Süddeutsche Zeitung

"Black Jackets" in München:Kriminelle Streetgang macht Rockern Konkurrenz

Ihre Mitglieder fahren alte BMWs, sind meist arbeitslos und stehen seit ihrer Jugend in Konflikt mit der Polizei: Die "Black Jackets" sind in anderen Städten bereits durch Gewalttaten aufgefallen, nun drängen sie nach München. Die Polizei befürchtet, dass es zwischen ihnen und den Hells Angels oder den Bandidos bald krachen könnte.

Von Susi Wimmer

Vor wenigen Tagen hat die Bonner Staatsanwaltschaft Anklage gegen fünf Mitglieder der Streetgang Black Jackets erhoben. Die Männer sollen ein ganzes Stadtviertel in Angst und Schrecken versetzt, geraubt, geprügelt und den Drogenhandel kontrolliert haben. In Bad Wörishofen flog im Mai ein Haus halb in die Luft. Zwei Mitglieder der Black Jackets erlitten schwerste Brandverletzungen; ob sie Täter oder Opfer waren, ist noch unklar.

Vor gut sechs Wochen registrierte die Münchner Polizei erstmals eine Bande von jungen Männern in den typischen schwarzen Kutten in der Stadt: Die Streetgang Black Jackets hat auch in München einen Ableger gegründet. Ein Umstand, der der Polizei große Sorgen bereitet.

"Es ist ein fragiles Gefüge, das gestört werden könnte", sagt Mario Huber vom Bayerischen Landeskriminalamt (LKA). Huber ist Leiter des Sachgebiets Organisierte Kriminalität. Hier im LKA ist die bayernweite Zentralstelle für Rocker und rockerähnliche Gruppierungen angesiedelt. Mit dem "fragilen Gefüge" meint Huber die bislang relativ friedliche Koexistenz der einzelnen Rocker- und Streetgang-Gruppierungen in Bayern.

In München etwa sind die Bandidos, die Hells Angels, Gremium und Trust mit Ablegern vertreten. Bis auf gelegentliche Ausrutscher, wie vor kurzem die Schlägerei zwischen Hells Angels und Bandidos in einem Strip-Klub an der Schillerstraße, habe man die Szene relativ gut im Griff. Ob die neue Streetgang den Rockern in die Quere kommen wird, bleibt abzuwarten. Bislang stünden die alteingesessenen Rocker den Neuankömmlingen "neutral" gegenüber, sagt Andreas Gollwitzer, zuständiger Kommissariatsleiter bei der Münchner Polizei. "So nach dem Motto: Wenn die nichts tun, tun wir auch nichts."

Streetgangs sind den Rockergruppen nicht unähnlich: Sie verfügen über eine starre Hierarchie, sie schotten sich ab, ihre Mitglieder sind hauptsächlich junge Menschen, die "irgendwo dazugehören wollen", wie Mario Huber sagt. Die Black Jackets gründeten sich 1985 in Baden-Württemberg, vorwiegend waren es türkischstämmige oder vom Balkan kommende junge Männer, heute sind die Nationalitäten in den Gruppen bunt gemischt.

Die Gangmitglieder sind meist arbeitslos - und laut Polizei seit früher Jugend mit dem Gesetz in Konflikt. "Wenn die ihre kriminelle Energie bündeln, entsteht ein ganz anderes Potenzial als bei den Rockern", glaubt Huber. In Bayern seien die Black Jackets seit etwa drei Jahren auf dem Vormarsch.

Anfang Juni, so erzählt der Münchner Kommissariatsleiter Andreas Gollwitzer, seien die Black Jackets erstmals in der Stadt aufgefallen. Mehr als ein Dutzend der jungen Männer sind der Polizei namentlich bekannt. Gollwitzer schätzt, dass es "so 30 bis 40 Mitglieder insgesamt" sein könnten.

Die Gang ist hauptsächlich im Norden und Osten der Stadt unterwegs, an Treffpunkten, die die Polizei beobachtet. Ein festes Vereinsheim scheint es noch nicht zu geben. Es sind junge Männer im Alter zwischen 18 und etwa 30 Jahren, sie fahren BMWs älteren Baujahrs und sind bei der Polizei einschlägig bekannt, hauptsächlich wegen Körperverletzungsdelikten. Zu erkennen ist die Streetgang an den schwarzen, ärmellosen Lederwesten, deren Rücken eine Bulldogge ziert, eingerahmt von zwei Schriftzügen oben und unten. "Das ist der dreiteilige Aufnäher, den auch die Rocker tragen", erklärt Mario Huber. Überhaupt ahmen Streetgangs die Rocker nach - nur eben ohne Motorräder.

In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg "kracht es regelmäßig" zwischen Rockern und Streetgangs, wie LKA-Mann Huber weiß. Es gehe um Gebietsstreitigkeiten, wer die Rauschgiftszene kontrolliert, den Waffenhandel, die Rotlichtbezirke oder das Türstehermilieu. Vor ein paar Monaten wurde in Baden-Württemberg ein Mitglied der Black Jackets von einem Rocker der Red Legions erstochen.

In Bonn stiegen Mitglieder der Black Jackets nachts in Häuser ein, prügelten die Bewohner krankenhausreif und stahlen Geld und Wertsachen. In Neu-Ulm starb im Dezember 2012 ein Türsteher, er wurde nachts auf offener Straße von einem Mitglied der Rockergruppe Rock Machine erschossen. "Das war das erste Tötungsdelikt in Bayern in dieser Szene", sagt Huber.

Wie bei den Rockergruppierungen auch, versucht die Polizei, mit den Streetgangs Kontakt aufzunehmen. "Es gibt regelmäßig so genannte Gefährderansprachen", sagt Huber. Das heißt, Mitglieder der Gang, meist die Chefs, werden von der Polizei einbestellt und quasi im Vorfeld ermahnt. Auch Führungspersonen der als durchaus gewaltbereit eingeschätzten Black Jackets in München wurden schon von Gollwitzers Männern zum Gespräch eingeladen. Allerdings verlaufen solche Gespräche oft recht einseitig: Denn Rocker und Streetgangs pflegen keine Dialoge mit Behörden.

Als in Berlin ein Bandido einem Hells Angel mit der Machete das Bein fast abtrennte, versicherte das Opfer der Polizei, dass doch "gar nichts gewesen" sei. Ob sich die Black Jackets etablieren, bleibt abzuwarten. Die Polizei jedenfalls, das versichert Mario Huber, werde den Black Jackets immer ganz dicht auf die schwarze Kutte rücken.

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SZ vom 29.07.2013/tba
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