Kündigung:Um die Hecke gebracht

Gert Binder hat seine Kleingarten-Parzelle Nr. 56 verloren. Kaadener Str. 30

Seinen Kleingarten in der Anlage Nord-Ost 53 an der Knorrstraße muss Gert Binder räumen.

(Foto: Florian Peljak)

Ein Kleingärtner muss raus: Er hat zu wenig Gemüse gepflanzt, urteilt das Gericht.

Von Susi Wimmer

Es war ein regelrechter Kampf im Blumenbeet: Zwiebel um Zwiebel, Rose um Rose, Kleingartenverein Nord-Ost 53 gegen Gert Binder. Das Amtsgericht München hat dem Terror hinter Thujen nun zumindest vorerst ein Ende gesetzt: Es hat verfügt, dass Binder seine Parzelle an der Knorrstraße räumen muss. Der Verein hatte ihm den Pachtvertrag gekündigt, weil er nicht mindestens ein Drittel seines Kleinods mit Obst und Gemüse bepflanzt hatte, wie es die Gartensatzung des Vereins vorschreibt. Binder dagegen, der sich nach mehreren Schicksalsschlägen einige Jahre nicht mehr intensiv der Gartenarbeit gewidmet hatte, sagt, selbst der Vorstand halte sich nicht an die Satzung. Und: "Da geht es nur um Spezlwirtschaft. Die wollen meine Parzelle anderweitig vergeben."

Der Opa von Gert Binder war Gründungsmitglied, als im Jahr 1953 an der Knorrstraße, zwischen Sudetendeutscher und Permanederstraße, eine Dauerkleingartenanlage errichtet wurde. Der Garten begleitete die Familie quasi durch das ganze Leben. Als die Schwester von Gert Binder an einem Gehirntumor erkrankte, zog man die Hecken höher, damit die Nachbarn die Auswirkungen der Chemotherapie nicht sahen. Als auch noch Binders Mutter erkrankte, pflegte er sie bis zu ihrem Tod, machte für sie den Garten schön, und als sie starb, "da fiel ich selbst in ein Loch". In der Arbeit drohten die Kündigung, er führte einen Arbeitsgerichtsprozess, hatte gesundheitliche Probleme. Der Garten, das sagt er selbst, geriet einige Jahre ins Hintertreffen.

"Der Binder", sagt Vorstand Friedrich Pils, "ist uneinsichtig. Er soll den Garten bewirtschaften und tut es nicht." Laut dem Bundeskleingartengesetz müssten ein Drittel der Fläche kleingärtnerisch genutzt werden. Als bei Binder die Kündigung des Pachtvertrags eintrudelte, am 30. November 2014, waren etwa 30 Quadratmeter seines Gartens mit Tomaten, Kartoffeln und Co. bepflanzt. Da die Parzelle insgesamt 240 Quadratmeter misst, hätte er aber auf etwa 80 Quadratmeter Obst und Gemüse anbauen müssen.

"Es gab ja viele Gespräche und Aufforderungen, am Ende blieb uns nur die Kündigung", sagt Vorstand Pils. Gert Binder sagt, dass er zweimal am Gartenzaun angesprochen worden sei und dann auch reagiert habe. "Ich habe sehr wohl im Garten gearbeitet", meint er. Allerdings sei er berufstätig und alleinstehend, "ich hab einfach nicht die Zeit, um den ganzen Tag dort im Garten zu stehen".

Die Kündigung, die wollte Gert Binder nicht akzeptieren. Er behielt seine Parzelle einfach. Daraufhin klagte der Kleingartenverein Nord-Ost 53 in einem Zivilverfahren vor dem Amtsgericht München. Der zuständige Richter sah das Recht auf Seiten des Vereins. Da der Pächter maximal 25 bis 30 Quadratmeter mit Gartenerzeugnissen für den Eigenbedarf bepflanzt habe, verstoße er gegen die Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag. Dies sei ein ausreichender Kündigungsgrund, befand das Gericht.

Gert Binder ist sich sicher, dass einer der Nachbarn den Garten für seine Schwägerin hatte haben wollen, und dass sein Pachtvertrag deshalb um die Hecke gebracht worden sei. Er sagt, dass er mit einem Lasermesser die Gärten der anderen Mitglieder abgegangen sei, "und die haben alle zu wenig kleingärtnerisch genutzte Fläche". Das sei nicht zutreffend, meint Vorstand Friedrich Pils. In seinem eigenen Garten etwa pflanze er auf einer Fläche von 70 Quadratmetern Obst und Gemüse an. Was laut der Satzung allerdings auch zu wenig ist. Bei Binder wollte Pils aber keine Ausnahme machen. "Das kann ich nicht durchgehen lassen. Wo kämen wir denn da hin!" Für Binder aber bricht eine kleine Schrebergartenwelt zusammen. "Ich werde nächste Woche 58, bereite mich auf den Vorruhestand vor. Jetzt ist meine Altersbasis zerstört." Die rechtliche Lage, sagt Sabine Braun von der Kanzlei Grill, Wilde und Braun, sei klar gewesen. Ein Berufungsverfahren wurde vom Gericht nicht zugelassen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: