Kritische Wahlnachlese in München:Selbstzerfleischung bei der CSU - das ist neu

Der Vorsitzende der Jungen Union erntet für seine harten Worte zu OB-Kandidatin Kristina Frank seinerseits harsche Kritik

Kritische Wahlnachlese in München: Schwierige Analyse: Respektabel sei Kristina Franks Münchner Wahlresultat, sagen CSU-Granden, für blamabel hält es der Chef der Jungen Union.

Schwierige Analyse: Respektabel sei Kristina Franks Münchner Wahlresultat, sagen CSU-Granden, für blamabel hält es der Chef der Jungen Union.

(Foto: Robert Haas)

"Rezept für den kommunalpolitischen Abstieg" (2. April) und "Peinliches Ergebnis" (3. April):

CSU selbst ist das Problem

Es war zu erwarten, dass nach dieser Wahlniederlage der Münchner CSU die Schuldfrage schnell hochkochen würde. Richtig ist meines Erachtens die Kritik an der Wahlkampagne. Sie war sicher altbacken, vor allem aber hat sie überhaupt nicht zur Person Kristina Frank gepasst.

Für eine Analyse des Debakels reicht das nicht aus. Die Münchner CSU ist meines Erachtens in vielen Punkten tief gespalten. Beispiel Klimapolitik: Bei der Stadtratsdiskussion über die Klimaneutralität der Landeshauptstadt bis 2030 hat die CSU im Stadtrat stundenlang dagegen geredet und dann plötzlich zugestimmt, um nicht in der Schmuddelecke zu stehen. Dann hat man die Klimaneutralität bis 2030 sogar ins Wahlprogramm gehievt, aber keine konkreten Ideen oder Umsetzungsvorschläge gebracht. Und wie soll die Münchner CSU in dieser Frage glaubwürdig werden, wenn Herr Söder es in eineinhalb Jahren nicht fertig bringt, das angekündigte Klimagesetz in den Landtag zu bringen und unbeirrt an der Blockade der Windkraft festhält - vom Immer-noch-Verkehrsminister Scheuer gar nicht zu reden. Und wenn Markus Blume dann im Angesicht des Münchner Wahlergebnisses auch noch davon spricht, dass die Grüne Welle gebrochen wäre... Die CSU braucht vor allem den Mut, der Wirklichkeit in die Augen zu schauen.

Rudi Amannsberger, München

Ausgerechnet Daniel stänkert

Ausgerechnet der Junge-Union-Vorsitzende Michael Daniel kritisiert den Wahlkampf der OB-Kandidatin Kristina Frank als Rezept für den kommunalpolitischen Abstieg. Ausgerechnet jener Herr Daniel, in dessen Ortsverband Allach die CSU bei der Stadtratswahl unter seinem tatkräftigen Einsatz den einmaligen Rekordverlust von 13,7 Prozentpunkten eingefahren hat. Die Verluste in der Gesamtstadt lagen dagegen bei 7,8 Prozentpunkten. Bei der Bezirksausschusswahl lag der einsame Negativrekord der CSU in Allach sogar bei 15,5 Prozentpunkten Verlust. Wie in der Vergangenheit, geht es Herrn Daniel aber nicht um sachliche Kritik. Bei ihm geht es, wie in den letzten Jahren immer wieder, um die Anzettelung personeller Machtspielchen. Unter seiner tatkräftigen Mithilfe wurde der Landtagsabgeordnete Otmar Bernhard in den Abschied gedrängt, um für Josef Schmid einen Landtagsstimmkreis frei zu machen. Unter seiner Regie wurde die Bundestagsabgeordnete Julia Obermeier nicht mehr aufgestellt und durch Stefan Pilsinger ersetzt. Und natürlich war er vorne mit dabei, als Josef Schmid den Aubinger Stadtrat Johann Sauerer abservierte. Es ist wirklich keine Frage, wer sich die größeren Verdienste um den Abstieg der CSU in München erworben hat.

Helmut Pfundstein, ehemaliger CSU-Stadtrat, München

Es lag nicht an Kristina Frank

Dass sich die SPD nach Wahlen gerne mal öffentlich fetzt, das kennt man und das ist eigentlich nach Wahlen - egal auf welcher Ebene - schon ein Ritual. Doch dort herrscht, sicher nicht nur Corona-bedingt, disziplinierte Ruhe. Sicher keine Zufriedenheit mit dem Ergebnis der Stadtrats- beziehungsweise Bezirksausschuss-Wahlen, aber man übt sich in Disziplin und freut sich vor allen Dingen über Dieter Reiter. Bei der CSU sind das aufeinander Draufhauen und aufeinander brachial Losgehen nach Wahlen eher etwas, was die Öffentlichkeit nicht so kennt. Und während die Münchner CSU-Spitze von einem "respektablen" Ergebnis spricht und betont, immerhin sei man ja die Nummer Zwei im Stadtrat, haut erstmal die Junge Union brachial auf die OB-Kandidatin Kristina Frank drauf. Und der Kreisverband Mitte mit Hans Theiss an der Spitze legt, etwas dezenter, nach.

Nun, nach der Wahl war der Wahlkampf "altbacken" und die Kandidatin "unauthentisch" und wohl "überfordert mit der Aufgabe." Da fragt man sich schon ein bisschen, wo diese Helden im Vorfeld waren? Zum Beispiel, als der Wahlkampfslogan, die Themensetzung im Wahlkampf und das Wahlprogramm festgelegt wurden. Oder auch bei der Nominierung der Kandidatin. Offenbar hat Herr Daniel hier auch viel Frust darüber, dass er nicht in den Stadtrat gewählt wurde.

Kristina Frank war sicher nicht in der Lage, Dieter Reiter ernsthaft gefährlich zu werden beziehungsweise ihm mit ihren Themen den Schweiß auf die Stirn zu jagen. Aber das war doch vorher klar. Um dem Hype der Grünen etwas entgegenzusetzen, setzte die Münchner CSU auf "jung und weiblich". Beides war und ist die Kandidatin. Dass Kompetenz und Ernstgenommen-Werden auch wichtig sind, um in einer Personenwahl gegen einen Amtsinhaber eine Chance zu haben, und dass das für die CSU zweitrangig war, ist nicht das Problem von Kristina Frank.

Das Problem der CSU München könnte aber sein, dass man nun zwar die zweitgrößte Fraktion im Stadtrat ist, dass sich die Mehrheiten aber anderswo finden.

Klaus Brinnig, München

Erst in CSU-Gremien mitwirken, dann Kristina Frank in den Rücken fallen - das ist peinlicher Stil

Der Artikel über die interne Abrechnung in der Münchner CSU ("Rezept für den kommunalpolitischen Abstieg" vom 2. April) von Heiner Effern hat mich rasend gestimmt (nicht das Schriftstellerische, sondern der Inhalt). Frau Frank hat es geschafft, die Grünen-Kandidatin zu überholen, trotz des guten grünen Ergebnisses im Stadtrat. Ihre Leistung ist beachtlich in meinen Augen, zumal es immer schwierig ist, sich gegen einen Amtierenden durchzusetzen.

Die Aussage des Kreisverbands über eine Kandidatenwahl, die unabhängig vom Geschlecht getroffen werden müsse, kann deswegen nur von zu sehr von sich selbst überzeugten, in die Jahre gekommenen männlichen Spätpubertierenden stammen. Kristina Frank "nur" als weibliche Kandidatin zu beschreiben, ist eine grobe Beleidigung einer unglaublich kompetenten Frau, die es aus eigener Kraft von der Anwältin zur Richterin, in den Stadtrat und zur Kommunalreferentin geschafft hat. Wer jetzt noch ihre Fähigkeiten in Frage stellt, ist mit seinem Zweifel eindeutig fehl am Platz. Zumal der Herr, der an Frau Frank so viel unfundierte Kritik übt, selbst nicht in den Stadtrat gewählt wurde. Wie soll man jemanden in dieser Sache ernst nehmen, der nicht in der Lage ist Selbstreflexion zu betreiben?

Es ist lächerlich und verbraucht, die Kompetenzfrage bei einer Frau aufzuwerfen. Auf ein so niederes Argument zurückgreifen zu müssen, ist schwach und auch ziemlich peinlich. Wer überzeugt ist, ein männlicher Kandidat hätte ein besseres Ergebnis einfahren können, dem fehlt es auch ganz offensichtlich an politischem Gefühl. Der Aufschwung der Grünen war zu erwarten, und in einem Nullsummenspiel muss das schließlich auf Kosten irgendjemandes gehen.

Es ist auch zu komisch, dass im Nachhinein die Unzufriedenheit mit der Wahlkampflinie kundgetan wird. Diese haben ja mehrere Parteigremien, die sich jetzt darüber aufregen, mit abgesegnet. In der Retrospektive sind aber alle immer von vornherein schlauer gewesen. Diese Darbietung von Doppelmoral zeugt nicht gerade von (männlicher) charakterlicher Größe im Kontext der verlorenen Wahl. Ich finde nicht das Ergebnis der Wahl inakzeptabel und peinlich, sondern dieses Verhalten.

Pauline Hiltscher, München

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