Kritik an Münchner SPD:Peinliche Lücke bei Stadtwerke-Tochter

Stadtwerkszentrale in München, 2009

Bei einer Service-Tochter der Münchner Stadtwerke sollen einige Mitarbeiter ohne Tarifvertrag angestellt sein.

(Foto: Robert Haas)

Die Münchner SPD kämpft mit der Klinik-Misere. Kommt jetzt noch ein unangenehmes Thema dazu? Bei einer Stadtwerke-Tochter arbeiten Menschen ohne Tarifvertrag - und die Partei schweigt betreten.

Von Katja Riedel

Alles beginnt bei einem der Oberbürgermeister-Foren, und zwar beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Jemand steht auf, stellt eine Frage: Wie die SPD-Linie, dass bei der Stadt niemand ohne Tarifvertrag arbeite und es gleichen Lohn für gleiche Arbeit geben müsse, zu jener Service-Tochter der Stadtwerke München (SWM) passe? Bei dieser würden auch Mitarbeiter ohne Tarifbindung arbeiten. Kandidat Dieter Reiter (SPD), als Wirtschaftsreferent zuständig für die SWM, antwortet, er wisse davon nichts. Und sein Mitbewerber Josef Schmid (CSU) notiert sich die Angelegenheit. Er ahnt, hier möglicherweise einen wunden Punkt des Konkurrenten gefunden zu haben. Einen Trumpf im Wahlkampf.

Es geht um eine für die städtische Tochter zumindest peinliche Angelegenheit. Einige der 300 Mitarbeiter der SWM Kundenservice GmbH arbeiten nämlich tatsächlich ohne Tarifvertrag, während Kollegen nach dem für Versorgungsbetriebe gängigen Tarifwerk entlohnt werden. Entstanden ist diese Lücke, als die SWM-Tochter neue Aufgaben hinzu bekommen hat: sie übernimmt nun zusätzlich zum Callcenter auch Abrechnungen und das Ablesen von Strom- und Gaszählern.

Die Kundenservice-Mitarbeiter bekommen ihr Geld, in Callcentern nicht unüblich, über flexible Lohnanreize, ein Prämiensystem. Das führt dazu, dass fleißige und vor allem junge Mitarbeiter mehr Geld mit nach Hause nehmen, als sie es nach Tarif würden. Die SWM sparen sich dafür den Arbeitgeberanteil zur Zusatzversorgungskasse. Nach fünf Jahren sind die tariflich gebundenen Mitarbeiter wegen der Tarifsteigerungen in dieser Zeit aber wieder im Vorteil.

Droht der SPD die nächste Panne?

Während die CSU versucht, die Sache zum Skandal hochzukochen, bemüht sich die SPD, die unangenehme Angelegenheit unter der Hand zu regeln, damit nach den leer stehenden Wohnungen und der Klinik-Misere nicht die nächste Panne folgt - und das noch dazu bei einem klassischen SPD-Thema. Inzwischen sollen sich die Gewerkschaft Verdi und SWM-Chef Florian Bieberbach verständigt haben, das Problem möglichst geräuschlos und rasch aus der Welt zu schaffen. Doch der kurze Draht wirkte zu spät: Davor waren zwei Pressemitteilungen heraus gegangen, die es in sich hatten.

In der ersten beteuerten die SWM als Antwort auf eine Anfrage von Schmid, dass alles zum Besten stehe bei den SWM. Ein Haustarifvertrag warte nur darauf, von Verdi ratifiziert zu werden, doch die Gewerkschaft sperre sich. Die Antwort von Verdi kam prompt und über den Mailaccount von Heinrich Birner - nicht nur Münchner Verdi-Chef, sondern auch Mitglied des Münchner SPD-Vorstandes. Der ärgerte sich offenbar derart, dass die SWM die Schuld auf Verdi abwälzte, dass er die Pressemitteilung mittrug, in der unter anderem von "Lohndumping" bei den SWM die Rede war.

Auch CSU-Kandidat Schmid blieb der Streit nicht verborgen. "Wenn man die Erklärung von Verdi liest, muss man feststellen, dass die Stadtwerke in ihrer Mitteilung gezielt die Fragen umgehen, sie vernebeln, ja sie verschleiern die Wahrheit", sagt Schmid. In Erklärungsnot sieht er Rot-Grün, vor allem aber auch Reiter.

Doch die SPD schweigt. Dabei hätte man einfach einräumen können, dass etwa 80 von gut 50 000 Mitarbeitern bei Stadt und städtischen Beteiligungen tatsächlich ohne Tarif, nicht aber zu Sklavenbedingungen arbeiten. Ein Skandal wäre daraus nicht geworden.

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