Kritik:Himmlischer Hall

Xavier Darcy gibt ein intensives Popkonzert in der Lukaskirche

Von Dirk Wagner

Wenn Menschen sich schon in Museen so ehrfürchtig still verhalten, als wären sie in einer Kirche, kann man von tatsächlichen Kirchenbesuchern nicht unbedingt Partystimmung erwarten. Das musste die Diakonin der Münchner Lukaskirche erfahren, als sie am Freitag mit einem Pop-Konzert von Xavier Darcy beweisen wollte, dass Kirche auch ein Ort der fröhlichen Zusammenkunft sein kann. Trotzdem: Die andächtige Stimmung, mit der die Besucher dem Ort begegneten, passte gut zum intensiven Konzert des Singer-Songwriters. Der hatte selbst seine Darbietung der erhabenen Atmosphäre des "protestantischen Doms" angepasst. Ein so konzentriertes Publikum habe er noch nie gehabt, lobte der Sänger darum die Aufmerksamkeit seiner Zuschauer und verschwieg dabei, dass er sich schon zu Beginn seiner Karriere auf einem Bandwettbewerb im Feierwerk gegen laute Rockmusiker hatte behaupten können.

In der Lukaskirche stand der Sänger nun mit seiner Gitarre vor dem Hochaltarbild, das die Grablegung Christi zeigt. In der aktuellen, von Corona gezeichneten Zeit, in der die Ignoranz einiger Politiker auch die Kultur zu Grabe zu tragen droht, möchte man gerne an eine Wiederauferstehung der Kultur glauben, umso mehr vor diesem Altarbild. Und die 100 Zuschauer, die in der 1800 Gäste fassenden Kirche zugelassen waren, genossen Darcys Auftritt nach langer Abstinenz auch als eine Renaissance des Popkonzerts.

Nur von Beni Michael auf Keyboard und Harmonium begleitet, so wie von einem Hall der Lukaskirche, mit dem Darcy sich himmlisch zu arrangieren wusste, gelang ihm in solcher Reduktion eine so gewaltige Neuschöpfung seines Œuvres, dass selbst der von ihm gecoverte Lana Del Rey-Hit "Video Games" wie ein sehr persönlicher eigener Song wirkte.

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