München war und ist die sicherste Millionenstadt Deutschlands. "Wir sind zum 41. Mal Deutscher Meister", verkündete am Donnerstag Polizeipräsident Hubertus Andrä stolz. Mitgebracht hatte er die polizeiliche Kriminalstatistik für das vergangene Jahr, mit der er nicht unzufrieden ist. Die Zahl der Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Münchner Polizei, zu dem auch der Landkreis München gehört, ist demnach um zwölf Prozent zurückgegangen. Auf den ersten Blick eine enorm positive Entwicklung, doch die Zahlen täuschen ein wenig, denn es gab in den vergangenen beiden Jahren einen besonderen statistischen Effekt.
Kriminalitätsentwicklung
Die Münchner Polizei registrierte im vergangenen Jahr 128 141 Straftaten, das sind 17 443 Delikte weniger als im Jahr zuvor. Dieser deutliche Rückgang um zwölf Prozent liegt aber vor allem daran, dass 2016 viel weniger Flüchtlinge neu in München angekommen sind als 2015. Jede illegale Einreise schlägt sich in der Statistik als Straftat nieder. Inzwischen kommen nur noch etwa fünf Asylbewerber pro Tag neu in der Stadt an, es waren mal Tausende.
Rechnet man die Einreiseverstöße heraus, landet man bei 110 399 Straftaten. Das sind zwar immerhin sechs Prozent mehr als im Vorjahr, im langjährigen Vergleich ist es aber dennoch ein guter Wert. 2007 waren es rund 121 000 Straftaten, 1997 sogar 125 000. Obwohl die Bevölkerungszahl seitdem stark zugenommen hat, ist die Zahl der Delikte kontinuierlich gesunken. "Soviel zu dem Eindruck, früher sei alles besser gewesen", sagte Andrä bei der Pressekonferenz am Donnerstag.
Ein besserer Indikator als die Gesamtzahl ist die Zahl der Straftaten pro 100 000 Einwohner. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es hier zwar ebenfalls eine leichte Steigerung um 4,4 Prozent auf jetzt 6128, doch im langjährigen Mittel weist auch dieser Trend nach unten. Beispielsweise waren es im Jahr 2010 acht Prozent mehr Delikte. In Hamburg, Frankfurt und Köln werden rund doppelt so viele Straftaten pro 100 000 Einwohner registriert, in Berlin sind es mit 15 700 sogar noch mehr.
Gründe für den Anstieg
Ein sehr großer Teil des Gesamtanstiegs, etwa 20 Prozent, entfällt auf den Bereich rund um den Hauptbahnhof. Ein Beispiel zeigt das besonders deutlich: Die Polizei verzeichnete sieben Prozent mehr Rauschgiftdelikte als im Vorjahr, eine Steigerung von exakt 600 Delikten - die allesamt auf den Hauptbahnhof entfielen, wie Kriminaldirektor Stefan Kastner erläuterte. Polizisten sprechen dabei von "Kontrolldelikten": Kaum jemand wählt den Notruf, weil er einen Dealer beobachtet hat. Die Polizei muss gezielt nach ihnen suchen. Je erfolgreicher die Ermittler ihren Job machen, desto schlechter sieht die Statistik aus. Und die Kontrollen am Hauptbahnhof wurden im vergangenen Jahr drastisch verstärkt. "Zustände wie in Berlin, wo der Senat offensichtlich beabsichtigt, den Kampf gegen Drogenhandel im Görlitzer Park aufzugeben, wird es in München nicht geben", betonte Andrä. "Bei uns gilt weiterhin null Toleranz gegenüber Rauschgift."
Ein zweites Beispiel, das die Zunahme der Straftaten um sechs Prozent erklärt, ist ebenfalls ein Kontrolldelikt: Exakt 1980 zusätzliche Straftaten waren Leistungserschleichungen, im Klartext: Schwarzfahren. Ohne Zweifel eine Straftat, aber keine, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinträchtigt.
Wohnungseinbrüche
Sorge bereitet der Polizei die deutlich gestiegene Zahl der Wohnungseinbrüche. Diese kletterte im Vergleich zum Vorjahr um ganze neun Prozent: 1540 Mal drangen Einbrecher in Münchner Häuser ein. Dabei erbeuteten sie mit etwa zehn Millionen Euro fast doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Polizeipräsident Andrä machte keinen Hehl daraus, dass die Aufklärungsquote dieser Verbrechen "mager" ausfällt, sie liegt bei gerade mal 12,7 Prozent. Als Einbrecher hat man folglich recht gute Chancen, mit der Beute davonzukommen. "Unter dem Kopfkissen ist der unsicherste Platz für Wertsachen", betonte Andrä dann auch.
Sexualdelikte
Auch hier zeigt die Statistik leider nach oben: 882 Sexualstraftaten wurden im vergangenen Jahr angezeigt, 7,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Andrä relativiert die Steigerung jedoch ein wenig. Das "Anzeigeverhalten" habe sich in den vergangenen Jahren verändert. Er meint damit, dass sich immer mehr Frauen auch trauen, ihren Partner bei der Polizei zu melden, wenn er sie misshandelt. Mit Abstand die meisten Sexualdelikte passieren nämlich nicht auf offener Straße, sondern zu Hause, im persönlichen Umfeld. Häufig sind es die Partner oder Ehemänner, die zu Tätern werden. Vergleicht man die Zahl der Sexualstraftaten mit jener von vor zehn Jahren, so ist sie seitdem um deutliche 19,5 Prozent gesunken.
Gewaltverbrechen
In München wurde im vergangenen Jahr auch häufiger zugeschlagen als 2015. Die Zahl der sogenannten Rohheitsdelikte stieg um 4,7 Prozent auf 16 819 Fälle. Unter diese Kategorie fällt der Handtaschen-Raub genauso wie vergleichsweise harmlose Rangeleien. Doch auch die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen nahm mit 181 zusätzlichen Fällen um 5,5 Prozent deutlich zu. Alkohol spielt dabei eine wesentliche Rolle: Bei 36,4 Prozent aller Gewaltverbrechen war der Täter betrunken.
Wie viele Mordopfer es im vergangenen Jahr in München gab und wie viele Menschen bei einem Verbrechen getötet wurden, wird die Polizei erst im April in ihrem offiziellen Sicherheitsreport 2016 veröffentlichen. Es ist jedoch zu befürchten, dass auch diese Zahlen steigen werden. Denn allein beim Amoklauf am Olympia-Einkaufszentrum im Juli 2016 wurden neun Menschen erschossen.
Kriminalität durch Flüchtlinge
"Unter den Zuwanderern gibt es brave, weniger brave und natürlich auch diejenigen, die Gesetze brechen", erklärte Andrä, "wie es sie in jeder Gesellschaft gibt." Wahr sei aber auch, dass der Anstieg der Straftaten in dieser Bevölkerungsgruppe "durchaus beachtlich" sei. Die Zahl verdoppelte sich etwa im Vergleich zum Vorjahr auf 5898 Delikte. Ende 2016 lebten 33 656 Asylbewerber im Zuständigkeitsbereich des Münchner Präsidiums, 23,2 Prozent mehr als noch 2015.
Einen großen Teil der Straftaten machen Rohheitsdelikte aus, hier ist die Fallzahl um 97 Prozent gestiegen. Bei den Opfern handelt es sich meist ebenfalls um Flüchtlinge. Der Rest des Anstiegs lässt sich weitestgehend durch Schwarzfahrten und Verstöße gegen das Betäubungsmittegesetz erklären. Flüchtlinge werden häufiger kontrolliert, deswegen werden sie auch häufiger erwischt. Ein platter Vergleich der Straftaten von Zuwanderern mit jenen der heimischen Bevölkerung sei unseriös, warnte Andrä. Unter den Flüchtlingen sind viele Männer im mittleren Alter, eine Bevölkerungsgruppe, die statistisch häufiger straffällig wird. Außerdem leben sie oft beengt zusammen, da kann selbst ein Streit über das TV-Programm eskalieren.