Kultur in der Krise:Platz für mehr

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Münchens Spitzenorchester bitten Söder in einem gemeinsamen Brief darum, endlich die Zahl der erlaubten Zuschauer an die jeweilige Raumgröße anzupassen

Von Susanne Hermanski und Egbert Tholl

Die größten Münchner Orchester, die Philharmoniker und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, wenden sich in gemeinsamer Erklärung an den Ministerpräsidenten. Darin bitten sie Markus Söder, die pauschale Deckelung der Zuschauerzahl für Kulturveranstaltungen aufzuheben und an die Größe des jeweiligen Veranstaltungsortes anzupassen. Dass sich das dritte Münchner Orchester von Weltrang - das Staatsorchester, der Klangkörper der Bayerischen Staatsoper - der Forderung anschließt, war geplant. Nach mehrstündiger Diskussion fand sich dann aber doch keine mutige Mehrheit unter den freistaatsangestellten Musikern. Das Schreiben fällt mitten in die bundesweite politische Diskussion um neuerlich verschärfte Restriktionen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Am Mittwoch veröffentlichten der Deutsche Bühnenverein, die Orchestervereinigung, die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger, die Konzerthauskonferenz und die GMD-Konferenz, also die der Generalmusikdirektoren ebenfalls eine gemeinsame Erklärung. Darin forderten sie "mehr Augenmaß bei der Zulassung von Publikum in geschlossenen Räumen unter Covid-19-Bedingungen. Sorgfältig erarbeitete Hygienekonzepte lassen häufig mehr Publikum zu, als es die starren Sitzplatzbeschränkungen vielerorts vorschreiben", heißt es darin. Es sei schwer zu vermitteln, "dass in einem Konzerthaus in NRW zum Beispiel 1000 Plätze belegt werden dürfen, während in Bayern die Theater und Konzertsäle - unabhängig von der Platzkapazität - nur maximal 200 Besucher einlassen dürfen und in Baden-Württemberg bis maximal 500 Besuchern Einlass gewährt wird". Weiterhin führte Marc Grandmontagne, Direktor des Deutschen Bühnenvereins aus, dass die Einhaltung der hygienischen Bedingungen einen hohen Sicherheitsstandard gewährleiste - verglichen mit anderen Bereichen wie Öffentlicher Verkehr, Handel, Gastronomie.

Teile der Bayerischen Landtagsopposition stemmen sich schon seit Wochen gegen die 200-Personen-Regel. Allen voran Ex-Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP), der schon Bilder aus gespenstisch dünn besetzten Konzerthäusern gepostet hat. Die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Sanne Kurz, bezeichnet die pauschale Deckelung als "unsinnig", die Kriterien der Entscheidung dafür als "intransparent".

Sie stellte bereits im Juni erfolglos einen Dringlichkeitsantrag, diese aufzuheben. In der Zwischenzeit haben Festivals in Salzburg und auch Bregenz gezeigt, dass man auch 1000 Menschen in einer Aufführung zulassen kann, wenn Hygienekonzepte befolgt werden. Das Konzept der Salzburger Festspiele adaptiert bereits die Bayerische Staatsoper. Dort wird das Personal intensiv getestet, man ist an dem Münchner Haus inzwischen im vierstelligen Bereich der Anzahl durchgeführter Tests angekommen. Alle bislang negativ. Die Gefahr durch Corona wird von keinem der unterzeichnenden Orchester geleugnet. Und übrigens auch nicht durch die "Freunde des Nationaltheaters", die an Söder mit demselben Anliegen bereits im Juli geschrieben haben "und nicht einmal eine Eingangsbestätigung aus dem Büro des Ministerpräsidenten erhielten", wie deren Vorsitzender Siegfried Kneissl sagt. Trotzdem ist den Kritikern der Regelung im Sinne einer Verhältnismäßigkeit nicht vermittelbar, weshalb der Zuschauer zwar in einer überfüllten U-Bahn zu einem Konzert fahren kann, dort aber nur ein Bruchteil der Reisenden einer einzigen U-Bahn eingelassen werden darf.

Auch in der Argumentation der Bundes- regierung, die angesichts steigender Infektionszahlen wieder Verschärfungen fordert, spielten Ansteckungen, die sich die Bevölkerung bei Kulturveranstaltungen zugezogen hätte, nie eine Rolle. Quellen macht sie vielmehr unter Heimkehrern aus Risikogebieten und jugendlichem Partyvolk aus, das dicht an dicht feiere. Die beiden größten Hochkulturorte Münchens, das Nationaltheater und die Philharmonie im Gasteig, verfügen aber über außerordentlich viel Platz und zudem über zahlreiche Eingänge, über die sich Besucherströme locker kanalisieren lassen.

© SZ vom 28.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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