Kultfabrik I:Katerstimmung vor der Party

Lesezeit: 3 min

Liegt's an der Hitze? Ist Münchens Party-Volk zu wählerisch? Die Kultfabrik liegt fast ein halbes Jahr nach ihrer Eröffnung hinter den Erwartungen zurück.

Von Jochen Temsch

(SZ vom 18.9.2003)— Neue Clubs sind eingezogen auf dem Areal des ehemaligen Kunstparks Ost - die Unbeschwertheit ist draußen geblieben. Wirte beklagen, dass seit der Eröffnung der Kultfabrik im April dieses Jahres weniger Besucher in die inzwischen 18 Lokale gekommen sind als erwartet.

Münchens Kultfabrik: nach eigenen Angaben "Europas grösste Partymeile". (Foto: Foto: dpa)

Als "katastrophal" bezeichnen die Geschäftsführer des Vergnügungsgeländes, René Opitz und Ani-Ruth Lugani von der Firma Narotec, den Sommer. Auch die Clubs der benachbarten Optimolwerke hatten in letzter Zeit um die Publikumsgunst zu kämpfen. Der Herbst, die heutige Eröffnung der Großdiskothek MGM und die geplante Wiedereröffnung der ehemaligen Konzerthalle Colosseum sollen die Kultfabrik in Schwung bringen.

Nur noch halb so viele Gäste

Die Geschäftsführer der Kultfabrik nennen die Sommerhitze, die ausbaubedingte Sperrung der S-Bahn-Stammstrecke, die allgemein zurückgegangene Konsumbereitschaft und die Anlaufphase als Gründe für den mäßigen Besucherandrang. Sie beziffern die Zahl ihrer Gäste dennoch mit 10.000 pro Wochenende - was sie bei den widrigen Umständen "zufrieden stellend" finden. Im Kunstpark feierten mehr als doppelt so viele.

Schuld am Besucherschwund sei auch die Verkleinerung der Gastro-Fläche um ein Drittel, sagen Opitz und Lugani. Diese Beschneidung war eine Lärmschutz-Auflage für die Kultfabrik, nachdem Wolfgang Nöth Anfang des Jahres den Kunstpark Ost schloss, um mit einer Hand voll ausgewählter Clubs auf das kleine, benachbarte Optimolgelände zu ziehen.

Kultfabrik und Optimolwerke sind seitdem in einer eigenwilligen Symbiose verbunden: Die Bosse schimpfen gerne übereinander, von florierenden Geländen und reibungslosen Besucherströmen profitieren jedoch alle. Die Betreiber der Clubs - also die Mieter auf den jeweiligen Arealen - haben den Erfolg bitter nötig: Sie sitzen auf hohen Umzugs- und Renovierungskosten, die sie endlich hereinholen müssen. Lugani und Opitz sagen: "Die Clubs der Kultfabrik sind nicht schlechter dran als andere Gastronomiebetriebe zurzeit." Auch Nöth räumt ein: "Wir alle haben zu kämpfen."

4000 Euro Miete für eine Imbissbude?

Anonym erzählen manche Kultfabrik-Wirte, dass sie ihre Mieten kaum oder gar nicht mehr bezahlen können, was auch daran liege, dass sie zu hoch seien. Es kursieren Summen allein für eine Imbissbude zwischen 2500 und 4000 Euro.

Einige zufriedene Wirte auf dem Kultfabrik-Gelände - etwa Romy, dem das Black Raven und die Garage Deluxe gehören, und Taoufik Lyagoubi vom Rafael - nennen die Mieten jedoch sogar günstiger als zu Kunstpark-Zeiten. Opitz und Lugani reden nicht gerne über konkrete Summen. Ihre Mieten halten sie für angepasst. "Kein Wirt hat bislang aufgehört. Warum wohl?", sagt Opitz.

Zu den Widrigkeiten kommt hinzu, dass das Angebot an Ausgehmöglichkeiten in der Innenstadt in jüngster Zeit stark angewachsen ist. Die Münchner Nachtschwärmer, die schon den Kunstpark Ost als kommerziellen Massen-Veranstaltungsort skeptisch sahen, sind nach Ansicht der Club-Betreiber noch wählerischer geworden. Deshalb seien Inhalte wichtiger denn je: "Es gibt nicht den ziellos herumschlendernden Kultfabrik-Besucher, auch nicht den Optimolwerke-Besucher. Es gibt den Gast des einzelnen Clubs auf dem jeweiligen Gelände", sagt Florian Faltenbacher, der hüben wie drüben gut laufende Lokale führt. "Wer ein gutes Konzept hat, ist auch erfolgreich", sagt er.

Andere Wirte kritisieren weitere hausgemachte Probleme wie angeblich mangelndes Know-How der Kultfabrik-Macher. Tatsächlich haben die Geschäftsleute sich zum Beispiel das Team des international bekannten Clubs Ultraschall von Nöth abwerben lassen. Lugani und Opitz wollen sich jedoch sowieso nicht mit der jahrzehntelangen Erfahrung des "Hallenmoguls" Nöth messen. Lugani sagt: "Die einzelnen Wirte machen die Kultfabrik, wir sind nur Vermieter."

"Sauberer Spaß" für "älteres Publikum"

Zum Start versprachen die Geschäftsführer einen "sauberen" Spaß für ein "gehobeneres, älteres Publikum" - was sich offenbar noch nicht groß eingefunden hat. Lugani und Opitz sagen, die endgültige Mischung des Publikums ergebe sich erst, wenn die ursprüngliche Kultfabrik-Planung umgesetzt werden könne.

Dazu gehört die Disko MGM, die am heutigen Donnerstag eröffnet wird. Insgesamt 3500 Quadratmeter Fläche sollen ein breites Spektrum an Gästen anlocken. Das MGM ist im ehemaligen Babylon untergebracht, das neben der Konzerthalle Colosseum der größte Besuchermagnet des Kunstparks war. Auch die Konzerthalle wollen Opitz und Lugani bald wieder eröffnen, wenn die Behörden Ja sagen - in der Hoffnung, dass die Partylaune dann ein wirkliches Zuhause bekommt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: