Süddeutsche Zeitung

Kritik am Landesentwicklungsprogramm:Versiegeln und verschandeln - Hauptsache, die Kasse klingelt

SZ-Leser kreiden der CSU an, dass sie allzu bereitwillig dem Kommerz den Vorrang vor dem Erhalt der Natur in Bayern einräume

"Der Landeszerrüttungsplan" vom 11./12. November:

Hemmungslos falsch

Dieser Artikel ist für mich ein großes Geschenk. Es wird hier alles gesagt, was gesagt werden muss. Er erinnert mich auch an erste einschneidende dienstliche Begegnungen zum Beispiel mit dem damals zuständigen Staatssekretär. Er erklärte die Vorzüge der novellierten Bayerischen Bauordnung: "Lasst doch die Leute bauen, wie sie wollen! Sie bauen in der Regel doch nur einmal in ihrem Leben!"

Altgediente Kreis- und Stadtbaumeister bekamen Tränen in die Augen. Und ich ahnte die Hoffnungslosigkeit meiner Aufgabe, mich um die Ziele einer geordneten baulichen Entwicklung zu kümmern. Zwischen den sanierten Bereichen in Bayern und in den neuen Ländern gibt es schon oft keinen Unterschied mehr: Die mit geschliffenen Granitflächen und chromglänzendem Aufwand verhübschten Ortskerne sterben bisweilen in voller Schönheit - während in den Einkaufscentern auf der grünen Wiese der Bär tanzt. Es ist letztlich unverantwortlich, Fördermittel für todelende Ortskerne bereitzustellen, wenn infolge des entstehenden Donut-Effekts (Ausbluten innerorts, Abwanderung der Bevölkerung an den Rand; d. Red.) eine Wiederbelebung fast chancenlos ist. Mit dem "Landeszerrüttungsplan" werden die schon lange gesetzten Vorgaben konsequent vom Kleinen auf das Große übertragen und verfestigt. Die aktuelle hoheitliche Begründung dieser Öffnung zum hemmungslosen Flächenfraß kann ich einfach nicht mehr hören: "Ich will ja nur euer Bestes! Es lebe die Selbstbestimmung!" Ziele dabei sind neue Arbeitsplätze und der Kampf gegen das Stadt-Land-Gefälle. Ein fast willkürliches Zersiedeln mit riesigen Lagerhallen - in der Regel ohne größeres Arbeitsplatzangebot - kann da nicht helfen. Helfen würde die seit langem versprochene flächendeckende digitale Infrastruktur. In meinen Augen ist es die Pflicht, treuhänderisch das Wohl Bayerns zu erhalten und zu fördern - und nicht den Interessen Einzelner nachzulaufen. Stephan Hansen, Ergolding-Piflas

Gier nach Gewerbesteuer

Der galoppierende Flächenfraß erschüttert und beunruhigt jeden vernünftigen natur- und heimatliebenden Menschen, und wenn man den jährlichen Landschaftsverbrauch, der in den vergangenen 50 Jahren stattgefunden hat, weiter hochrechnet, kann man fast schon den Zeitpunkt bestimmen, an welchem auch das letzte Fitzelchen freier Wiesen und Äcker unter Beton verschwunden ist. Vornehmlich der Bau neuer Autobahnen hat eine immense Zahl an neugebauten "Logistikzentren" nach sich gezogen, mit dem entsprechenden Ausbau von Lkw-Parkflächen und einer Riesenanzahl von Zufahrtsstraßen. Man kann das besonders gut nördlich von Mühldorf studieren, an den Zufahrten zur A 94. Es ist einfach erschreckend!

Doch nicht nur der Sog der neuen Autobahnen, die durch ehedem intakte und unberührte Landschaften geklotzt wurden beziehungsweise werden (Isental!), haben zu diesem ärgerniserregenden Problem geführt - es ist auch der grässliche Ehrgeiz der Lokalpolitiker, möglichst viele Flächen für möglichst viele gewerbesteuerzahlende Betriebe auszuweisen, um Steuergelder zu bekommen, die von Gesetzes wegen allein der jeweiligen Kommune zufließen. Und wie es halt so ist, hat dies auch zu einem regelrechten Wettbewerb der Gemeinden untereinander geführt nach dem Motto: Je mehr Flächen wir ausweisen, desto mehr prosperiert die Gemeinde, das Dorf, der Marktflecken oder auch die Stadt.

Um diesem unsinnigen Wettbewerb ein Ende zu bereiten und gleichzeitig gleiche Infrastruktur-Chancen für alle Kommunen herzustellen, wäre es dringend notwendig, die unselige Gewerbesteuer ganz abzuschaffen und durch ein völlig anderes Modell zu ersetzen. Dadurch ließe sich der Druck auf die Lokalpolitik, immer neues Ackerland in Gewerbegebiete umzuwandeln, erheblich mildern. Gleichzeitig wären die mit Gewerbesteuermitteln protzenden und unsinnige Projekte stemmenden reichen Gemeinden endlich auch angehalten, vernünftig zu wirtschaften. Dr. Fritz Anetsberger, Landshut

Business-Wahn

Appell an alle Menschen in diesem Land mit Herz und Verstand und an alle Verbände, denen eine lebenswerte Heimat ein Grundanliegen ist: Gründet endlich eine groß angelegte Offensive "Rettet Bayern vor dem Business-Wahn". Karl Heinrich Knörr Walpertskirchen. Karl Heinrich Knörr, Walpertskirchen

Ohne Rücksicht auf Verluste

Sehr geehrter Herr Matzig, beim Lesen Ihres Berichts ist mir nochmals spontan der Satz auf Seite 1 derselben SZ bezüglich der "Paradise Papers" aufgefallen: Wieso kaufen Kunden weiter bei Firmen, die ihnen durch Steuerflucht schaden? Auf die bayerische Parteienlandschaft gemünzt, würde dazu passen: Wieso wählen die Bürger mehrheitlich eine Partei, die ohne Rücksicht auf Verluste die Landschaft zum Zubetonieren freigibt? Siehe auch "Riedberger Horn" (wo die CSU-Mehrheit im Landtag entgegen bestehenden Alpen-Vereinbarungen eine Skischaukel ermöglichen will; d. Red.). Die Agrarpolitik geht in die gleiche Richtung.

Die Wähler müssten doch wissen, dass das "U" in der CSU für Umsatz, aber keineswegs für Umweltschutz steht. Offensichtlich ist diese Partei gefangen in der Priorisierung des Sozialproduktes. Das Schicksal möge uns vor Herrn Söder bewahren. Paul Sterzer, München

Eine Bedrohung für die Heimat

Herrn Gerhard Matzig ist voll zuzustimmen: "Die CSU sägt den Ast ab, auf dem sie sitzt." Mit lemminghafter Zielstrebigkeit betreibt sie ihren weiteren Abstieg in der Wählergunst - und dabei ist die saudumme Aktion der Jungen Union, dem Ministerpräsidenten während der Verhandlungen in Berlin in den Rücken zu fallen, nur eine Randnotiz. Die CSU, einst überaus erfolgreiche Sachwalterin Bayerns, entwickelt sich in den Augen der Bevölkerung immer mehr zu einer Bedrohung der Heimat. Der Schutz der Alpen wird ausgehöhlt, die Vorgaben für Baulandausweisungen aufgeweicht, Kommerz an erste Stelle gestellt. Die Folge ist eine weiter fortschreitende Versiegelung, sprich Verschandelung, der einst einmaligen bayerischen Landschaft. Wirtschaftliche Entwicklung muss sein - das ist unbestritten. Aber sie muss eine klug gestaltete sein, die ohne Zerstörung der Umwelt auskommt! Denn nur eine intakte Umwelt kann eine gesunde Lebensgrundlage für uns alle sein. Albert Buchmeier, München

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Quelle:
SZ vom 16.11.2017
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