Betreuungsplatz-Suche in München:"Man prostituiert sich"

Alles andere als kinderleicht: Von August an hat jede Familie Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Über ein halbes Jahr hat die SZ sechs Betroffene begleitet - und sie schildern lassen, was sie erleben müssen beim Kampf um einen freien Platz.

Protokolle. Von Katja Riedel, Petra Fröschl, Kassian Stroh

Pia Turbanisch, Mutter von Liam, 1, und Jakob, 7, aus München im März:

Betreuungsplatz-Suche in München: Familie Turbanisch

Familie Turbanisch

"Ich habe Liam in der ersten Krippe angemeldet, da war ich in der sechsten Woche schwanger. Ich war bei acht städtischen Krippen im Umkreis. Als er auf der Welt war, bin ich zu allen Elterninitiativen in der Gegend gegangen. Einen Platz haben wir immer noch nicht. Das Westend ist sehr kinderreich, die Situation sehr schwierig. Von dreien haben wir schon eine Absage: weil Geschwister bevorzugt werden, weil Alter oder Geschlecht nicht passen. Hier gibt es auch eine private Krippe direkt ums Eck, aber der Platz von 8 bis 14 Uhr kostet 800 Euro. Da bräuchte ich nicht arbeiten gehen.

Im Mai läuft meine Elternzeit aus, Ende April bekomme ich erst Bescheid, ob ich einen Platz bei der Stadt bekomme. Ich bin Sozialpädagogin und würde gern wieder arbeiten, es gibt en masse Stellen, aber mir sind einfach die Hände gebunden. Ich habe zwar meine Mutter in der Nähe, die möchte aber auch nicht Vollzeit eingespannt werden. Ich möchte arbeiten, einfach das anwenden, was ich gelernt und studiert habe. Und ich will auch wieder aus diesem Kinder-Küche-Kirche-Kreis raus. Mit dem Hortplatz unseres Sohnes Jakob, der in die erste Klasse geht, war es genauso schwierig.

Ich habe erst überall Absagen bekommen, aber dann, weil ein Kind weggezogen ist, doch noch Glück gehabt. Man sagt ja nicht: Hallo, ich habe ein Kind und will zu euch kommen, sondern man bewirbt sich regelrecht. Man muss sagen, wer man ist, wie man sich einbringen kann. Einer Elterninitiative, die umzieht, mussten wir versichern, mitzustreichen und Möbel aufzubauen. Man sagt: Klar, ich mache alles, ich kann alles, nur damit man eine Chance hat. Man prostituiert sich.

Das kostet alles viel Zeit: Etwa alle zwei Wochen schreibe ich pro Einrichtung eine E-Mail, und wir rufen an. Immer schön abwechselnd, Mann und Frau, damit man merkt, der Vater interessiert sich auch. Man will ja nichts falsch machen. Bei einer Krippe haben wir ein Riesen-Geschenkpaket mitgebracht, mit Schaufeln für die Kinder und Süßigkeiten für die Erzieher. Wir waren kurz davor, noch einen 50-Euro-Schein reinzulegen, aber dann habe ich gesagt, jetzt ist Schluss. Wir haben auch Karten aus dem Urlaub geschrieben: Hallo, hier ist der Liam, ich freu mich auf euch! Man macht viel."

Mai:

"Bis vor einigen Wochen hatte ich noch eine kleine Hoffnung, doch bald wieder in meinem Beruf arbeiten zu können, als Diplom-Sozialpädagogin. Aber jetzt habe ich auch von den sieben städtischen Krippen, bei denen ich Liam angemeldet hatte, eine Absage bekommen. Die vielen Eltern-Kind-Initiativen und bezahlbaren Krippen von freien Trägern in unserer Umgebung hatten uns da schon längst ihre Ablehnungen zugeschickt. Ich muss also, abgesehen von meinem 450-Euro-Job, den ich einen Tag die Woche habe, weiter zu Hause bleiben.

In der ambulanten Intensivpflege betreue ich da ein behindertes Kind. Das ist einfach nicht das, was ich mir vorgestellt habe und was meiner Ausbildung entspricht. Wenn ich weg bin, hilft meine Mutter aus. Ansonsten muss ich die Arbeit aufs Wochenende legen. Das finde ich schon deshalb schade, weil mein Mann ab Juni als Arzt keine Wochenenddienste mehr macht und ich mich schon gefreut hatte, dass wir endlich gemeinsame Familienwochenenden haben werden. Ich habe jetzt zufällig per Mundpropaganda erfahren, dass es bei der Stadt eine Beratungsstelle geben soll. Da werde ich mich melden, schon zwei halbe Tage würden mir viel bringen. Aber irgendwie habe ich mich inzwischen damit abgefunden, dass das nichts mehr wird.

Einen Platz in einer privaten für 800 Euro, das will ich nicht, da arbeite ich ja nur für die Krippe. Ich rudere gerade innerlich zurück. Mein Mann macht also Karriere, während ich zwar nicht auf Null zurückfahre, aber doch ein paar Stufen zurück steige. Dabei geht es mir gar nicht um Karriere, ich will einfach nur arbeiten und trotzdem Kinder haben. Man fühlt sich schon alleingelassen. Es ist nach wie vor ein Kampf. Soll man noch mehr machen? Nein, ich will mich nicht mit einem Plakat vor die Kita stellen und betteln: "Nehmt mich doch!" Ich muss mich jetzt arrangieren. Und ich bin nicht allein: In Liams Krabbelgruppe haben von zwölf Kindern nur zwei einen Platz bekommen. Richtig perplex war ich, als ich erfahren habe, dass wir nicht mal das Betreuungsgeld bekommen werden. Liam ist nämlich vor dem Stichtag, dem 1. August 2012, geboren worden. Wir gehen wieder leer aus. Und hier geht es mir nicht um die 100 Euro, sondern ums Prinzip."

Sehr angespannt

Carolin Cwik, 25, Leiterin der Kita der Inneren Mission in München-Neuhausen im März:

196 Bewerber stehen auf meiner Warteliste. 10 bis 20 rufen in der Woche an und fragen nach, wie ihre Chancen stehen. Die Situation ist belastend, ich habe hier häufig Leute sitzen, die vor Verzweiflung in Tränen ausbrechen. Ich bin deshalb sehr angespannt. Ich kann Bewerbern wenig Hoffnung machen. 36 Krippenplätze gibt es eigentlich, ich kann aber wegen der Personalsituation nur 32 belegen. 17 Kinder werden im Herbst in den Kindergarten wechseln, elf der Plätze gehen an Geschwisterkinder. Bleiben theoretisch sechs - aber ob ich die besetzen kann, ist wegen des Personalmangels unklar. Die Erzieher können sich aussuchen, wo sie arbeiten. Sie probieren sich aus, und wenn es nicht passt, gehen sie wieder. Angespannt bin ich nicht nur wegen der Eltern. Auch der Träger steht unter Druck. Wenn wir nicht alle Plätze besetzen, ist das ein wirtschaftliches Problem.

Betreuungsplatz-Suche in München: Carolin Cwik

Carolin Cwik

(Foto: Robert Haas)

Im Moment höre ich von Eltern immer wieder: Aber ich habe doch jetzt im Herbst einen Rechtsanspruch. Vielen ist überhaupt nicht klar, dass sie nicht gegen uns klagen können, sondern nur gegen die Stadt. Die meisten wissen auch nicht, dass sich der Anspruch nicht auf eine Wunschkita bezieht, sondern dass sie rumgeschickt werden können. Ich sage meist: Fahren Sie doch nach Feldmoching, da gibt es freie Plätze. In der jetzigen Lage muss man sich arrangieren. Für mich ist es schwierig auszuwählen, wer einen Platz bekommt. Ich will es allen recht machen, habe aber meine Vorschriften. Ich berücksichtige die Familiensituation, ob womöglich jemand krank ist, auch die Buchungszeiten spielen eine Rolle. Soziale Härtefälle, Alleinerziehende werden bevorzugt und Kinder, deren Eltern beide voll berufstätig sind. Und es geht um die Altersmischung in der Gruppe. Ich kann nicht unendlich Babys aufnehmen. Für ein solch kleines Kind brauche ich eine eigene Betreuungsperson.

Der Umgang mit den Eltern ist oft zweischneidig: Manche übertreiben es und machen mir ganz offen Bestechungsangebote. Noch harmlos ist: Ich backe jeden Tag einen Kuchen. Manche bieten mir aber auch an, meinen nächsten Urlaub zu finanzieren, oder fragen direkt: Wie viel muss ich zahlen für einen Platz? Mich erstaunt, wie selbstverständlich das kommt, und ausgerechnet von den Leuten, die sich locker einen teureren Platz in einer privaten Krippe leisten könnten. Ich verstehe, sie sind verzweifelt, aber wie weit manche gehen, finde ich bedenklich. Und ich finde es unfair anderen Eltern gegenüber. Bei mir führt das dann eher dazu, den Platz jemand anderem zu geben."

Mai: Bis zu zehn Anrufe am Tag

"Zum Glück ist es gerade wieder etwas ruhiger geworden bei uns. Allein für die Krippe musste ich Anfang Mai 200 Absagen rausschicken, für den Kindergarten waren es immer noch mehr als 100. Nur für 15 Kinder hatte ich neue Plätze in der Krippe, für 16 im Kindergarten. Als die Briefe abgeschickt waren, hatte ich sehr viele Anrufe, bis zu zehn am Tag. Manche Eltern sind sogar selbst vorbeigekommen. Viele haben um eine zweite Chance gebeten. Zweite Chance, was heißt das? Sie hatten wohl überlesen, dass sie ja gar nicht von der Warteliste fallen. Viele haben gebettelt, ob es nicht doch noch irgendwie klappen kann, sie würden auch dieses oder jenes für die Krippe tun. Ihnen allen kann ich nur eine ehrliche Antwort geben: Wir haben keine Plätze. Viele waren schon sehr energisch. Manchmal hat mich der Ton gestört, und die Art, wie mancher mit mir geredet hat, hat mich genervt und auch geärgert. "Sie müssen doch, Sie sind meine letzte Chance." Ich kann doch nur das tun, was in meiner Macht steht. Und ich habe die Plätze nach unseren Richtlinien ausgesucht. Als ich über die Zusagen entschieden hatte, war ich mir auch sehr sicher, dass ich das richtig ausgewählt habe. Deshalb hat mich die Situation auch persönlich gar nicht so stark belastet. Klar, ich verstehe die Situation der Eltern, ich würde ja auch gerne mehr helfen, aber das kann ich nicht.

Diejenigen, die eine Zusage bekommen haben, haben sich sehr gefreut, und ich mich mit. Ich habe jeden angerufen, bevor ich den Brief abgeschickt habe, für den Fall, dass jemand schon einen anderen Platz gefunden hat. Das war nur bei einer Mutter so. Nach und nach kommen jetzt schon ein paar Kinder zur Eingewöhnung, die meisten dann im September. Ich hoffe, dass die Personalsituation bis dahin so gut bleibt wie jetzt. Wir haben seit dem 1. Mai alle Stellen wieder besetzt. Bis jetzt gibt es keine Kündigungen und Schwangerschaften. Aber die meisten wechseln zum Ende des Kindergartenjahrs. Es kann sich also noch viel ändern."

Bruno Didrichsons, Leiter des Sozial- und Jugendamts in Germering: im März:

"Ich kann mich noch gut erinnern, als wir vor 14 Jahren unsere erste Krippengruppe eröffnet haben. Die wurde nicht ganz voll, und die Skepsis war groß. Der gesellschaftliche Wandel, der seitdem stattfand, ist enorm. Obwohl wir in den letzten Jahren eine Krippe nach der anderen aufgemacht haben, mussten wir im Herbst leider circa 50 Kinder abweisen. In Germering mit seinen 39.000 Einwohnern leben momentan etwa 1000 Kinder unter drei Jahren. Für 240 stehen in sechs Krippen und in der Tagespflege Betreuungsplätze zur Verfügung. Spätestens bis 2015 wollen wir aber Plätze für 420 Kinder haben, auch in Teilzeit. Sechs Gruppen sind im Bau, sieben in der Planung. Sobald all das umgesetzt ist, sollen nach einem Stadtratsbeschluss auch ausreichend Plätze für die Krippenkinder auswärtiger Mitarbeiter in Germeringer Betrieben zur Verfügung stehen.

Wie wir zum Start des Rechtsanspruchs dastehen, weiß ich erst im April, nach den Einschreibungen. Zwei neue Einrichtungen werden voraussichtlich im Herbst fertig, dann haben wir 320 Krippenplätze. Ob die ausreichen, hängt auch davon ab, wie das neue Betreuungsgeld angenommen wird. Ich glaube nicht, dass es große Auswirkungen haben wird, aber das wird sich zeigen. Wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot, müssen wir Container aufstellen und darin eine oder mehrere provisorische Gruppen einrichten, denn wir dürfen in Zukunft keine Kinder mehr abweisen.

Die Bedarfsplanung ist insgesamt ein schwieriges Unterfangen. Geburten lassen sich zwar in etwa absehen, aber was wir nicht im Griff haben, sind gesellschaftliche Veränderungen. Ich glaube es zwar nicht, aber vielleicht wird es ja mal wieder out, ein Kind in die Krippe zu geben. Auch die wirtschaftliche Entwicklung ist ein Unsicherheitsfaktor. Fallen Arbeitsplätze weg, werden weniger Krippen benötigt. Eines der größten Probleme bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs wird jedoch der Mangel an Fachpersonal sein, besonders im Großraum München. Um dem Erziehermangel zu begegnen, haben wir ein trägerübergreifendes Konzept erstellt: Die meisten Punkte, wie bundesweite Stellenausschreibungen, Hilfe bei der Wohnungssuche oder Schnuppertage, wurden bereits umgesetzt. Erfreulicherweise zeigt das bereits erste Erfolge."

Mai: Wir stellen Container auf

"Bei uns schaut es nicht schlecht aus. Nach jetzigem Stand haben wir im Kindergartenbereich bei 330 Anmeldungen für etwa fünf bis zehn Kinder noch keinen Platz. Bei den Krippen sind es nicht ganz 200 Anmeldungen gewesen - und da haben wir für etwa zehn Kinder keinen Platz. Und das, obwohl bei uns im Herbst zwei neue Einrichtungen fertig werden, mit 80 neuen Krippenplätzen. Wir sagen aber: Jeder soll und muss einen bekommen. Deshalb machen wir eine Übergangslösung. Wir planen nämlich gerade eine neue Einrichtung, mit vier Kindergarten- und zwei Krippengruppen. Die verzögert sich, weil wir da eine europaweite Ausschreibung machen müssen. Nun stellen wir Container auf, und spätestens Ende 2014 werden die Kinder von dort in die dann fertige neue Einrichtung wechseln. Und so sind im Herbst alle, die einen Platz haben wollen, versorgt. Container zu bekommen, sollte kein Problem sein - da gibt es ja sehr viele Firmen. Das größere Problem wird wohl sein, genügend pädagogische Fachkräfte zu finden.

Mit diesen Anmeldezahlen habe ich in etwa gerechnet, entspannt bin ich trotzdem nicht: Wir haben derzeit Planungen laufen für weitere sechs bis sieben Einrichtungen. Zwei sollen neu gebaut haben, und jetzt kommt auch noch diese Übergangslösung dazu. Mich freut es, dass wir das voraussichtlich alles ganz gut hinbringen, aber das geht nicht von selbst. Da muss man sich schon anstrengen. In Germering leben derzeit etwa 1000 Kinder unter drei Jahren. Davon werden im Herbst 340 bis 350 Kinder betreut, also etwa 35 Prozent. Unsere Planung ist aber abgestellt auf 42 Prozent, wir bauen weiter aus. Auch weil wir Menschen Plätze anbieten wollen, die nicht bei uns wohnen, aber arbeiten. Wobei unsere Erfahrung ist: Das sind nicht so viele, die ihr Kind am Arbeitsort unterbringen wollen, in der Krippe noch eher als im Kindergarten. Die Eltern wollen, dass ihr Kind mit Freunden dorthin geht, mit denen es dann auch in die Schule kommt. Aber wir hören schon immer wieder von Familien, die sagen: Wir ziehen nach Germering, weil wir wissen, dass die Situation im Kinderbetreuungsbereich hier sehr gut ist."

München ist teuer, aber ich komme klar

Isabell Stephan, 24, Auszubildende zur Erzieherin im Anerkennungsjahr im März:

"Meine Ausbildung habe ich vor vier Jahren begonnen. Normalerweise dauert sie fünf Jahre, aber weil ich Fachabitur habe, durfte ich verkürzen. Jetzt bin ich gerade im Praxisjahr in der Kita der Inneren Mission in Pasing, schreibe meine Facharbeit, und am 17. Mai habe ich noch eine praktische Prüfung. Nebenher sitze ich an Bewerbungen. Ich weiß noch nicht so genau, bei welchem Träger ich arbeiten soll. Bisher habe ich mich bei der Inneren Mission beworben, die ich schon gut kenne, und bei der Stadt.

Betreuungsplatz-Suche in München: Isabell Stephan

Isabell Stephan

(Foto: Robert Haas)

Sie ist der größte Arbeitgeber, und man kann sich dort gut entwickeln. Anfangen möchte ich am liebsten im Kindergarten, nicht bei den ganz Kleinen. Ich habe auch überlegt, mich in einer privaten Kita zu bewerben, weil man dort besser verdient.

Aber am wichtigsten ist mir, dass ich mich wohlfühle, dass ein gutes Klima herrscht und man sich mit dem Team versteht. Viele meiner Freunde an der Fachakademie haben gar keine Bewerbungen geschrieben, sie wurden gleich dort übernommen, wo sie ihr Praxisjahr machen. An manchen Schulen gibt es auch Headhunter, die Erzieherinnen oder Kinderpflegerinnen ansprechen.

Mich selbst hat niemand angesprochen. Für mich war es wichtig, in München zu bleiben. Ich bin vor drei Jahren aus Oberfranken nach München gezogen und fühle mich hier sehr wohl. Auf dem Land gibt es zwar auch Stellen, aber es gibt nicht so ein weites Feld wie hier. München ist zwar teuer, aber ich komme klar."

Mai: Ich habe jetzt meinen Traumjob

"Mir geht es richtig super. Ich kann nämlich hier in der Kita der Inneren Mission in Pasing bleiben. Ich war ja schon zum Berufspraktikum in der Einrichtung, gerade habe ich hier mein Anerkennungsjahr gemacht. Und jetzt ist hier eine Stelle frei geworden, weil eine Erzieherin gekündigt hat. Zum 1. September übernehme ich dann die Gruppe, in der ich jetzt schon arbeite. Ich hatte auch ein Angebot, in einer Krippe anzufangen, aber das wollte ich lieber nicht. Das Kindergartenalter liegt mir mehr.

Ich habe jetzt wirklich meinen Traumjob. Ich fühle mich hier total wohl, Team und Leitung sind sehr nett. Das war für mich entscheidend. Ich hatte mich auch bei der Stadt München beworben, auch die hätte mich genommen, aber das habe ich wieder abgesagt. Über das Geld habe ich gar nicht nachgedacht, jetzt am Anfang gibt es keine großen Unterschiede. Vor einigen Tagen hatte ich meine praktische Prüfung, es lief super und ich habe eine Eins bekommen. In zwei Wochen muss ich die Facharbeit abgeben, im Juli noch ins Mündliche. Ich freue mich natürlich, dass ich bis jetzt gute Noten habe, aber eigentlich bekommt man im Moment auch mit schlechteren ziemlich sicher einen Job."

Jeden Tag Anrufe und Briefe

Susanne Herrmann, Leiterin der Abteilung Kita im Münchner Referat für Bildung und Sport im März:

"Mein Team arbeitet sehr intensiv daran, dass möglichst viele Eltern im Herbst den Platz bekommen, den sie sich wünschen. Im Moment frage ich meine Kinderkrippenleiterinnen immer: "Ist bei Euch gerade schon richtige Hektik?" Meist höre ich, es sei noch ruhiger und der Ansturm der Eltern kleiner als gedacht. Aber die Absagen und Zusagen gehen ja erst noch raus. Wir haben in München schon lange auf den Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige geachtet und stehen deshalb besser da als andere Kommunen. Dann kam der Rechtsanspruch, worüber wir uns sehr gefreut haben, weil wir ihn gesellschaftspolitisch richtig und wichtig finden. Ich sehe aber auch, wie schwer das in der Umsetzung ist, und wie sehr wir auch als Kommune allein gelassen werden und womöglich Eltern nicht das geben können, wofür wir uns einsetzen wollen. Auch wenn der Stadtrat alle Plätze beschließt, die wir beantragen, ist es ein großes Ringen.

Allein 2013 kommen ja noch mal 4000 Plätze in diesem Bereich - vorausgesetzt, wir finden das notwendige Personal. Das ist ein massives Problem. Es gibt in München schon Plätze, die deshalb freibleiben. Wir stehen unter Druck, das gut machen zu wollen, nicht nur wegen des Rechtsanspruchs. Es ist ein schöner Druck, aber auch ein Spagat zu wissen: Wir werden nicht jeden Wunsch befriedigen.

Ich habe selber drei Kinder, die langsam raus sind aus dem Alter für Kindertagesbetreuung, mit 15, 13 und neun Jahren. Ich habe immer nebenher gearbeitet und hatte sie in Kinderkrippe oder Kindergarten, einmal habe ich selbst eine Mittagsbetreuung mitaufgebaut. In meinem privaten Umfeld kenne ich immer Eltern, die suchen. An meinem Schreibtisch stehen die Eltern nicht täglich Schlange. Ich bekomme aber jeden Tag Anrufe und Briefe. Ein Jahr vor dem Rechtsanspruch haben wir noch mal alles angeschaut. So konnten wir zusätzlich rund 1400 Plätze für unter Dreijährige herausschlagen. Ganz kurzfristig haben wir jetzt unsere Elternberatungsstelle eröffnet. Die kümmert sich bis September nur um Eltern mit unter dreijährigen Kindern, die keinen Platz gefunden haben."

Mai: Bis September tut sich noch viel

"Wir haben in den vergangenen Wochen 1320 Zusagen für die Krippen, 4600 für den Kindergarten und 1800 für Hortplätze verschickte. Das gilt nur für die städtischen Einrichtungen. Wir wissen natürlich nicht, wie viele Absagen die anderen Träger verschickt haben - und auch nicht, wie viele Eltern deshalb tatsächlich noch ohne Platz sind. In unserer neuen Servicestelle beraten wir die Eltern. Manche wenden sich auch an uns, weil sie erst 2014 einen Platz brauchen. Andere sind angespannt, weil sie dringend zum Herbst einen Platz brauchen, aber bisher nur Absagen bekommen haben. Wir hatten aber auch schon eine Mutter, die fragte, was sie nun tun solle: Sie hatte zwei Plätze. Viele wollen auch wissen, ob es sich lohnt, noch auf einen städtischen Platz zu warten. Sie haben einen Platz in einer privaten Krippe.

In der Servicestelle sammeln wir freie Plätze: Vor allem die Freien und die Privaten melden diese freiwillig jeden Montag. Manchmal ziehen Kinder weg oder die Eltern nehmen sie aus anderen Gründen wieder aus der Krippe. Bereits dienstags vergeben wir den Platz nach unserer Prioritätenliste. Die kann auch individuelle Schicksale und Dringlichkeiten mit berücksichtigen. Und schon am Mittwoch bringen wir Träger und Eltern zusammen. 36 Eltern konnten wir so bis jetzt kurzfristig helfen, in nur einem Monat. Unsere Erfahrung ist, dass sich bis September noch viel tut. Mancher Träger hat jetzt erst mal vorsichtig kalkuliert, auch aufgrund der angespannten Personalsituation. Wer fürchtet, dass er vielleicht eine Gruppe schließen muss, vergibt die Plätze erst mal nicht."

Veraltetes Vergabesystem

Thomas Färbinger, Rechtsanwalt aus München im März:

Betreuungsplatz-Suche in München: Tobias Färbinger, Rechtsanwalt Fachanwalt für Familienrecht

Tobias Färbinger, Rechtsanwalt Fachanwalt für Familienrecht

(Foto: Robert Haas)

"Ich bin Anwalt, Familienrechtler. Und ich bin Vater. Unser Sohn ist anderthalb, seit September geht er in eine Krippe. Wir hatten Glück, dass der Arbeitgeber meiner Frau uns einen Platz zur Verfügung gestellt hat. Bei einer städtischen Krippe standen wir weit hinten auf der Warteliste. Und da wir planen, ein zweites Kind zu bekommen, bleibt mir das Thema Krippensuche erhalten.

Jetzt möchte ich als Anwalt gern Eltern unterstützen, die weniger Glück hatten. Für Anwälte ist der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ein schönes Thema: Es ist wenig streitbehaftet, und die Beweise sind eindeutig. Es passt auch gut zum Familienrecht: Das Unterhaltsrecht verlangt, dass man möglichst bald wieder arbeitet. Aber das Platzangebot passt dazu noch nicht. An Weihnachten habe ich den Text auf meine Homepage gestellt, dass ich Eltern vertreten kann, die einen Betreuungsplatz oder Schadenersatz einklagen wollen. Noch hat sich niemand gemeldet, auch die Unterseite zum Krippenplatzanspruch wird bisher kaum aufgerufen. Ich denke, dass sich das ändert, sobald Ende April die Zu- und Absagen verschickt werden. Wann genau ein Schadenersatzanspruch besteht, dazu ist vieles noch von der Rechtsprechung zu klären.

Zum Beispiel ist nicht ganz klar, welche Wege Eltern für einen Krippenplatz in Kauf nehmen müssen. Völlig veraltet finde ich das städtische Vergabesystem. Die Eltern müssen mit der Hand einen Antrag ausfüllen, den die Leiterin dann in den Computer eingibt. Das kostet viel Zeit und entspricht nicht mehr dem heutigen technischen Standard. Wir haben deshalb auch dem Oberbürgermeister geschrieben und ihn auf diesen Missstand hingewiesen."

Mai: Ich empfehle, noch abzuwarten

"Inzwischen bereite ich mich intensiver darauf vor, im Sommer für meine Mandanten den Rechtsanspruch juristisch durchzusetzen. Schon seit einigen Monaten biete ich das auf meiner Internetseite an. Inzwischen haben sich viele Mandanten gemeldet. Die erste Ablehnungswelle ist ja Ende April rausgegangen. Meine derzeitige Empfehlung ist noch, einige Wochen abzuwarten, weil es jetzt noch keinen Sinn macht, eine Klage einzureichen. Um überhaupt noch eine Chance zu haben, einen Platz einzuklagen, muss man ja bei den ersten sein, aber wenn man zu früh klagt, könnte die Klage als unzulässig abgewiesen werden. Im Moment sollte man vorbauen, Widerspruch einlegen gegen die Absage und auch an das Jugendamt herantreten, um dort noch mal zu dokumentieren: Ich will einen Betreuungsplatz.

Ich hatte auch skurrile Anfragen: Wir haben zwar einen Platz, aber wir brauchen unbedingt einen zweisprachigen, damit das Kind keinen Nachteil hat gegenüber denjenigen, die zweisprachig aufwachsen. Das ist dann doch eher ein Luxusproblem. Bei den meisten anderen ist es existenzieller: Die betreuende Person, meist die Mutter, will wieder arbeiten und die Stadt kann nicht helfen. Der Arbeitgeber will endlich wissen, wann er seinen Mitarbeiter wieder einplanen kann, aber die Verwaltung bekommt das nicht hin. Einige Eltern wollen auch wissen, wie sie juristisch vorgehen müssen, wenn sie einen privaten Krippenplatz haben, die Mehrkosten gegenüber einem städtischen aber erstattet bekommen wollen. Es ist alles noch etwas unklar, die Rechtsprechung muss sich nach dem 1. August ja erst herausbilden. Aber nach der wenigen Literatur, die es zurzeit gibt, sieht es danach aus, als könnte es diesen Anspruch wirklich geben.

In der bisherigen Literatur gibt es insgesamt zwei Lager: Juristen aus der öffentlichen Verwaltung, die den Schadensersatzanspruch sehr eng fassen, und das andere Lager, das eventuell auch aus selbst betroffenen Autoren besteht, die den Anspruch sehr weit fassen. In der Regel wird es einen Mittelweg geben. Spannend wird, ob es einen Anspruch auf Schadensminimierung zum Beispiel beim Verdienstausfall geben wird. Im Bekanntenkreis habe ich einen Extremfall. Der Vater ist Führungskraft in einem großen Unternehmen. Wenn der seinen Verdienstausfall eines Jahres einklagen würde, könnte man von dem Betrag eine neue Krippe bauen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: