerseits mit einer Schenkung bedacht: Hamms Bibliothek samt Ausstattung.

Herlinde Koelbl aufgenommen

Wenig mehr als 40 auf Abstand platzierte Akademiemitglieder erhoben sich im Gedenken an die Toten in den eigenen Reihen - eine erkleckliche Litanei. Begrüßt wurden die neuen Mitglieder der Akademie, die meisten von ihnen in Abwesenheit. Eine der vier physisch Präsenten, die ihre Urkunden live empfingen: die Fotografin Herlinde Koelbl, unverkennbar auch von hinten dank ihrer keck orangerot leuchtenden Tolle. Ihre "Jüdischen Portraits" waren jüngst in der Akademie ausgestellt.

Die 45-minütige Festrede hielt in diesem Jahr Heribert Prantl, den Nerdinger als "das journalistische Gewissen der Nation" annoncierte. Walter Zimmermanns Violin-Solo "Die Sorge geht über den Fluss", eine 20-minütige "Übung in Geduld", wurde zum Abschluss von Susanne Zapf mit Verve dargeboten. Sie beschloss den Abend als musikalisch bewegter Spiegel der Prantl-Rede zu den Folgen des, wie er es nennt, weiterhin unentrinnbaren "Damokles-Virus".

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