Film
Die Digitalisierung hat ihre Vorteile. Alles ist schneller, simpler und via Handy zu erreichen. Dass das Haptische trotzdem seinen Charme nicht verliert, wissen Sarah Ellersdorfer und Carlotta Wachotsch auch. Die Münchner Spielfilmregiestudentinnen sind in ihren Zwanzigern und Gründerinnen der Filmzeitschrift Revü. Alles begann als Filmclub. Treffpunkt war die Hochschule für Film und Fernsehen. Ein- bis zweimal die Woche wurden dort Filme gezeigt und es wurde diskutiert. Pandemiebedingt, nahm der Club im April 2020 die Gestalt eines Magazins an. Die erste Auflage, finanziert aus eigener Tasche, wurde mit einer vierköpfigen Redaktion produziert. Mittlerweile besteht das Revü-Team aus zehn jungen Leuten, darunter Filmstudenten, Kritiker und Schriftsteller - alle mit großer Affinität zum Film. Hauptsächlich Essays füllen die Revü. "In Essays haben wir den großen Vorteil gesehen, nicht nur filmwissenschaftlich oder rein journalistisch schreiben zu müssen, sondern eher aus einer persönlichen Perspektive über Gedanken und Gefühle schreiben zu können, die man durch einen Film hatte", so Ellersdorfer.
Die Texte werden gesammelt, gelesen und ausgewertet, bis sie die neue Revü ergeben. "Wir bekommen auch Einsendungen von Leuten, die wir nicht kennen, die Essays über Filme schicken, die sie sehr berührt haben", sagt die Gründerin. Die behandelten Werke sind vielfältig. Über Blockbuster bis hin zu lokalen Filmchen. Seit neustem gehören auch Interviews zum Inhalt. Wie etwa das mit dem kanadischen Filmemacher Bruce LaBruce, der das Filmfest in München besuchte. Apropos Veranstaltungen - die sind auch schon geplant, wie etwa Panels oder Filmreihen in Kinos und anderen Kulturinstitutionen. Auf der Webseite der Nachwuchsredaktion, sowie in Buchhandlungen, Münchner Kinos wie dem Theatiner oder dem Neuen Maxim, kann man die Revü erhalten.
Bildende Kunst
Ebenfalls jung in die Kunstszene integriert wurden Lena und Chris Naumann. Das Paar gründete vor 15 Jahren ein Magazin, dass nicht nur über altbekannte Künstler wie etwa Gerhard Richter berichten wollte. Es solle ein Heft für jeden sein. Der Satz "die Welt der Kunst umfasst so viel mehr, als immer nur Lüpertz, Baselitz oder Koons", der in einem Meeting von Lena Naumann fiel, verlieh dem Magazin dann auch seinen Titel: Mundus (lat. Welt) "Wir wollen die Welt der Kunst in einer großen Bandbreite zeigen", so Lena Naumann, Chefredakteurin des Münchner Kunstmagazins. Abseits des Mainstreams stellt Mundus Künstlerinnen und Künstler vor, die qualitativ mit den Großen mithalten können. Darunter auch Mario Dilitz, Aurelia Waßer oder Giorgio Avanti, die durch die Münchner Kunstzeitschrift, Stimme und Gehör bekommen haben und nun mit Ausstellungen und Anerkennung auf dem Kunstmarkt rechnen können. Dreimal jährlich erscheint eine Ausgabe, in der die Redaktion neben kunsthistorischem und -psychologischem Wissen, auch über sehenswerte Ausstellungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz berichtet.
Literatur
Gegen den Strom stellt sich auch das Literaturmagazin Krachkultur. "Hauptsache auf irgendeine Art und Weise schräg", sagt Gründer und Herausgeber Martin Brinkmann, der mit 17 Jahren, zusammen mit Fabian Reimann "wahrscheinlich aus einer Bierlaune heraus" die Krachkultur ins Leben rief. Aus zusammengetragenen Zetteln mit Kurzgeschichten, Buch- und Musikbesprechungen formte sich das Magazin der literarischen Unterhaltung. Zu den Autorinnen und Autoren gehören jene, die heute als Bestseller gefeiert werden. So auch der deutsch-bosnische Träger des Preises der Leipziger Buchmesse und des Deutschen Buchpreises Saša Stanišić, dessen erster veröffentlichter Text auf den Seiten der neunten Ausgabe der Krachkultur zu lesen ist. Einmal im Jahr veröffentlicht Martin Brinkmann zusammen mit dem Münchner Herausgeber Alexander Behrmann. Immer mit einem Schwerpunktthema, das zwischen persönlichem Interesse und gesellschaftlicher Relevanz liegt. Die aktuelle Ausgabe beschäftigt sich mit dem Thema Arbeit. Es geht unter anderem um Marxismus im Home-Office, das feierabendlose Squid-Game-Land und die Schwierigkeiten als türkischer Migrantennachfahre in der deutschen Arbeitswelt. Natürlich alles in provokantem Stil. "Die inhaltliche Ausrichtung ist vom Titel ,Krachkultur' geprägt. Mal richtig einen auf die Glocke hauen, überraschend sein. Heißt aber nicht, dass wir immer laut sind, es kann auch mal still sein - überraschend still", so Brinkmann.
Ebenfalls mit Literatur beschäftigt sich die vom Institut für Bayerische Literatur gegründete Zeitschrift Literatur in Bayern. Dietz-Rüdiger Moser, langjähriger Lehrstuhlinhaber für bayerische Literatur und Kulturgeschichte an der LMU, hielt nach der Wiedereinstellung des Instituts die Zeitschrift über Wasser - und das erfolgreich. Heute erscheint sie viermal im Jahr unter dem Herausgeber Gerd Holzheimer. Das aktuellste Heft trägt den Titel "Welt anschauen" und beschäftigt sich literarisch, bildlich und historisch mit dem schmalen Grad zwischen Schrecklichem und Beispielhaftem.
Musik
Anders als die Literatur in Bayern wurde das Musikmagazin Jazzpodium nicht in Bayern gegründet, zog aber vor drei Jahren von Stuttgart nach Bernried am Starnberger See. Die bayerische Luft und der neue Herausgeber Adam Olschewski taten dem Magazin gut, das die Jahre zuvor ums Überleben kämpfte. Olschewski sitzt nun seit 2018 im Jazzpodium-Chefsessel und stellt sich als Retter der vor 70 Jahren gegründeten Zeitschrift heraus. Bis auf den 70er-Jahre-Schriftzug des Titels, bekam das Heft inhaltlich und äußerlich ein Makeover. Zu den Autorinnen und Autoren zählen Musikjournalisten, talentierte Schreiber die für Jazz schwärmen und Musiker, die unter anderem die Platten des Monats, Interviews und eine umfangreiche Liste der bevorstehenden Konzerte und Festival präsentieren. "Man muss ein neugieriger Mensch sein, Musik mögen und für Musik offen sein", so Adam Olschewski, der Jazzpodium zugänglich für jeden Leser machen will. Achtmal im Jahr erscheint die Zeitschrift, die es auf der Webseite, an Bahnhöfen und im Fachbuchhandel gibt.
Im selben Genre gibt es die 1976 von Jazzfan und -Veranstalter Josef Dachsel gegründete Fachzeitschrift Jazzzeitung. In München gegründet, bezog sich der Inhalt auch erstmal nur auf die Münchner Jazzszene. 1998 übernahm der ConBrio Verlag die Zeitung und bot dann einen bayerischen Jazz-Schwerpunk an. Durch den jetzigen Chefredakteur Andreas Kolb und die Redaktionsleitung Ursula Gaisa verabschiedete sich die Jazzzeitung 2017 vom Print und ging online. "Wir haben Berichte, Rezessionen, Portraits, Interviews und Nachrichten übernommen - alles wie bei der Printausgabe. Das Angebot ist aber größer und aktueller geworden", so Kolb.
Bayerische Kultur
Langsam wird klar, dass Bayern ganz viel Kultur zu bieten hat. Zwischen Kunst und Literatur hat der Freistaat aber auch seine ganz eigene, bayerische Kultur. Und die sieht man am besten in der Muh. Die Idee zum Heft kam 2009. Das Gründerteam: Josef Winkler, Nicole Kling und La Brass Banda-Musiker Stefan Dettl. Es entstand ein Magazin "für bayerisches Wesen und Unwesen, bayerische Kulturen und Unkulturen, Gemütlichkeit und Ungemütlichkeiten", so steht es auf der Webseite und fasst das Heft für bayerische Aspekte ganz gut zusammen. "Wir waren ganz verblüfft, dass es so was noch nicht auf dem Markt gab", so Nicole Kling, "klar gab es Landliebe, Landlust und so weiter, aber gar nichts in dem Stil der Muh." Denn auch wenn das Magazin mit "Griasgod" und "Servus" den Leser begrüßt, geht es nicht nur um Dirndl und Lederhosen. Die aktuellste und mittlerweile 43. Ausgabe der Muh erinnert zum 100. Geburtstag an den Münchner Volksschauspieler Gustl Bayrhammer, diskutiert aber auch die Auswirkungen auf Bayern, falls - oder besser gesagt - wenn die Legalisierung von Cannabis kommt. Seit 2011 erscheint die Muh alle drei Monate - zu erwerben bei Pressefachhändlern, in Buchläden, Supermärkten, Tankstellen, Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen und natürlich als Abo auf der Webseite.
Münchner Punk
Ein weiteres Heft mit ganz viel Münchner Charme wurde vor ungefähr 13 Jahren von den Schwabinger Zwillingsschwestern Susy und Yvonne Klos gegründet: "Die Idee zum Heft war eigentlich sehr witzig und sehr einfach", sagt Susy Klos, "wir wollten ein krasses, satirisches Punkmagazin, dass auch auf Frauen ausgelegt ist". Man streiche die ersten zwei Buchstaben von Brigitte und schon hat man den Titel des Punkmagazines: Igitte. Die Schwestern sind ausgebildete Grafikdesignerinnen. "Das ist aber schon lange her", sagt Susy Klos. Die Igitte ist mehr Poesie als Prosa und behandelt in ihrem Heft neben künstlerischen auch politische Themen. So ist auch Corona gerade oft Gesprächsstoff. Das Cover der aktuellen Ausgabe hat sich dem Thema gewidmet und eine "nette Impfwerbung" abgebildet - ausnahmsweise nicht satirisch, sondern ernst gemeint. Neben Konzerten, die sie geben, Platten, die sie veröffentlichen, und Workshops, die sie veranstalten, stemmen die Schwestern die Igitte meistens selbst. Angeboten wird sie vor allem über ihre Facebook-Seite. Ein echtes Münchner Power-Duo eben.