Kultur im Netz:Sofa statt Kinosessel

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In "Im Imaginären Museum - Studien zu Monet" gleicht Klaus Wyborny die Kunst des Impressionisten mit der Wirklichkeit ab. (Foto: typee film)

Das Münchner Filmmuseum bietet nun auch ein kostenloses Online-Programm an

Von Josef Grübl, München

Was es dieser Tage nicht alles zu sehen gäbe: Das Œuvre des Hollywoodregisseurs King Vidor etwa oder die famosen Filme des Italieners Vittorio De Sica. Auch Kubricks Meisterwerk "A Clockwork Orange" stünde in den kommenden Tagen auf dem Spielplan - doch keiner dieser Filme wird aufgeführt: So wie alle Kinos der Republik hat auch das Filmmuseum am Münchner St.-Jakobs-Platz geschlossen.

Um trotzdem etwas bieten zu können, gibt es ein Online-Filmangebot. In den kommenden Wochen darf man in einer Art virtuellem Kinosaal Platz nehmen, der Eintritt ist frei, es gibt sogar einen Opener mit Programm-Gong. Um die Streaming-Offerte wahrzunehmen, reicht es, sich für den kostenlosen Newsletter des Filmmuseums anzumelden. Täglich kommt Programm hinzu, das dann jeweils drei Tage lang online zu sehen ist. Im Mittelpunkt steht das Werk des Hamburger Avantgardefilmers Klaus Wyborny, der im Juni 75 Jahre alt wird: In den Sechzigerjahren drehte er seine ersten Filme, zunächst in der "Hamburger Filmmacher Cooperative", der unter anderem Werner Nekes, Hellmuth Costard und Thomas Struck angehörten.

Wyborny war mehrmals zu Gast bei der Documenta und im Internationalen Forum des Jungen Films in Berlin. Er drehte mit Hanns Zischler, Heinz Emigholz oder Tilda Swinton, in Metropolen wie Hamburg oder New York ebenso wie in Afrika oder der Inselwelt der Südsee - dazwischen schnitt er oft Aufnahmen von Industrielandschaften. Raum und Zeit bleiben in seinem Werk austauschbar, es geht ihm nicht um konkrete Abenteuer, sondern um abstrakte Bewegungen. Im Gespräch mit seinem Regiekollegen Jonas Mekas, der schon in den Siebzigerjahren die Spontaneität in Klaus Wybornys Werk lobte, sagte dieser: "Das kommt daher, dass ich Mathematiker bin. Ich habe theoretische Physik studiert, sechs Jahre lang."

Das Filmmuseum stellt nicht nur Wybornys Filme online, sondern auch Aufzeichnungen von Vorträgen oder Vorlesungen. Daneben gibt es noch einen zweiten Programmschwerpunkt: An den Wochenenden präsentiert man Restaurierungen aus dem eigenen Haus; das Münchner Filmmuseum gilt ja als eine der führenden Institutionen bei der Bewahrung und Wiederherstellung von Stummfilmen. So steht in den kommenden Tagen ein 100 Jahre alter Science-Fiction-Stummfilm auf dem Programm: "Algol" entstand 1920 unter der Regie von Hans Werckmeister, für die Hauptrolle konnte der spätere Oscar-Preisträger Emil Jannings gewonnen werden. Es geht um einen Bergbauarbeiter, um Außerirdische und die Frage, ob sich erneuerbare Energien gegen konventionelle Brennstoffe durchsetzen können - was ja selbst ein Jahrhundert später noch Relevanz hat.

Wie lange dieses Online-Angebot geht, hängt davon ab, wann die Kinos wieder öffnen dürfen. Angesprochen auf das ausgefallene reguläre Kinoprogramm sagt die stellvertretende Filmmuseum-Leiterin Claudia Engelhardt, man hoffe, es zu einem späteren Zeitpunkt nachholen zu können.

Online Retrospektive Klaus Wyborny & Restaurierungen des Filmmuseums , Anmeldung unter: www.muenchner-stadtmuseum.de/sammlungen/ filmmuseum

© SZ vom 17.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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