Küchenchef bei "Geisels Werneckhof":Ohne Umweg in den Koch-Olymp

Küchenchef bei "Geisels Werneckhof": Hier sitzt er zwar allein am Tisch des Werneckhofs, aber für den Erfolg sei sein gesamtes Team verantwortlich, sagt Tohru Nakamura.

Hier sitzt er zwar allein am Tisch des Werneckhofs, aber für den Erfolg sei sein gesamtes Team verantwortlich, sagt Tohru Nakamura.

(Foto: Stephan Rumpf)

Erst seit April ist Tohru Nakamura Küchenchef des Schwabinger Restaurants "Geisels Werneckhof". Er hat die Küche komplett umgekrempelt und bereits zwei hohe Auszeichnungen der wichtigsten deutschen Gourmetführer geholt. Jetzt macht ihn der Gault & Millau zur "Entdeckung des Jahres".

Von Franz Kotteder

Spitzengastronomie ist normalerweise ja ein hartes Brot für jene, die sie produzieren: Erst geht man durch höchst aufreibende Lehrjahre, in denen es vor Überstunden nur so wimmelt, dann ackert man sich langsam über diverse Positionen nach oben bis zum Chef de Partie und zum Sous-Chef, bis man sich dann endlich einmal Küchenchef nennen darf. Bis zum ersten Stern vergehen dann meist einige Jahre, in denen man mit gleichbleibend hoher Qualität arbeiten muss, denn die Tester legen Wert darauf, dass ihre Aussagen über einen längeren Zeitraum Bestand haben. Die Leser wollen sich schließlich auf ihren Gastro-Führer eine Weile verlassen können.

Und dann passiert aber auch mal so etwas: Mitte April 2013 wird der damals noch 29-jährige Tohru Nakamura Chefkoch im Münchner Lokal Werneckhof und krempelt die bis dahin überwiegend auf solider französischer Klassik basierende Speisekarte komplett um. Und nun, im November, hat er nicht nur einen Stern im Michelin-Führer, sondern wird im neuen Gault & Millau, der einzigen ernsthaften Konkurrenz zum Michelin, der an diesem Dienstag erscheint, gleich auch noch zur "Entdeckung des Jahres" für Deutschland ausgerufen. Eine der höchsten Auszeichnungen, die der Gourmetführer zu vergeben hat - neben den 17 von 20 möglichen Punkten, die der Werneckhof für seine Küche bekommen hat. Kein schlechter Start für einen Neuling, wenn man bedenkt, dass er abzüglich der Sommerpause im August gerade mal ein halbes Jahr lang für die Münchner gekocht hat. Schneller ist hier wohl noch niemand in den Koch-Olymp aufgestiegen.

Ohne das Team ist so ein Erfolg gar nicht möglich

Man mag jetzt vermuten, da hätten sich die drei Brüder Carl, Michael und Stephan Geisel - die Fünfsterne-Hoteliers vom Königshof, die vor gut zwei Jahren den Werneckhof übernahmen - eben einen teuren Starkoch aus Japan eingekauft, um aus dem Schwabinger Traditionslokal ein nobles Sternerestaurant zu machen. Doch da täuscht man sich. Tohru Nakamura ist in München geboren und vor den Toren der Stadt, in Baldham, aufgewachsen, seine Mutter ist Deutsche, der Vater Japaner. Und er ist sozusagen ein Eigengewächs des Königshofes, dort hat er den Koch-Beruf gelernt, und die Geisel-Brüder haben ihn - das schon - durchaus sehr gefördert. Vor allem haben sie ihm die Chance gegeben, jetzt am Werneckhof seine kulinarischen Ideen umzusetzen, zusammen mit einem Team um den sehr erfahrenen Sommelier und Restaurantchef Ireneo Tucci, den Sous-Chef Manuel Hagel und die Pâtissière Annegret Henninger. Tohru Nakamura legt Wert darauf, dass deren Namen genannt werden, "denn ohne das Team ist so ein Erfolg gar nicht möglich, jeder in der Gastronomie weiß das".

"Talent allein macht noch gar nichts aus"

Nakamura ist ein bescheidener, aber durchaus sehr selbstbewusster Mensch. Er ist ja schließlich nicht aus dem Nichts gekommen. "Talent allein macht noch gar nichts aus", sagt er, "das ist wirklich nur ein minimaler Anteil am ganzen Erfolg." Für so einen Job müsse man sich auch begeistern, weit über die Arbeitszeit hinaus: "Ich habe während meiner Lehrzeit und danach etwa 80 Prozent meiner Wach-Zeit damit verbracht, Neues in Sachen Essen, Kochtechniken, Gastronomie und Restaurants kennenzulernen." Schon als Kind hat sich Nakamura fürs Kochen interessiert; später, mit 15 Jahren, vermittelten ihm Bekannte aus Luxemburg ein Praktikum bei der Luxemburger Sterneköchin Léa Linster. Da hat er Blut geleckt, sagt er: "Bis dahin hatte ich noch die Vorstellung vom Koch, der in einem fettigen Keller den ganzen Tag Pommes macht und Würstl brät."

Die Realität gefiel ihm dann schon sehr viel besser, und so kam nach dem Abitur dann doch die Kochlehre. Im Königshof, von 2004 an, unter dem neuen Küchenchef Martin Fauster. Er bewies sowohl Talent als auch Eifer, er war bald "bester Koch-Azubi Deutschlands", gewann dann den ersten Platz bei den Stadt- und den Bayerischen Meisterschaften, wurde Deutscher Jugendmeister - all das gibt es im Kochhandwerk. Es war also absehbar, dass er in seinem Beruf nicht ganz chancenlos sein würde. Er war dann drei Jahre bei dem deutschen Drei-Sterne-Koch Joachim Wissler in Bensberg bei Bergisch Gladbach und von 2010 an drei weitere Jahre bei dem Niederländer Sergio Herman, ebenfalls drei Sterne, in dessen berühmtem Restaurant "Oud Sluis", zuletzt zwei Jahre als Sous-Chef. Diese Ausbildung komplettierte dann ein sechswöchiges Praktikum in Japan bei dortigen Drei-Sterne-Häusern. Besonders fasziniert hat ihn da der Umgang mit den Produkten: "Die japanischen Köche haben den Ehrgeiz, möglichst wenig am Ausgangsprodukt zu verändern", erzählt er, "ihrer Ansicht nach verändert beispielsweise schon ein Schnitt mit dem Messer den Geschmack eines Fisches."

Es ist ihm schon bewusst, dass seine Herkunft, sein Aussehen und der japanische Ausflug für viele Leute etwas Exotisches haben, das seiner Küche fast zwangsläufig einen Hauch von fernöstlicher Weisheit verleiht. Da muss er ein wenig schmunzeln. Natürlich, sagt er, hat ihn in Japan der puristische Umgang mit dem Produkt beeindruckt. Das kennt aber auch die westliche Sterneküche, selbst wenn hier gerne mit Texturen, Aromen und Aggregatszuständen der Zutaten gespielt wird. Im Werneckhof haben Nakamura und sein Team daraus zwei Arten von Gerichten kreiert: Die heißen "Soli", weil solistisch ein Stück Fleisch, Fisch oder Gemüse mit ein oder zwei kleinen Beilagen serviert wird, oder "Gaudi", weil da Köche und Gast eine kleine Spielwiese der Geschmäcker, Aromen und Erscheinungsformen eines Produkts bekommen.

Für neugierige Gäste

Ein "Soli" ist derzeit etwa ein Stück glasiertes Kalbsbries mit Petersilienspinat und Steinpilzen. Ein "Gaudi"-Menü wiederum besteht aus vier oder fünf Gängen mit einer bunten Vielfalt genau aufeinander abgestimmter Gerichte, Erscheinungsformen, Geschmacksbilder und Aromen. "Das ist natürlich etwas für neugierige Gäste", sagt Nakamura, "wir können da unsere Ideen verwirklichen, und der Gast erlebt etwas Neues, Spannendes, das ihn überrascht."

Überrascht ist er jedenfalls erst einmal selbst über den eigenen Senkrechtstart: "Natürlich haben wir damit nicht gerechnet nach so kurzer Zeit." Er und sein Team seien ja noch dabei, den eigenen Stil zu entwickeln, und deshalb hätten sie auch nie darauf geschielt, ob einzelne Gerichte günstig für die Bewertung wären. "Da freuen wir uns natürlich", sagt Nakamura, "wenn sich unsere Standards offenbar mit dem Qualitätsverständnis eines Guide Michelin oder eines Gault & Millau decken."

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