Kriminalität:Polizei warnt vor falschen Polizisten

  • In München sind wieder vermehrt Trickbetrüger unterwegs und suchen vor allem Senioren auf. Seit Anfang 2016 zählte die Polizei bereits 73 Fälle.
  • Der Enkeltrick kommt dabei offenbar aus der Mode. Nun sind es vermehrt falsche Handwerker, Sanitäter oder sogar falsche Polizisten.

Von Martin Bernstein

Es waren keine leichten Tage für Johanna W. aus Schwabing. Nach einem Schlaganfall war sie gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden. In zwei Tagen sollte ihre Reha beginnen, doch die Unterlagen fehlten noch. Die 79-Jährige telefonierte gerade in dieser Sache, als es an der Tür der Erdgeschosswohnung klingelte. "Mach mal auf", rief sie ihrem Mann Jürgen, 80, zu.

Dann ging alles ganz schnell: Ein Mann im blauen Overall stand vor der Tür. Es sei dringend, behauptete der vorgebliche Handwerker, Wasserschaden im zweiten Stock! Probleme mit den Leitungen hatte es jüngst schon einige gegeben, also ließ Herr W., während seine Frau weiter telefonierte, den Klempner herein. Und tat, was dieser sagte: ins Bad gehen, die Brause aufdrehen.

Derweil suchte Johanna W. einen Stift - und stieß auf dem Flur ihrer Wohnung mit einem Unbekannten zusammen. Der Mann, ebenfalls in Handwerkermontur, kam gerade aus dem Schlafzimmer. "Was machen Sie da?" herrschte Frau W. ihn an. Da türmte der Unbekannte - und mit ihm sein Kompagnon, der falsche Klempner.

Weg waren aber nicht nur die Eindringlinge. Weg waren auch 1000 Euro Bargeld und der goldene Familienschmuck der alten Leute. "Ich war richtig fertig", erzählt Johanna W. am Freitag im Polizeipräsidium. Und jeder spürt, dass sie es immer noch ist, als sie von den Eindringlingen erzählt.

Vorsicht vor falschen Polizisten, Sanitätern oder Gerichtsvollziehern

Was Johanna und Jürgen W. am 11. Januar passiert ist, ist kein Einzelfall. Nachdem die Enkeltrickbetrüger nach jüngsten Fahndungserfolgen der Polizei derzeit eher einen Bogen um München machen, schlagen jetzt falsche Handwerker oder - noch perfider - falsche Polizisten zu und bringen alte Menschen um ihr Hab und Gut. 47 Fälle, in denen falsche Handwerker klingelten, registrierte Erster Kriminalhauptkommissar Konrad Raab im zweiten Halbjahr 2015 mit einer Schadenssumme von 600 000 Euro. Seit Anfang 2016 waren es bereits 73 Fälle.

Noch häufiger treten derzeit falsche Polizisten auf: 114 Mal allein seit Anfang Mai. In fünf vollendeten Fällen erbeuteten sie mehr als 100 000 Euro. "Der Fantasie der Täter sind keine Grenzen gesetzt", sagt Raab. Die Täter rufen an - oft unter der elektronisch gefälschten Nummer des Polizeipräsidiums -, sie geben sich als Polizisten aus, als Gerichtsvollzieher oder wie jüngst als Mitarbeiter der Spurensicherung.

Die Banden operieren deutschlandweit - die Spur führt oft ins Ausland

Das geht dann so: Ein Anrufer, angeblicher Kriminalbeamter, eröffnet der entsetzten Bewohnerin, die gerade vom Einkauf zurückgekommen ist, bei ihr sei eingebrochen worden und er schicke ihr die Spurensicherung vorbei. Noch während des Telefonats klingelt es und Männer in Fantasieuniformen stehen vor der Tür. "Wo sind Ihre Wertsachen?", wollen sie wissen. Und auf den Einwand, man sehe ja gar nichts von einem Einbruch, kommt die prompte Antwort: "Das sind Profis."

Profis sind diejenigen, die solche Diebstähle begehen, in jedem Fall. Das seien deutschlandweit operierende Banden, sagt Raab. Die Spur der falschen Polizisten am Telefon führe ins Ausland: Sie rufen in akzentfreiem Hochdeutsch meist aus Callcentern in der Türkei an. Das Prinzip ist immer ähnlich: Alte Menschen werden überrumpelt und in Angst und Schrecken versetzt. Zusätzlich wird oft noch Zeitdruck aufgebaut. So sollen sie dazu gebracht werden, Geld abzuheben und es auf dubiose Weise "in Sicherheit" zu bringen. Sprich: den Betrügern zu geben.

Schutz vor solchen Trickdieben bietet laut Erstem Polizeihauptkommissar Arno Helfrich vor allem der sofortige Anruf unter der Notrufnummer 110. Auch für Rückfragen. Und in die Wohnung lassen sollte man Unbekannte natürlich auch nicht. Auch keine angeblichen Hausverwalter oder Rettungsdienstmitarbeiter. Denn das ist - jüngste Fälle stammen vom Donnerstag - offenbar schon die nächste fiese Masche, mit der Trickdiebe vor der Tür stehen.

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