Kritik an Reiters Initiative:Erzieher-Bonus weckt Begehrlichkeiten

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Erzieherinnen in städtischen Einrichtungen sollen in München mehr Geld bekommen (Symbolbild). (Foto: picture alliance / dpa)

Es war eine seiner ersten Amtshandlungen: Münchens OB Reiter hat mitgeteilt, das Kita-Personal der städtischen Einrichtungen besser zu bezahlen. Doch der geplante Zuschuss ist umstritten. Nicht nur die freien Träger fühlen sich benachteiligt.

Von Melanie Staudinger, München

Nach heftiger Kritik an der Ankündigung von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), städtische Erzieher künftig besser zu bezahlen, sucht die Stadt den Dialog. So soll mit freien Trägern - dazu können private Kitas oder auch gemeinnützige gehören - darüber gesprochen werden, ob sie ebenfalls Zulagen gewähren können und dabei von der Stadt finanziell unterstützt werden. Dennoch reißen die Diskussionen nicht ab. Gewerkschaften und Verbände kritisieren die einseitige Ausweitung der Arbeitsmarktzulage nur auf die Erzieher an Kindertagesstätten. Das benachteilige Mitarbeiter in anderen Berufsgruppen. Kommunen fürchten, dass finanzschwache Gemeinden beim Wettlauf um Erzieher nicht mehr mithalten können. Andere wiederum haben bereits angekündigt, sich der Landeshauptstadt anzuschließen.

Es ist eine der ersten Mitteilungen gewesen, die Reiter nach seinem Amtsantritt am 1. Mai verschickt hatte: Er wolle die Erzieher in städtischen Kitas besser bezahlen - und zwar mit Hilfe der Arbeitsmarktzulage, die in Berufen mit Fachkräftemangel gewährt werden kann. Diesem Ansinnen hat der Kommunale Arbeitgeberverband Bayern (KAV) jetzt zugestimmt. Kommunen können ihren Mitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen nun mehr zahlen, als der Tarifvertrag es vorsieht.

"Das ist ein riesiger Erfolg", erklärte Reiter. München sieht sich als Vorreiter - nur wenn Erzieherinnen besser gestellt werden, so die Argumentation, wird der Beruf auch interessanter. Gleichzeitig gibt es Planungen, eigene Wohnungen für Mitarbeiter in Mangelberufen zu schaffen. Über die Zulage für Erzieher wird der Stadtrat noch im Herbst entscheiden. Für andere Berufsgruppen, etwa Pflegepersonal, ist bisher keine Gehaltserhöhung vorgesehen.

Die Konkurrenz ist enorm - auch ohne Zulage

So euphorisch wie der OB sind aber nicht alle Beteiligten. Vor allem die nicht-städtischen Betreiber von Kindertagesstätten sehen sich benachteiligt. "Wir werden ins Hintertreffen geraten", sagt Elsbeth Hülsmann, Fachberaterin im Paritätischen Wohlfahrtsverband Oberbayern, der etwa 30 eigene Kitas betreibt und weitere 40 in München und der Region vertritt. Schon jetzt sei die Konkurrenz um Erzieher enorm, mit den Werbemaßnahmen der Stadt München könnten andere nicht mithalten.

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"Die freien Träger müssen so ausgestattet werden, dass sie mithalten können. Bisher habe ich nicht den Eindruck, dass wir mir unseren Sorgen ernst genommen werden", sagt Hülsmann.

Zumindest diejenigen, die sich an der freiwilligen Förderung der Stadt München beteiligen - der Betriebsträgerschaft oder der Münchner Förderformel -, können hoffen. Nach den Sommerferien solle es Gespräche mit den Trägern geben, sagt Susanne Herrmann, Abteilungsleiterin Kita im Bildungsreferat. "Es hilft nichts, wenn nur wir Personal gewinnen", erklärt sie. Das Zuschusssystem müsse so angepasst werden, dass auch die freien Träger höhere Gehälter bezahlen könnten.

Der Plan Reiters sei nicht zu Ende gedacht, sagt Wolfgang Obermair, Vorstand im Caritasverband der Erzdiözese München und Freising. Die Arbeitsmarktzulage ist aus seiner Sicht der falsche Weg, vielmehr hätte es eine tarifrechtliche Einigung geben müssen. Sollte eine Zulage in Höhe von 200 bis 250 Euro kommen, würde eine Erzieherin mehr verdienen als eine Sozialpädagogin, die studiert habe. "Das ist nicht fair", sagt Obermair. Benachteiligt würden auch Erzieher außerhalb von Kitas, die etwa mit Behinderten oder der stationären Jugendhilfe arbeiteten.

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Auch Pflegepersonal ist derzeit vom Bonus ausgeschlossen. "Diese Verwerfungen im System hat keiner beachtet", sagt Obermair. Die Grünen im Stadtrat, Verdi und der Personalrat der städtischen Kita-Mitarbeiter fordern daher eine Ausweitung: Zum einen müssten auch Kinderpflegerinnen sowie die Kita-Leitungen einbezogen werden, zum anderen auch weitere Berufsgruppen mit Fachkräftemangel.

Die Gräben werden vertieft

Wie kompliziert die Materie ist, zeigt sich an der Reaktion vom Bayerischen Gemeindetag. "Wir werden uns als Verband weder einheitlich dafür noch strikt dagegen aussprechen", sagt Sprecher Wilfried Schober. Zwar erhielten die Kommunen mehr Autonomie. Gleichzeitig aber vertiefe die Entscheidung die Gräben zwischen reichen und armen Gemeinden. "Der Druck auf die Bürgermeister gerade im Münchner Umland wird wachsen, weil Mitarbeiter hier gut pendeln können", sagt Schober. Allerdings verweist er auch darauf, dass die Freigabe der Arbeitsmarktzulage in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nicht zu großen Wanderungsbewegungen der Mitarbeiter geführt habe.

Es gibt auch Kommunen, die die Zulage am liebsten sofort einführen würden: Hallbergmoos im Kreis Freising etwa. "Wir haben das schon seit Jahren gefordert", sagt Bürgermeister Harald Reentz (CSU). "Wir werden die Zulage gleich nach den Ferien im Gemeinderat behandeln." Seine Gemeinde ist vom Altersschnitt die drittjüngste in Bayern und braucht viele Kita-Plätze. Die freien Träger der zehn Betreuungseinrichtungen unterstützt Hallbergmoos indirekt: Sie bekommen einen Defizitzuschuss, der höher ausfällt, wenn die Personalkosten steigen.

© SZ vom 04.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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