Künstliche Intelligenz:Woran Wissenschaftler und Ingenieure in München forschen

Künstliche Intelligenz: Der Roboter "Audeer" erkennt Emotionen und lässt sich von Dagmar Schuller über Sprache steuern.

Der Roboter "Audeer" erkennt Emotionen und lässt sich von Dagmar Schuller über Sprache steuern.

(Foto: Arlet Ulfers)

In kaum einer anderen deutschen Stadt beschäftigen sich so viele Experten mit künstlicher Intelligenz wie in München. Vier Beispiele.

Von Linus Freymark und Pia Ratzesberger

Autonom fahren ohne Unfälle

Die "Menge aller Möglichkeiten" ist für die Arbeit von Matthias Althoff essenziell. Ist sie Sekunden im Voraus berechnet, können Gefahren ausgeschlossen werden - und Unfälle autonom fahrender Fahrzeuge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden werden. Althoff hat in München Maschinenbau studiert und in Elektrotechnik promoviert. Seit 2013 ist er Juniorprofessor für Informatik an der Technischen Universität München (TU) und arbeitet an einem Verfahren, das autonomes Fahren sicher machen soll - und zwar zu 100 Prozent, wenn man ein winziges Restrisiko vernachlässigt.

Ist ein selbständig fahrendes Fahrzeug in Bewegung, berechnet Althoffs System jene Menge aller Möglichkeiten an Situationen, die Sekundenbruchteile später eintreten können. Ein bremsender Vordermann, ein plötzlich kreuzender Radfahrer, ein von hinten anrasendes Motorrad. Die Varianten, in denen sich Gefahren im Straßenverkehr auftun können, sind unendlich. Trotzdem meint Althoff, dass sein spezielles Verfahren alle möglichen Situationen berücksichtigt, in denen autonom fahrende Fahrzeuge einen Unfall verursachen könnten - zumindest wenn seine Annahmen passen, etwa, dass ein Mensch beim Gehen nicht auf 40 Stundenkilometer beschleunigt. "Das Verfahren ist beweissicher", sagt er selbstbewusst. Bis erste Autos damit ausgestattet werden können, dauert es aber noch ein paar Jahre.

Geräusche für die virtuelle Realität

Wenn man morgens am Gleis steht, soll man das Quietschen der Züge nicht mehr hören und wenn man abends in der Bar sitzt, auch das Gespräch vom Tisch nebenan nicht mehr - vorausgesetzt man will es nicht hören. Dagmar Schuller, 43, entwickelt gerade eine Software, die unangenehme Geräusche herausfiltern soll. Die um einen herum eine angenehmere, neue Welt schaffen soll. Die Software soll irgendwann sogar einmal selbst erkennen, was man als störend empfindet, ohne dass man es vorher angibt. Dagmar Schuller sagt: "Die Systeme sollen für die Menschen arbeiten." Sie ist die Chefin von Audeering; mit Informatikern von der Technischen Universität München hat sie die Firma gegründet - vor zwei Jahren hatten sie noch sieben Mitarbeiter, doch seit diesem Jahr sind sie mehr als 50 Leute. Sie arbeiten für Kunden wie BMW oder Huawei oder auch Red Bull, sie kümmern sich um alles, was mit akustischer künstlicher Intelligenz zu tun hat. Zum Beispiel um Geräusche in Welten der Virtual Reality, die einem möglichst realistisch vermitteln sollen, dass man tatsächlich gerade Motorrad fährt.

Es geht auch darum, anhand der Sprache zu erkennen, wie ein Produkt bei einem Kunden ankommt, Emotionen herauszulesen. Dagmar Schuller hatte schon in der Schule angefangen, zu programmieren, damals noch auf Rechnern mit schwarzem Hintergrund und grüner Schrift. Wenn einer der Schüler einmal etwas falsch programmiert hatte, stürzten alle Rechner im Raum ab. Dann musste man zum Lehrer gehen, und es gab einen schwarzen Punkt auf der Liste - waren es drei, kam der Verweis.

Künstliche Intelligenz: Franz Pfister ist Arzt und Datenspezialist. Er arbeitet an einer Software, die Medizinern bei der Diagnose von Gehirnerkrankungen helfen soll.

Franz Pfister ist Arzt und Datenspezialist. Er arbeitet an einer Software, die Medizinern bei der Diagnose von Gehirnerkrankungen helfen soll.

(Foto: Robert Haas)

Maschinenblick auf medizinische Daten

Eigentlich ist Franz Pfister Arzt, doch gerade arbeitet er an einer Software, mit der es seine früheren Kollegen im Krankenhaus einmal leichter haben sollen. Das Programm nämlich könnte Fehler vermeiden, die Menschen noch immer unterlaufen. Pfister sagt: "Da redet niemand drüber, aber zehn Prozent der Tode in der Klinik sind auf einen Diagnosefehler zurückzuführen." Er hat Medizin studiert, weil er den Menschen und seine Krankheiten besser verstehen wollte. Doch mit 28 Jahren beschloss er, noch einmal zu studieren, um den Menschen und seine Krankheiten noch besser zu verstehen - mit Hilfe von Data Science. Franz Pfister hatte selbst gesehen, wie wenig Zeit in den Kliniken für Patienten blieb, wie komplex die Untersuchungen waren und wie überlastet die Ärzte. Am Abend zum Beispiel sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein Arzt eine falsche Diagnose stelle als am Morgen, sagt Pfister, und wenn ein Arzt in einem CT- oder MRT-Bild eine Krankheit entdeckt habe, sinke die Wahrscheinlichkeit, dass ihm auch noch eine zweite auffalle.

Menschen werden von ihrer Umgebung beeinflusst - eine Maschine nicht. Franz Pfister, heute 31, und sechs Kollegen haben nun eine künstliche Intelligenz entwickelt, die Auffälligkeiten in medizinischen Daten feststellt. Sie alarmiert zum Beispiel nach einem CT sofort den Arzt, wenn ein Notfall vorliegt, auch markiert sie, welche Hirnregionen er sich genauer anschauen sollte. Gerade baut Pfisters Team am Prototypen ihres Projekts Deepc. Im März werden sie den zum ersten Mal testen, am Klinikum rechts der Isar.

Ein Partner für uns Menschen

Dongheui Lee hätte ihre Pizza gerne von einem Roboter zubereitet. Oder anders gesagt: Sie versucht gerade, den Robotern, mit denen sie arbeitet, beizubringen, wie man Pizza bäckt - und zwar so, wie ein Mensch es vormacht. "Die Roboter sollen lernen, menschliches Verhalten zu verstehen und nachzumachen", erklärt Lee das Ziel ihrer Forschungen. Die 41-Jährige hat in Südkorea Maschinenbau studiert, nach einem Zwischenstopp in Tokio ist sie seit 2009 Juniorprofessorin für Elektrotechnik an der TU und möchte Robotern menschliche Verhaltensweisen antrainieren. Lee hat noch ein zweites, größeres Forschungsvorhaben: Sie möchte nicht nur, dass die Roboter menschliches Verhalten analysieren können. Sie sollen auch darauf reagieren können. Eine Interaktion zwischen Mensch und Maschine.

Für ihre Forschungen hat sich Lee lange mit menschlichem Verhalten beschäftigt. "Es ist immer schwierig, vorauszusagen, wie ein Mensch reagiert", sagt sie. Fast genauso schwer fällt es ihr, vorherzusagen, wie sich ihre Forschung entwickelt. Vielleicht kann sie in vier oder fünf Jahren einen menschenähnlichen Roboter präsentieren - vielleicht aber auch erst in zehn oder 20 Jahren. Ist Lee erfolgreich, könnte man sich irgendwann mit einem Roboter über das Wetter und den letzten Urlaub unterhalten. Und sich nebenbei eine Pizza von ihm machen lassen. Sofern man ihm davor zeigt, wie das geht.

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