Süddeutsche Zeitung

Kulinarisches auf dem Einheitsfest:Deutschland, einig Bratwurstland

Wie lernt man die Regionen am schnellsten kennen? Durch den Magen. Doch Achtung, Fischsemmel ist nicht gleich Fischsemmel. Und auch ein Bier aus dem hohen Norden kann dem bayerischen Gerstensaft ernsthaft Konkurrenz machen. Ein kulinarischer Rundgang.

Philipp Crone

Ein Backfischbrötchen ist ja kein Backfischbrötchen, so geht es schon mal los. Abgesehen davon, dass es, das Brötchen, egal ob aus Bremen oder Mecklenburg-Vorpommern stammend, auf der Ludwigstraße in München ohnehin Backfischsemmel heißen müsste, sind da meilenweite Unterschiede, wenn man den Verkäufern auf der Länder- respektive Essmeile glaubt. Schon die Form. Der Backfisch aus Bremen ist eher rund, der aus Meck-Pomm länglich, "sonst ist das natürlich schon dasselbe", sagt eine Verkäuferin am Stand, doch da fällt ihr schon der Kollege in der blauen Schürze ins Wort: "Nein! Die Panade macht den Unterschied, die ist ein großes Geheimnis."

Hier geht es offenbar um mehr als nur ein paar Stände mit kulinarischen Spezialitäten, hier geht es auch um sehr viel bundesländischen Stolz. Es ist hingegen kein Geheimnis, dass Essen verbindet. Und wenn man sich die Ländermeile am sonnig lauen Dienstagnachmittag so ansieht, ist auch klar: Diese Weisheit kennt offenbar jedes Bundesland. Und so bietet alle paar Meter eine neue Region die eigenen Köstlichkeiten feil, wobei durchaus manche deutsche Konstante offensichtlich wird.

Bremen liegt an der Ecke Von-der-Tann-Straße und Ludwigstraße, hier ist Hochbetrieb. Und so manch einer lernt beim Bummel auch gleich, wo die großen Marken nun wirklich liegen, "Sie wussten nicht, dass Jakobs-Kaffee aus Bremen kommt?", fragt ein Bremer Mitarbeiter. Wusste die Passantin nicht, aber der Schümli, "eine Art Kaffee Creme", schmeckt hier wie überall, ob Jakobs oder Tchibo. "Lecker", sagt die Dame. Am Bratwurststand von Meck-Pomm sitzt eine Familie aus Bremen, die dampfenden Rauchwurstsemmeln vor sich. In einem schwarzen Riesenofen, der dem Kessel einer Dampflok ähnelt, werden hier die Würste zubereitet, und es duftet, dass zwei Polizisten, die vorbeischlendern, gleichzeitig ein entzücktes "Ooohh" von sich geben, dabei haben sie gerade erst gegessen.

Bratwurst, das war klar, ist allgegenwärtig, sie wird auf dieser Meile in sämtlichen Variationen angeboten, variabel in Zubehör, Länge und Zubereitungsart. Dazu, natürlich, Bier. Und da wird es in München schwierig. Ein stattlicher Herr eines Fischstandes erklärt, dass es auch außerhalb Bayerns gutes Bier gibt. Er sagt das mit einer Schärfe, als ob er damit prophylaktisch jegliche vermutete Bier-Arroganz in der Stadt aus dem Weg räumen könnte. "Das Kellerbier von Störtebeker ist 2012 Weltmeister geworden", raunt er und schaut erwartungsfroh. Umsonst gibt es das natürlich trotzdem nicht. "Gratis? Quatsch, der Staat braucht doch Geld", sagt der Mann dann noch und ist ob seines gelungenen Witzes wieder versöhnt. "Leggalegga Störtebegga" düdelt der Bierverkäufer nebenan, und in der Tat, das Schwarzbier ist wunderbar süßlich süffig.

Warum so viel Kulinarik? "Das weckt Urlaubserinnerungen", sagt ein Mann, "und über das Essen kommt man ins Gespräch, das ist so ein universelles Thema wie Fußball." Er stammt aus Rostock und möchte deshalb lieber über die dortige Wurstspezialität sprechen.

Der Apfelkuchen aus Brandenburg ist "hervorragend", murmelt ein Münchner ein paar Meter weiter mampfend, während im Berlin-Zelt die Boulette kaum nachgefragt wird. Ganz im Gegensatz zur Thüringer Rostbratwurst, die wiederum ihre Kollegin, die Bratwurst aus Rheinland-Pfalz, lässig aussticht in Sachen Würze und Bissfestigkeit. Ein Herr am Stehtisch probiert den Elsässer Flammkuchen. Auftakt zur kulinarischen Länderreise? "Naa, da kannst dich ja nicht durchfressen", so viel sei das. "Und überall hat's Bratwurst." Na, immerhin ist das ja auch eine deutsche Ländermeile. Und dazu eine gelungene, solange die Länder bei ihren Leisten respektive eigenen Spezialitäten bleiben.

Einzig missratenes Angebot: Der Wiesn-Burger aus Bremen, mit süßem Senf, Krautsalat und Fischfrikadelle. Die schmeckt so anbiedernd fad. Dann doch lieber ein Backfisch-Baguette, mit welcher Panade auch immer.

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Quelle:
SZ vom 04.10.2012/wib
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